23.03.2012

"Unrechtserlöse" für Verbraucherschutz

D
GWB
UWG
Mehrerlösabschöpfung
Verbraucherschutz

Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hatte bei Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer (Universität Konstanz) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeiten der Verwendung von "Unrechtsgewinnen und Kartellbußen" zugunsten der Verbraucherschutzarbeit untersuchen und Vorschläge für Gesetzesänderungen machen sollte. Das Gutachten wurde am 21. März 2012 in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen in Berlin vorgestellt. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte bereits im Herbst 2011 eine ähnliche Option ins Spiel gebracht. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte im Vorwege der 8. GWB-Novelle angekündigt, die Verbraucherverbände in Kartellverfahren stärken zu wollen. NRW wird den Vorschlag in die Beratungen zur 8. GWB-Novelle, die mit Vorstellung des Regierungsentwurfs am 28. März 2011 beginnen, über den Bundesrat einbringen.

Das Gutachten weist Handlungsoptionen auf, wie der Gesetzgeber Kartellstrafen zugunsten der Verbraucherinnen und Verbrauchern lenken und z. B. der Verbraucherarbeit zukommen lassen könnte. Zunächst konstatiert das Gutachten Defizite bei der Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG und der Vorteilsabschöpfung nach § 34a GWB. Aus dem "Courage"-Urteil des EuGH (WuW/E EU-R 479) wird ebenso wie aus dem ORWI-Urteil des BGH (WuW/E DE-R 3431) der Grundsatz des Kartellschadensersatzes im Verbraucherinteresse abgeleitet. Zu unterscheiden sei die Geltendmachung des Verbraucheranteils an Kartelbußen als Kollektivschaden der Verbraucher von den Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes. Der "Unrechtserlös" müsse Abschöpfungsgegenstand sein. Er sei Umschreibung für die bisherigen Rechtsbegriffe des Kartellrechts: Mehrerlös, wirtschaftlicher Vorteil oder Gewinn. Voraussetzung der Abschöpfung sei ein objektiver Pflichtverstoß gegen rechtmäßiges Verhalten. Der abgeschöpfte Erlös, ggf. geschätzt nach § 287 ZPO, sei einem zweckgebundenen Sondervermögen (nicht-rechtsfähiges Fondsvermögen ohne Stiftungssatzung) des Bundes zuzuführen. Näheres solle eine Rechtsverordnung regeln. Erwartet würden Gesamtzuweisungen an das Sondervermögen in Höhe eines zweistelligen Milionenbetrages im "mittleren Bereich". §§ 34, 34a GWB, 10 UWG müssten geändert werden. Die 8. GWB-Novelle sei dafür der richtige Ansatz.

Über die Handlungsoptionen diskutierten NRW-Verbraucherschutzminister Remmel, Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, Bonn, Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf, Dr. Armin Jungbluth, BMWi, Berlin, sowie mit Prof. Dr. Stephan Wernicke, Chefjustiziar des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Berlin. Hatte in einem kurzen Statement zuvor Staatsekretär Dr. Bernhard Heitzer die Gutachtervorschläge als abwegig und gegen Haushaltsrecht verstoßend verworfen, befürworteten Minister Remmer und Klaus Müller die Vorschläge entschieden. Skepsis überwog bei Andreas Mundt, vor allem wegen Desavouierung der Kronzeugenregelung, sowie bei Stephan Wernicke, der auf das Eigenintersse der Unternehmen an einer ehrlichen Verbraucherarbeit sowie auf zweifelhafte Rechtsgrundlagen bzw. Auslegung von Rechtsprechung sowie die Vermengung von zivirechtlichen Ansprüchen und "public enforcement" abstellte. Armin Jungbluth machte Ressortbedenken, insbesondere seitens des Bundesfinanzministeriums, deutlich.

juristische_expertise_finanzierung_verbraucherarbeit_2012.pdf