20.12.2012

Italianer (EU-Kommission): “Legal certainty, proportionality, effectiveness: the Commission's practice on remedies (Rede)

Der Generaldirektor der GD Wettbewerb der Europäischen Kommission, Alexander Italianer, sprach anlässlich der Konferenz des wettbewerbsökonomischen Beratungsunternehmens Charles River Associates am 5. Dezember 2012 über die Kommissionspraxis hinsichtlich der Akzeptanz von Abhilfemaßnahmen ""Legal certainty, proportionality, effectiveness: the Commission's practice on remedies).

Italianer gab an, dass die Kommission im Zeitraum von 2004 bis 2012 147 Zusammenschlussvorhaben unter Bedingungen freigegeben habe, dabei 115 in Phase I und 32 in Phase II, während sie im selben Zeitraum 26 Kartellrechtsverpflichtungszusagen akzeptiert habe. Im Kartellrecht könne die Kommission entweder Abhilfemaßnahmen nach Artikel 7 der VO 1/2003 anordnen oder Verpflichtungszusagen nach Artikel 9 akzeptieren und für bindend erklären. Der Vorteil für die Unternehmen, freiwillig Verpflichtungszusagen anzubieten, bestünde darin, dass sie kostspielige Verfahren und mögliche Sanktionen vermeiden könnten. Es bestehe dahingehend Konvergenz zwischen den beiden Rechtsgebieten (Fusionskontrolle und Kartellrecht), dass die Prinzipien hinsichtlich der Akzeptanz von Abhilfemaßnahmen die gleichen seien. Dies habe zu einer größeren Vorhersehbarkeit für Unternehmen und ihre Berater sowie Rechtssicherheit geführt.

Die leitenden Prinzipien im Hinblick auf Abhilfemaßnahmen seien Effektivität, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. Für die Kommission sei es wichtig, dass die vorgeschlagene Abhilfemaßnahme die speziellen Wettbewerbsbedenken vollständig beseitige. Weiter müsse die Kommission die praktische Durchsetzbarkeit der Abhilfemaßnahmen in Erwägung ziehen. Die Praxis habe gezeigt, dass Abhilfemaßnahmen nicht zu spezifisch sein dürften, da sie ansonsten nicht praktikabel seien oder Umgehungsstrategien befördern könnten. Die Kommission sei demnach dazu übergegangen, Abhilfemaßnahmen zu befürworten, die einfach, einsatzfähig und durchsetzbar seien. Beispiele für solche Abhilfemaßnahmen seien die strukturellen Abhilfemaßnahmen in den Fällen RWE, E.ON oder ENI im Bereich des Kartellrechts sowie der Fall Deutsche Bahn/ARRIVA im Bereich der Fusionskontrolle.

Die Effektivitäts- und Verhältnismäßigkeitserwägungen zeigten sich z. B. in der erhöhten Anzahl und Qualität der Markttests. Eine Abhilfemaßnahme, die nicht die Wettbewerbsbedenken auszuräumen geeignet sei, könne nicht für bindend erklärt werden. Weiter Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips sei es, dass die Kommission bei gleicher Effektivität stets die weniger belastende Maßnahme auswählen müsse. Während im Bereich der Fusionskontrolle strukturelle Abhilfemaßnahmen an der Tagesordnung seien, würden im Kartellrecht eher Verhaltensmaßnahmen angeordnet werden. Strukturelle Maßnahmen im Kartellrecht seien nur dann angezeigt, wenn es keine genauso effektive Verhaltensmaßnahme gebe oder wenn solch eine Verhaltensmaßnahme für die Unternehmen belastender wäre als eine strukturelle Maßnahme.