27.06.2013

Bundeskartellamt veröffentlicht überarbeitete Bußgeldleitlinien

Am 25. Juni 2013 hat das Bundeskartellamt seine überarbeiteten Bußgeldleitlinien (Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren) veröffentlicht.

 

Die Anpassung der Leitlinien war nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.2.13 (KRB 20/12- Grauzementkartell) notwendig geworden. Der BGH hatte entschieden, dass es sich nach verfassungskonformer Auslegung bei der 10-Prozent-Grenze des § 81 Abs. 4 GWB nicht um eine Kappungsgrenze, sondern um eine Bußgeldobergrenze handelte (vgl. FIW-Bericht vom 22.4.13). Die bisherigen Leitlinien des Bundeskartellamts hatten die 10%-Regel in der vom BGH abweichende Lesart als Kappungsgrenze ausgelegt.

 

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, äußerte zu den Folgen der Anpassung für die Höhe der Bußgelder die Ansicht, dass sich das Bußgeldniveau nicht wesentlich ändern würde. Tendenziell würden die Bußgelder für kleinere Unternehmen mit Monoprodukten künftig geringer ausfallen. Bei Konzernen, die in einer Vielzahl von Märkten aktiv sind und deren Absprachen nur ein bestimmtes Produkt ihres Portfolios betrafen, könne die angepasste Bußgeldbemessung hingegen künftig zu höheren Summen führen.

Die Bußgelder werden künftig wie folgt berechnet:

 

1)      Für die Bestimmung der Geldbuße wird zunächst der gesetzliche Bußgeldrahmen ermittelt. Während die Untergrenze des gesetzlichen Bußgeldrahmens einheitlich fünf Euro beträgt, beträgt die Obergrenze für schwere Kartellordnungswidrigkeiten nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung 10 % des im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens. Bei fahrlässiger Zuwiderhandlung beträgt sie 5 % des erzielten Gesamtumsatzes  (Ziff. 8 der LL).

 

2)      Danach wird die Geldbuße innerhalb dieses Rahmens unter Berücksichtigung des Gewinn- und Schadenspotentials ermittelt. Das Bundeskartellamt geht dabei von einem Gewinn- und Schadenspotential in Höhe von 10 % des während der Dauer des Kartellverstoßes erzielten tatbezogenen Umsatzes des Unternehmens aus (Ziff.10). Der tatbezogene Umsatz ist der Umsatz, den das Unternehmen auf dem von dem Kartell betroffenen Markt erzielt hat; er kann nach allgemeinen Regeln geschätzt werden. Sollte die pauschale Festsetzung von 10 % des tatbezogenen Umsatzes wegen eines offensichtlich wesentlich höheren Gewinn- und Schadenspotentials im konkreten Fall zu niedrig sein, kann der Bemessungsspielraum ausnahmsweise nach oben hin erweitert werden.

 

3)      Im Anschluss wird je nach Unternehmensgröße ein Multiplikationsfaktor von 2-3 (unter 100 Mio. EUR Gesamtumsatz) bis zu einem Faktor von 6 (über 100 Mrd. EUR Gesamtumsatz), vgl. Ziff. 13., auf das solchermaßen festgesetzte Gewinn- und Schadenspotential angewendet.

 

4)      In Fällen, in denen der nach der Multiplikation berechnete Wert unterhalb der gesetzlichen Bußgeldobergrenze liegt, bildet dieser Wert in der Regel die Obergrenze für die weitere Bußgeldbemessung. In allen anderen Fällen wird keine Eingrenzung des Bemessungsspielraums innerhalb des gesetzlichen Rahmens vorgenommen  (Ziff.14). Die Leitlinien enthalten für die Anwendung dieser Ziffer zwei Beispielsfälle die hier zitiert werden:

 

„Bsp. 1 (zu Satz 1): Hat ein Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung einen Gesamtumsatz in Höhe von 10 Mrd. Euro erzielt [d.h. Faktor 5 nach Ziff. 13], beträgt die gesetzliche Bußgeldobergrenze bei einer vorsätzlichen Kartelltat 1 Mrd. Euro. Hat das Unternehmen einen tatbezogenen Umsatz in Höhe von 40 Mio. Euro erzielt (z.B. jeweils 10 Mio. € in vier Jahren), geht das Bundeskartellamt pauschal von einem Gewinn- und Schadenspotential in Höhe von 4 Mio. Euro aus. Nach Ziff. 9-13 wäre dann eine Geldbuße von über 20 Mio. Euro (4 Mio. Euro [=10% von 40 Mio. Euro] x 5 [Faktor nach Ziff. 13]) im konkreten Fall in der Regel nicht mehr angemessen.“

 

„Bsp. 2 (zu Satz 2): Hat ein Unternehmen im letzten Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung einen Gesamtumsatz in Höhe von 100 Mio. Euro erzielt [d.h. Faktor 3 nach Ziff. 13], beträgt die gesetzliche Bußgeldobergrenze bei einer vorsätzlichen Kartelltat 10 Mio. Euro. Hat das Unternehmen mit der Kartelltat einen tatbezogenen Umsatz in Höhe von 40 Mio. Euro erzielt, geht das Bundeskartellamt pauschal von einem Gewinn- und Schadenspotential in Höhe von 4 Mio. Euro aus. Nach Ziff. 9-13 wäre eine Geldbuße von über 12 Mio. Euro (4 Mio. Euro [=10% von 40 Mio. Euro] x 3 [Faktor nach Ziff. 13]) im konkreten Fall nicht mehr angemessen. Die gesetzliche Bußgeldobergrenze von 10 Mio. Euro erreicht diesen Wert aber nicht, so dass unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Sanktion keine Eingrenzung des Bemessungsspielraums innerhalb des gesetzlichen Rahmens erforderlich ist“.

 

Zuletzt wird das Bußgeld innerhalb des (eingegrenzten) Bußgeldrahmens nach tat- und täterbezogenen Kriterien auf Grundlage einer Gesamtabwägung der schärfenden und mildernden Faktoren konkret festgelegt (Ziff.16).