31.01.2013

GB: Britische Regierung schlägt Opt-Out-Sammelklagen für Kartellrechtsschäden vor

Am 29. Januar 2013 hat das britische Ministerium für Unternehmensinnovation und berufliche Qualifizierung (Department for Business Innovation and Skills, BIS) die Ergebnisse einer Konsultation zur Privaten Rechtsverfolgung (vom 24. April 2012 bis zum 24. Juli 2012)  veröffentlicht. Die Konsultation hatte insbesondere die Einführung von Opt-Out-Sammelklagen im Vereinigten Königreich zum Gegenstand (vgl. hierzu auch FIW-Bericht vom 7.5.2012). Veröffentlich hat das BIS hierzu Beschlüsse der Regierung, eine Folgenabschätzung sowie die im Rahmen der Konsultation eingereichten Stellungnahmen.

 

Ergebnis der Konsultation und Beschlüsse der britischen Regierung

Die britische Regierung sieht sich im Wesentlichen in ihrer bereits im letzten Jahr zu Beginn der Konsultation veröffentlichten Analyse bestätigt, dass bislang zu wenige Opfer von Wettbewerbsverstößen entschädigt werden. Auch hätten die bestehenden kollektiven Klagemechanismen der letzten Jahre (z.B. Opt-In Verbandsklage der Verbrauchervereinigung Which?) keine nennenswerten Erfolge gezeitigt.

 

In den folgenden vier Bereichen will die Regierung umfassende Reformen einleiten:

 

1.       Competition Appeal Tribunal (CAT) als Spezialgericht für Schadensersatzansprüche

-          Das Competition Appeal Tribunal (CAT) soll ein Spezialgericht für Schadensersatzansprüche im Wettbewerbsrecht werden.

-          Verweisungen an das CAT sollen möglich sein.

-          CAT soll auch ein Forum für so genannte isolierte Kartellrechtsklagen („stand alone claims") werden.

-          CAT soll auch einstweilige Verfügungen erlassen können.

-          Insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen soll unter bestimmten Voraussetzungen ein schnelleres und vereinfachtes Verfahren eingerichtet werden, bei dem die Kosten nach oben gekappt werden können.

-          Der Vorschlag einer widerlegbaren Vermutung, dass die Kartellrendite generell 20 Prozent betrage, wurde fallen gelassen.

-          Es wird keine gesetzlichen Regelungen zur Passing-On-Defence geben.

 

2.       Einführung von Opt-Out-Sammelklagen für Kartellrechtsschäden

-          Opt-Out-Sammelklagen sollen für das Kartellrecht eingeführt werden. Als Kläger kommen Wirtschafts- oder Verbraucherorganisationen in Betracht. Anwälte oder Drittfinanzierer sollen die Kläger nicht repräsentieren können.

-          Jedes Mitglied (mit Wohn-/Geschäftssitz im Vereinigten Königreich) einer Klasse, die von der Klage umfasst ist, soll die Möglichkeit haben, nicht von der Sammelklage umfasst zu werden und eigene Ansprüche zu verfolgen (opt out).)

-          Kläger außerhalb des Vereinigten Königreichs können an der Klage im Wege des „Opt-In“ teilnehmen.

-          Folgende Sicherheitsventile gegen missbräuchliche Sammelklagen sieht die Regierung vor:

o       Zertifizierung der klagenden Stelle beim CAT

o       Prüfung der Anspruchsberechtigung durch das CAT

o       Kostentragungsregeln im Prozess („Loser pays") sollen beibehalten werden.

o       Keine Einführung von Strafschadenersatz

o       Keine Erfolgshonorare („contingency fees") für Anwälte (mit Ausnahme von „conditional fees“ und „after the event insurance“ )

o       Gerichtliche Bestätigung  von Vergleichen

-          Nicht ausgekehrte Schadenssummen sollen der Organisation “Access to Justice Foundation” zufließen.

 

3.       Kollektive alternative Streitbeilegungsmechanismen (ADR)

-          Parallel zu den Sammelklagen sollen kollektive alternative Streitbeilegungsmechanismen (ADR) als Opt-Out-Verfahren möglich sein.

-          CAT würde die Eignung eines Anspruchs für dieses Verfahren zuvor zertifizieren und sicherstellen, dass ein auf dieser Grundlage zustande kommender Vergleich „fair, gerecht und vernünftig“ sein müsse.

-          Die Regierung schlägt zudem vor, dass der Kartellbehörde ein Ermessen eingeräumt wird, im Gegenzug zu „freiwilligen Entschädigungslösungen“ seitens der Unternehmen die Bußgelder um 5 bis 10 Prozent zu reduzieren. 

  

4.       Konsistenz von privater und behördlicher Rechtsverfolgung

Die private soll die behördliche Rechtsverfolgung ergänzen. Es soll künftig möglich sein, dass das CAT die CMA über anhängige private Klageverfahren informiert. Auch soll die CMA als Intervenient in Klageverfahren vor dem CAT auftreten können. Das CAT soll ein Verfahren aussetzen können, wenn die CAM in dem Fall ermittelt.

 

Regelungen für eine verstärkte Effektivität des Kronzeugenprogramms werden zurückgestellt, um der EU-Kommission nicht vorzugreifen.