21.10.2013
Berichtsentwurf des ECON zum Richtlinienvorschlag zu Schadensersatzklagen im Kartellrecht (Berichterstatter Schwab)
EU
|
Berichtsentwurf auf folgender Seite:
https://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=2013/0185(COD)
Am 10. Oktober 2013 ist der Berichtsentwurf des Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments (Berichterstatter: Dr. Andreas Schwab, EVP) zum Richtlinienvorschlag über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union veröffentlicht worden. Er ist derzeit nur auf Englisch verfügbar.
Hintergrund:
Die EU- Kommission hatte am 11. Juni 2013 ein Maßnahmenpaket zum kollektiven Rechtsschutz sowie zu Schadensersatzklagen im Wettbewerbsrecht veröffentlicht (vgl. FIW-Bericht vom 13.6.13). In dem dazu gehörenden Richtlinienvorschlag (des Rates und des Europäischen Parlaments) über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union hat die EU-Kommission auf eine verbindliche Einführung von EU-Sammelklagen verzichtet. Sie beschränkte sich stattdessen auf eine unverbindliche Empfehlung an die Mitgliedstaaten, kollektive Rechtsschutzelemente in verschiedenen Rechtsgebieten einzuführen.
Neben dem Ziel, eine vollständige Kompensation für den aufgrund eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht erlittenen Schaden zu gewährleisten, will die Kommission durch den Richtlinienvorschlag auch das Zusammenspiel zwischen öffentlicher und privater Rechtsdurchsetzung verbessern, indem insbesondere ein verstärkter Schutz von Kronzeugen in späteren Schadensersatzprozessen vorgesehen wird.
Wesentlicher Inhalt des Richtlinienvorschlags:
- Schadensersatzkläger kann jeder sein, der einen Schaden durch einen Verstoß gegen das nationale oder europäische Wettbewerbsrecht erlitten hat. Der Geschädigte kann vollen Ersatz seines Schadens verlangen.
- Gericht kann Offenlegung von Beweismitteln anordnen, wenn der Schadensersatzkläger plausibel und unter Vorlage der ihm mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen und Beweismittel dargelegt hat, dass Beweismittel in der Hand des Beklagten oder eines Dritten wichtig zur Substantiierung des Anspruchs sind, und er zum anderen ein Beweisstück benennt oder die Kategorie der Beweismittel so genau bezeichnet, wie es ihm möglich ist. Ausnahmen von der Offenlegung gelten für Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sollen geachtet werden.
- Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden oder nationaler Rechtsbehelfsgerichte kommt hinsichtlich der Feststellung einer Zuwiderhandlung Bindungswirkung im Gerichtsverfahren zu.
- Die Verjährungsfrist für die Erhebung einer Schadensersatzklage muss mindestens fünf Jahre betragen.
- Bei gesamtschuldnerischer Haftung haftet der Kronzeuge nur gegenüber seinen eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten, es sei denn, ein Geschädigter kann von den sonstigen Rechtsverletzern keine volle Kompensation erlangen.
- Die Einrede der Schadensabwälzung (Passing-On-Defence) wird zugelassen und nur ausgeschlossen, wenn der Preisaufschlag an Personen auf der nächsten Vertriebsstufe weitergegeben wurde, für die es rechtlich unmöglich ist, den Schaden geltend zu machen. Die Beweislast für die Einrede liegt beim Beklagten. Bei Klagen mittelbarer Abnehmer trägt dieser die Beweislast für die Schadensabwälzung. Zu seinen Gunsten gilt jedoch eine Beweisvermutung, wenn er nachweist, dass der Beklagte an einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht beteiligt war, der zu einem Preisaufschlag beim unmittelbaren Abnehmer geführt hat und dass er selbst die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen, bzw. die Folgeprodukte, erstanden hat.
- Die Anforderungen für die Quantifizierung des Schadens dürfen nicht so hoch sein, dass eine Klage praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig ist. Das Gericht soll die Befugnis haben, den Umfang des Schadens zu schätzen.
- Die Fristen zur Einreichung einer Klage sowie laufende Klageverfahren werden ausgesetzt, solange ein Verfahren zur einvernehmlichen Streitbeilegung läuft.
Wesentliche Änderungen des Richtlinienentwurfs durch Berichtsentwurf (ECON):
Artikel 2 (Recht auf vollständigen Schadensersatz): Erläuterung, dass ein Schadenersatzanspruch nur besteht, soweit die nationalen Haftungsregeln eingehalten werden. Zinsen sollen nur gezahlt werden, sofern es „angemessen" ist; ein Zeitpunkt, ab wann der Zinsanspruch anfällt, wird nicht genannt.
Artikel 4 (Definitionen): Schwab schlägt einige neue Definitionen vor, z.B. „competition court" statt „review court"; „anticompetitive agreement, decision or practice" statt „cartel" oder „secret cartel". Eingeführt werden neue Definitionen von „direct" und „indirect purchaser". Bei der Definition der vor Offenlegung geschützten Kronzeugenanträge soll „leniency corporate statement" durch „leniency statement" ersetzt werden (damit sollen weitere selbstbezichtigende Dokumente in den Schutzbereich aufgenommen werden).
