26.02.2013
EU-Kommission führt Konsultation zu Technologietransfervereinbarungen durch
Vom 20. Februar 2013 bis zum 17. Mai 2013 führt die EU-Kommission eine Konsultation für neue Wettbewerbsvorschriften zur Bewertung von Technologietransfer-Vereinbarungen durch. Veröffentlicht hat sie einen Entwurf einer neuen Technologietransfer-Gruppenfreistellungsverordnung (TT-GVO) sowie neuer Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 AEUV auf Technologietransfer-Vereinbarungen.
Die gegenwärtig geltende TT-GVO war am 1. Mai 2004 in Kraft getreten und gilt bis zum 30. April 2014. Bis dahin möchte die EU-Kommission neue Vorschriften annehmen.
Die geltende GVO im Überblick:
Die TT-GVO gilt für Verträge über die Lizenzierung von Patenten, Gebrauchsmustern, Geschmacksmustern, Halbleiter-Topographien, Schutzzertifikaten für Arzneimittel, Sortenschutzrechten, Software sowie für geheimes, wesentliches und identifizierbares Know-how. Freigestellt sind nur Verträge zwischen zwei Unternehmen, nicht hingegen Patentpools. Verträge zwischen Wettbewerbern und zwischen Nicht-Wettbewerbern werden unterschiedlich behandelt. Für die ersteren gilt eine Marktanteilsschwelle von 20 Prozent, für letztere von 30 Prozent. Diese Marktanteile dürfen weder auf den betroffenen Produktmärkten noch auf den betroffenen Technologiemärkten überschritten werden. Wie diese Märkte zu bestimmen sind, wird in den Leitlinien zur TT-GVO näher erläutert. Kernbeschränkungen, die eine Freistellung nicht rechtfertigen, sind bei Verträgen unter Wettbewerbern Preisbindungen, Mengenbeschränkungen (jedoch nicht in Bezug auf die Vertragsprodukte), Zuweisungen von Kunden und Märkten (mit einer Reihe praktisch wichtiger Ausnahmen) sowie Einschränkungen des Lizenznehmers bei der Verwertung seiner eigenen Technologie. Bei Verträgen unter Nicht-Wettbewerbern sind ebenfalls Preisbindungen nicht freigestellt (Ausnahme: Höchstpreisklauseln und Preisempfehlungen sind erlaubt), Kunden- und Gebietsbeschränkungen (mit zahlreichen Ausnahmen zugunsten eines Exklusivgebiets des Lizenzgebers und exklusiver Gebiete anderer Lizenznehmer sowie zur Sicherung eines selektiven Vertriebssystems).
Bleiben Verträge innerhalb dieser Anforderungen der GVO, befinden sie sich in einem "sicheren Hafen". Bei Verträgen außerhalb dieses Rahmens müssen die Unternehmen im Einzelfall prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV (seinerzeit Art. 81 Abs. 3 des EG-Vertrages) erfüllt sind.
Einige geplante Änderungen im Überblick:
- Die EU-Kommission will klarstellen, dass die TT-GVO nur Anwendung findet, wenn der Anwendungsbereich der F&E- oder der Spezialisierungs- Gruppenfreistellungsverordnung nicht eröffnet ist.
- Die Definition der Technologietransfer-Vereinbarung soll geändert werden; künftig sollen auch alle Bestimmungen, die sich auf den Erwerb von Produkten durch den Lizenznehmer oder aber auf die Lizenzierung oder die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder von Know-how auf den Lizenznehmer beziehen, von der Freistellung umfasst sein, sofern diese Bestimmungen „unmittelbar und ausschließlich" mit der Produktion der Vertragsprodukte verbunden sind. Bislang kam es auf den wesentlichen Gegenstand der Vereinbarung an.
- Die Marktanteilsschwellen sollen teilweise verschärft werden. In dem Fall, in dem ein Lizenznehmer eine Technologie besitzt, die er ausschließlich für die firmeninterne Herstellung nutzt und die mit der lizenzierten Technologie substituierbar ist, soll für eine Lizenzvereinbarung unter Nicht-Wettbewerbern eine Freistellung nur ab einem Marktanteil von 20 Prozent und nicht mehr von 30 Prozent % in Betracht kommen.
- Die Beschränkung des passiven Verkaufs in ein Exklusivgebiet oder an eine Exklusivkundengruppe, das bzw. die einem anderen Lizenznehmer vorbehalten ist, fällt nicht mehr unter die GVO. Sie kann jedoch für die ersten beiden Jahre, in denen dieser Lizenznehmer die Vertragsprodukte in dieses Gebiet bzw. an diese Kundengruppe verkauft, bei einer Einzelfallbetrachtung freigestellt sein. Hierzu enthalten die Leitlinien nähere Angaben.
- Exklusive Rücklizenz-Verpflichtungen, die den Lizenznehmer verpflichten, für eigene Verbesserungen der lizenzierten Technologie dem Lizenzgeber eine Lizenz zu erteilen, und Kündigungsklauseln sollen künftig nicht mehr in den Anwendungsbereich der TT-GVO fallen. Diese Beschränkungen wären künftig im Einzelfall zu prüfen.
- Die Änderungen in den Leitlinien konzentrieren sich insbesondere auf die Kapitel zu Streitbeilegungsvereinbarungen und Technologiepools. Die EU-Kommission schlägt vor, neue Vorschriften über „Patentpools", mithin multilaterale Patentlizenzvereinbarungen, aufzunehmen. Die EU-Kommission stellt fest, dass Patentpoolvereinbarungen, die Wettbewerbsbeschränkungen enthalten mit Effizienzvorteilen verbunden sein können und im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV freistellungsfähig sind, sofern es sich um nicht wesentliche Patente handelt und die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt sind und darüber hinaus die Einbeziehung der nichtwesentlichen Patente in den Pool dem Wettbewerb förderlich ist und die Lizenznehmer die Möglichkeit haben, eine Lizenz für lediglich einen Teil des Pakets mit einer entsprechenden Verringerung der Lizenzgebühren zu erhalten.