10.12.2014

EU: Richtlinie über Schadensersatzklagen bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht im Amtsblatt veröffentlicht

Am 5. Dezember ist die Richtlinie 2014/104/EU Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden (ABlEU 2014 L 349, 1 ff). Sie tritt damit gemäß Art 23 der Richtlinie am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft und ist danach innerhalb von zwei Jahren von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Dies wäre laut Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie spätestens am 27. Dezember 2016 der Fall.

Sechs Jahre nach Inkrafttreten wird die Kommission die Richtlinie überprüfen und einen entsprechenden Bericht vorlegen.

Zuletzt hatte der EU-Ministerrat zuvor die Richtlinie am 10. November 2014 angenommen (gegen die Stimmen Polens, Sloweniens und Deutschlands), vgl. hierzu FIW-Bericht vom 13.12.2014.

Hintergrund:

Die Richtlinie beruhte auf dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union vom Juni 2013. Neben dem Ziel, eine vollständige Kompensation für den aufgrund eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht erlittenen Schaden zu gewährleisten, wollte die Kommission durch den Richtlinienvorschlag auch das Zusammenspiel zwischen öffentlicher und privater Rechtsdurchsetzung verbessern, indem insbesondere ein verstärkter Schutz von Kronzeugen in späteren Schadensersatzprozessen vorgesehen wird.

Wesentlicher Inhalt der Richtlinie:

 

Schadensersatz: Jeder, der durch ein Kartell geschädigt ist, kann vollen Schadensersatz verlangen. Der Schadensersatz umfasst dabei den Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße und des entgangenen Gewinns, sowie die Zahlung von Zinsen.

 


Offenlegung von Beweismitteln: Dem Gericht soll jetzt die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Offenlegung von Beweisen anzuordnen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Offenlegungsanordnung. Eine nicht-spezifische Informationssuche wird explizit ausgeschlossen. Es werden Regelungen im Hinblick auf den Schutz von Dokumenten, die sich in den Akten einer Wettbewerbsbehörde befinden, insbesondere bei Kronzeugenregelungen, getroffen.

 

 

Bindungswirkung nationaler Behörden- und Gerichtsentscheidungen: Einzelstaatliche Gerichte sind an die rechtskräftigen Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörde in dem Staat, in dem ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, hinsichtlich des Vorliegens eines Kartellverstoßes gebunden. Rechtskräftige Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten gelten als prima facie-Beweis.

 

Verjährung: Der Text hat die von der Kommission vorgeschlagene Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren übernommen. Die Hemmung der Verjährungsfrist, die durch die Einleitung eines Verfahrens durch eine Wettbewerbsbehörde eintritt, beträgt entsprechend dem Kommissionsentwurf ein Jahr nach finaler Behördenentscheidung.

 

Gesamtschuldnerische Haftung: Auch der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung wurde entsprechend dem Kommissionsvorschlag beibehalten. Kronzeugen sind weiterhin im Außenverhältnis privilegiert. So sind sie nur gegenüber ihren mittelbaren und unmittelbaren Abnehmern oder Lieferanten haftbar, es sei denn, dass der Geschädigte von keinem anderen Kartellbeteiligten die volle Erstattung des erlittenen Schadens erlangen kann. Allerdings sollen KMU grundsätzlich nur gegenüber ihren eigenen Abnehmern, wenn deren Anteil am betreffenden Markt unter 5 % während des wettbewerbswidrigen Verhaltens lag und ansonsten bei einer Inanspruchnahme des KMU dessen Existenz bedroht wäre, haften. Dies gilt nicht, wenn das KMU das wettbewerbswidrige Verhalten verursacht oder angeführt hat.

 

Passing-on Defense: Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, klare Regeln zu schaffen, um das Recht auf Entschädigung aller Parteien (direkter und indirekter Abnehmer) zu gewährleisten. Gleichzeitig soll eine Überkompensation und die Möglichkeit Mehrfachschadensersatz zu erlangen, ausgeschlossen werden. Die Einrede der Schadensabwälzung soll erhoben werden können. Die Beweislast, dass der Kläger den Schaden weitergegeben hat, liegt beim Beklagten, der allerdings eine Offenlegung von Beweismitteln durch den Kläger verlangen kann. Trotz der Erhebung dieser Einrede, kann der Kläger weiterhin auch seinen entgangenen Gewinn einklagen. Die nationalen Richter erhalten ein Schätzungsrecht, um zu beurteilen, in welchem Umfang der Schaden weitergereicht wurde.

 

Preisaufschlag zu Lasten indirekter Abnehmern: Die Beweislast für eine Schadensabwälzung bei Klagen indirekter Abnehmer liegt grundsätzlich beim Kläger. Dieser kann aber eine Offenlegung von Beweismitteln durch den Beklagten verlangen.

 

Orientierungshilfe für Gerichte: Die Kommission wird aufgefordert, den nationalen Gerichten eine Orientierungshilfe an die Hand zu geben, um das Ausmaß der Schadensabwälzung besser schätzen können.

 

Quantifizierung des Schadens: Es wird eine Vermutung festgeschrieben, dass prinzipiell jedes Kartell zu einem Schaden führt. Auf Anfrage können die Wettbewerbsbehörden Unterstützung bei der Quantifizierung des Schadens bieten.

 

Alternative Streitbeilegung: Im Falle einer einvernehmlichen Streitbeilegung kann das gerichtliche Verfahren ausgesetzt werden. Die Aussetzung darf maximal zwei Jahre betragen.