Artikel 5 (Offenlegung von Beweismitteln) wird komplett gestrichen, Inhalt aber zu weiten Teilen in Art. 6 aufgenommen. Gestrichen wird der Verweis auf „Kategorien von Beweismitteln". Die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Anordnung zur Beweisoffenlegung wird ausdrücklich vorgesehen. Gestrichen wird auch der Absatz, der es Mitgliedstaaten ermöglicht, weitergehende Offenlegungsregeln einzuführen.
Artikel 6: (Beschränkungen für die Offenlegung von Beweismitteln aus den Akten einer Wettbewerbsbehörde) wird umbenannt in „Offenlegung von Beweismitteln". Einerseits soll der Anwendungsbereich des Offenlegungsschutzes ausgeweitet warden („leniency statements or any other document containing self-incriminating evidence disclosed by the applicant for leniency"). Dafür wird der Schutz vor Offenlegung mit Verweis auf das Donau Chemie Urteil des EuGH jedoch stark eingegrenzt: Der Schutz soll nur noch „im Prinzip" bestehen, sofern der Kläger nachweisen kann, dass die Dokumente „unerlässlich" sind, um den Schadenersatzsanspruch darzulegen; dann kann der nationale Richter die Offenlegung dennoch vorsehen.
Artikel 7 (Beschränkungen für die Verwendung von allein durch Einsicht in die Akten einer Wettbewerbsbehörde erlangten Beweismittel): Absätze 1 und 2 werden gestrichen.
Artikel 8 (Sanktionen): Sanktionen dürfen im Falle der Vernichtung relevanter Beweismittel nur verhängt werden, wenn der Vernichter wusste, dass ein Verfahren anhängig ist und das Beweismittel von Bedeutung ist, nicht schon bei bloßer Fahrlässigkeit.
Artikel 9 (Bindungswirkung): Es werden gewisse Ausnahmen (keine offensichtlichen Fehler im Verfahren, Wahrung der Verteidigungsrechte etc.) normiert.
Artikel 10 (Verjährung): Kürzung der Verjährungsfrist von 5 auf 3 Jahre und der Hemmungsfrist von 1 Jahr oder mehr auf 6 Monate. Es wird eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren vorgeschlagen.
Artikel 11 (Gesamtschuldnerische Haftung): Absatz 2 wird komplett gestrichen (betrifft limitierte gesamtschuldnerische Haftung der Kronzeugen gegenüber Geschädigten). Kronzeugen sind jetzt nur noch gegenüber den anderen Mitschädigern privilegiert, nicht mehr gegenüber den Geschädigten.
Artikel 12 (Passing-on-Defense): Absatz 2 (Ausschluss der Passing-On-Defence bei rechtlicher Unmöglichkeit indirekter Abnehmer zur Schadensdurchsetzung) wird gestrichen. Nationaler Richter kann schätzen, wie hoch der Anteil des abgewälzten Schadens ist.
Artikel 13 (Mittelbare Abnehmer): Die Beweislastumkehr wird gestrichen. Der mittelbare Abnehmer muss zum Nachweis der Passing-on-Defense auch zeigen, dass es eine direkte Verbindung in der Lieferkette gibt).
Artikel 16 (Ermittlung des Schadensumfangs): Die Vermutung, dass das Kartell in jedem Fall zu einem Schaden geführt hat, wird gestrichen. Nationaler Richter kann eine Schadensschätzung vornehmen.
Artikel 17 (Aufschiebende Wirkung der einvernehmlichen Streitbeilegung): Freiwillige Entschädigungsleistungen sollen ermöglicht werden. Nach dem „Statement of Objections" und vor der behördlichen Bußgeldentscheidung kann die Behörde einen Zeitrahmen bestimmen, in dem die Unternehmen freiwillig eine Einigung mit den Geschädigten finden können. Sofern die Entschädigung aus Sicht der Behörde angemessen ist, wird das behördliche Bußgeld gemildert.
Artikel 18 (Wirkung einvernehmlicher Regelungen auf anschließende Schadensersatzklagen): Art. 18 I 3 wird gestrichen, mit der Begründung, dass hierdurch negative Anreize für Kronzeugenprogramme geschaffen würden, da die Rechtsunsicherheit für potentielle Kronzeugen groß wäre.
Weitere Verfahrensschritte:
Der Rechtsauschuss JURI wird im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen an der Arbeit des ECON beteiligt. Am 5. Dezember 2013 soll über den Berichtsentwurf im ECON abgestimmt werden. Schattenberichterstatter im ECON sind Sanchez Presedo, In't Veld, Eickhout, Eppink und Klute. Das Plenum ist für den 11. März 2014 angesetzt.