06.06.2013

Kurzbericht zum 3. Berliner Kolloquium „Kommunikation und Kooperation – Bedingung oder Beschränkung des Wettbewerbs?“

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FIW
3. Berliner Kolloquium

Das Berliner Kolloquium - Forum für wettbewerbspolitische und wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundsatzfragen außerhalb des Kartellrechts, das auch der Aussprache mit Vertretern der Politik (Regierung und Verbände), Praktikern und Vertretern der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften dient - fand am 23. Mai 2013 zum dritten Mal statt und widmete sich dem Thema „Kommunikation und Kooperation - Bedingung oder Beschränkung des Wettbewerbs?". Untersucht wurden Fragen und Probleme des  Informationsaustauschs zwischen Unternehmen, einem Dauerthema, das in den letzten Jahren, nicht zuletzt aufgrund von laufenden bzw. abgeschlossenen Verfahren, wieder verstärkt an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Hierbei ging es sowohl um Kommunikation zwischen Wettbewerbern, auch unter Einbeziehung von Verbänden, als auch um Kommunikation zwischen den Marktstufen und dem als „Hub and Spoke"-System diskutierten Phänomen.

Herr Professor Tobias Lettl, Universität Potsdam (für Professor Helmut Köhler, Ludwig-Maximilians-Universität München) referierte über „Informationsaustausch als vertikale Wettbewerbsbeschränkung". Professor Lettl kritisierte auf der Grundlage des aktuellen BGH-Urteils ‚UVP für Rucksäcke' den starren Ansatz des Bundeskartellamts in der Frage, ob ein Hersteller, der eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP) ausspricht, den Händler darauf hinweisen dürfe, dass dieser gegen die UVP verstößt. Das Bundeskartellamt hatte die nochmalige Kontaktaufnahme nach dem Versand der UVP moniert. Nach Ansicht von Professor Lettl komme dieser Ansatz einem per-se-Verbot gleich und sollte aufgegeben werden. Der BGH hatte zwar die Nichtzulassungsbeschwerde des Herstellers zurückgewiesen, jedoch angedeutet, dass die wettbewerbsfördernde Wirkung von Preisempfehlungen jeweils im Einzelfall zu eruieren sei. Es gelte, eine (zulässige) Preisempfehlung von einer vertikalen Preisbindung, die mit Nachteilen oder Vorteilen verknüpft werde, abzugrenzen. (Zum Handout)

Michael Wiedmann, Metro AG, sprach zum Thema "Kooperation und Informationsaustausch zwischen den Wertschöpfungsstufen". Nach einer Darstellung der Metro AG und der Funktionsweise des Lebensmittelhandels (LEH) in Deutschland und in anderen europäischen Staaten kritisierte Wiedmann insbesondere die Marktabgrenzung, die das Bundeskartellamt im LEH vornehme. Der Wettbewerb im LEH sei in Europa in Deutschland am intensivsten; auch gehöre der Anteil der Lebensmittelausgaben am Gesamtkonsum in Deutschland zu den niedrigsten in Europa. Wiedmann wies darauf hin, dass zwischen Handel und Industrie ein Kooperationsbedarf bestehe, um die erheblichen Logistikanstrengungen von Hersteller und Händler gewinn- und nutzbringend einsetzen zu können. Ein gewisses Maß an Kooperation sei zudem zum Erhalt der Markenvielfalt unerlässlich. Der Handel setze den Preis zwar autonom fest, die UVP werde jedoch für die Preisfindung benötigt. Das liege daran, dass der Preis das zentrale Element des „brand management" sei und dem Preis in Verbindung mit einem Produkt sowohl eine Qualitätsfunktion als auch ein Wiedererkennungswert zukomme. (Zum Handout)

Christopher Scholz, MAPA GmbH, warf in seinem Vortrag „Informierte Kooperation als Bedingung effizienter Leistungserbringung" die Frage auf, ob diese Vortragsüberschrift Thema oder These sei. Auch Scholz trat in seinem Vortrag für eine größere Markttransparenz und größere Liberalisierung der Preisbindung in Form einer „Rule of Reason" ein. Die Preisfindung werde seitens der Abnehmer selbstständig und autonom vorgenommen, allerdings beeinflusse die Industrie diesen Weg als „Sparring Partner" im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Preispflege (product management) und der Regalpflege (category management). Während die einseitige Vorgabe von UVP nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sei, sofern sie ohne Ausübung von Druck erfolge, würden Preiskontrollmechanismen derzeit als problematisch angesehen. Das Bundeskartellamt bewerte Marktinformationsaustauschsysteme - so Scholz - zu kritisch. Es forsche nach jedem Wissensvorsprung und wünschte sich „unternehmerische Autisten". Effizienzgewinne würden nur sehr restriktiv zuerkannt. (Zum Handout)

Jan Paul Marschollek, ZVEI e.V., sprach über "Aufgabe und Grenzen von Verbandstätigkeit im Kartellrecht". Nach einer Kurzdarstellung des ZVEI ging Marschollek auf die Funktion von Verbänden an der Schnittstelle zwischen Industrie und Politik näher ein und skizzierte, dass ein Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Verband und Mitgliedern unerlässlich sei, damit Verbände ihre gesellschaftspolitische Rolle als Interessenvertretung und „Sprachrohr" von Mitgliedern wahrnehmen könnten, was die Politik ihnen letztlich auch abverlange. Verbände schöpften den eigentlich rechtlich zulässigen Handlungsrahmen allerdings aufgrund von Auslegungsunschärfen bei der Anwendung der Kartellgesetze nicht vollständig aus; hier gelte es, künftig Effizienzverluste zu vermeiden. Die Anforderungen an Verbandsdienstleistungen seien hoch und komplex bei schlanken Strukturen und begrenzten Ressourcen. Die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Gegenständen einer Gremiensitzung stelle eine operative Herausforderung für Verbände dar. Hier könnten Leitfäden, Schulungen, Compliance-Strukturen und die Durchführung von Stichproben eine Möglichkeit zur Steuerung von kartellrechtskonformem Verhalten in Verbänden bieten. In dem Zusammenhang seien Hilfestellungen von behördlicher Seite, insbesondere für die „Graubereiche" wünschenswert.

Dr. Henning Leupold, Europäische Kommission, GD Wettbewerb, referierte über „Die EU-Wettbewerbsregeln zum Informationsaustausch". Nach der Vorstellung des EU-rechtlichen Regelwerks zum Informationsaustausch, das sich in den Horizontalleitlinien wiederfinde, widmete sich Leupold den Arten des Informationsaustauschs, also ob ein Informationsaustausch Teil einer anderen horizontalen Kooperationsvereinbarung oder eines Kartells bzw. als reiner Informationsaustausch angelegt sei. Er wies darauf hin, dass die Kommission zuletzt eine klarere Trennung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen beim Informationsaustausch vorgenommen habe. Bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung seien negative Auswirkungen auf den Markt und damit eine Marktanalyse nicht notwendig. Bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen sei stets zu prüfen, inwieweit der Informationsaustausch das Marktverhalten der Wettbewerber beeinflusse. Die Kommission habe in ihren Leitlinien verschiedene Faktoren aufgeführt, denen wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zugemessen werden könnten. Dabei habe die Kommission jedoch auch mögliche Effizienzgewinne, wie Kosteneinsparungen oder die Auflösung von Informationsasymmetrien, im Blick. (Zum Handout)