25.04.2013
Eröffnungsbeschluss der EU-Kommission zum Beihilfeverfahren in Sachen Netzentgeltbefreiung
EU
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https://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/247905/247905_1416896_14_2.pdf |
Die EU-Kommission hatte am 6. März 2013 ein förmliches Beihilfeprüfverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Auf dem Prüfstand steht die Stromnetzentgeltbefreiung für energieintensive Unternehmen nach § 19 der Stromnetzentgeltverordnung (vgl. FIW-Bericht vom 19.3.2013).
§ 19 der Stromnetzentgeltverordnung sieht vor, dass energieintensive Unternehmen von den Stromnetzkosten befreit werden können, wenn sie mindestens 7000 Stunden pro Jahr das Netz nutzen und ihr jährlicher Stromverbrauch 10 Gigawattstunden übersteigt. Die Endverbraucher, die nicht unter die Befreiungsregelung fallen, zahlen seit 2012 eine Netzentgeltumlage in Höhe von derzeit 0,329 Cent pro Kilowattstunde und finanzieren die Beträge der befreiten Unternehmen über diese Umlage mit.
Der Eröffnungsbeschluss vom 6. März 2013 zur Eröffnung des Beihilfeverfahrens zur Netzentgeltbefreiung ist mittlerweile im Internet veröffentlicht worden, allerdings noch nicht im Amtsblatt, wodurch die Monatsfrist für Stellungnahmen ausgelöst würde. Es fällt auf, dass die Kommission das Tatbestandsmerkmal „aus staatlichen Mitteln" besonders ausführlich begründet. Dieses Merkmal ist besonders streitiger Natur, denn sämtliche Mittel sind privater Natur. Hier werden Parallelen zum angekündigten Beihilfeverfahren zur besonderen Ausgleichsregelung im EEG sichtbar hinsichtlich der Frage der privaten Herkunft von Mitteln, der Frage nach den Ermessensspielräumen der Übertragungsnetzbetreiber und möglichen Überwachungsmechanismen seitens der Bundesnetzagentur (BAFA beim EEG).
Wesentlicher Inhalt des Eröffnungsbeschlusses:
Die Kommission begründet das Vorliegen einer Beihilfe im Wesentlichen wie folgt:
- Vorteil: Nach Auffassung der Kommission stellt die Befreiung für stromintensive Unternehmen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) einen Vorteil dar.
- Selektivität der Maßnahme: Der Vorteil sei selektiv, da die Befreiung nur Unternehmen gewährt werde, deren Stromverbrauch die Benutzungsstundenzahl von mindestens 7000 Stunden erreicht und 10 Gigawattstunden übersteigt. Daraus resultiere eine unterschiedliche Behandlung von Unternehmen, die sich in derselben tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden.
- Staatliche Zurechnung: Da die Befreiung von den Netzentgelten auf einer Rechtsvorschrift beruhe, sei sie dem Staat zuzurechnen.
- Staatliche Mittel: Zum streitigen Merkmal, ob in der Befreiung ein Einsatz staatlicher Mittel liegt, stellt die Kommission - jedenfalls zur Frage des Vorliegens staatlicher Mittel nach 2012, d. h. nach Einführung der § 19-Umlage durch die BNetzA - zum einen fest, dass dies nicht voraussetzt, dass die finanziellen Mittel den Staatshaushalt belasteten. Die Vorteile müssten nicht unmittelbar vom Staat gewährt werden. Es reiche auch, wenn die Vorteile über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt würden. Eine zunächst private Herkunft von Mitteln schließe ebenfalls nicht deren Einstufung als staatliche Mittel aus. Nach Meinung der Kommission seien die Übertragungsnetzbetreiber mit der Verwaltung staatlicher Mittel beauftragt worden, die sie nicht nach eigenem Ermessen verwenden könnten, weshalb anzunehmen sei, dass die Mittel unter staatlicher Kontrolle stünden. Auch überwache die Bundesnetzagentur die auf die § 19-Umlage zurückgehenden Finanzströme; es gebe somit Überwachungsmechanismen. Die Kommission zieht in ihrer Begründung insbesondere eine Parallele zur Rechtssache Essent (EuGH vom 17.07.2008, C-206/06).
- Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt: Die Kommission geht derzeit davon aus, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar ist. Deutschland hatte lediglich erklärt, dass die Befreiung von Netzentgelten gerechtfertigt sei, weil energieintensive Unternehmen das Netz stabilisierten, ohne jedoch diese stabilisierende Wirkung zu begründen. Hier ist die Bundesrepublik aufgefordert, diese Gründe näher darzulegen und nähere Angaben zu machen.
Aus den angeführten Erwägungen zieht die Kommission den vorläufigen Schluss, dass die durch § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV mögliche Netzentgeltbefreiung ab 2012 eine staatliche Beihilfe zugunsten energieintensiver Unternehmen darstellt. Sie äußert ferner Bedenken, dass bereits 2011, d. h. vor der Einführung von § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV, staatliche Beihilfen gewährt worden sein könnten.