07.12.2012

Europäische Kommission veröffentlicht Vorschläge für die Überarbeitung der beihilferechtlichen Verfahrensverordnung und der beihilferechtlichen Ermächtigungsverordnung

EU
Kommission
Beihilfen
Verfahrensordnung
Ermächtigungsverordnung
Art. 107, 108 AEUV

Die Europäische Kommission hat am 5. Dezember 2012 Vorschläge für die Überarbeitung der beihilferechtlichen Verfahrensverordnung (EG) Nr. 659/1999 und der beihilferechtlichen Ermächtigungsverordnung (EG) Nr. 994/98 veröffentlicht. Die Reform der Beihilfeverordnungen stellt ein wesentliches Element der Initiative der Europäischen Kommission zur Modernisierung des Beihilferechts dar. Die Vorschläge der Kommission werden nun im Rat und im Europäischen Parlament beraten. Das Parlament hat dabei jedoch lediglich ein Anhörungsrecht.

Zu den Änderungsvorschlägen im Einzelnen:

1. Verfahrensverordnung

In der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften für die Durchsetzung der Artikel 107 und 108 AEUV festgelegt. Durch die Überarbeitung möchte die Kommission insbesondere die Beschlussfassung beschleunigen. Wie bereits in der im Herbst 2012 durchgeführten Konsultation angekündigt (siehe Rundschreiben WÖV-WP 2012/096 vom 17.7.2012 und WÖV-WP 2012/142 vom 5.11.2012), konzentriert sich die Kommission dabei auf einige wenige Bereiche:

a) Zum einen möchte sie die Bearbeitung von beihilferechtlichen Beschwerden erleichtern und schlägt hierzu vor, die Voraussetzungen für die Einlegung einer Beschwerde zu präzisieren und ein zügigeres Verfahren einzurichten. Hierzu werden einheitliche Beschwerdeformulare vorgesehen, in denen der Beschwerdeführer obligatorische Auskünfte erteilen muss. Die Ausgestaltung des Formulars und der Inhalt der obligatorischen Angaben werden zu einem späteren Zeitpunkt mittels Durchführungsvorschriften festgelegt. Sofern diese Angaben aus Sicht der Kommission nicht ausreichen, fordert sie den Beschwerdeführer innerhalb einer Frist von höchstens einem Monat zur Stellungnahme auf. Falls keine Stellungnahme innerhalb dieser Frist erfolgt, gilt die Beschwerde als zurückgezogen. Beschwerdeführer müssen außerdem nachweisen, dass sie Beteiligte im Sinne von Artikel 108 II AEUV und Artikel 1h Verfahrensverordnung sind und ein berechtigtes Interesse an der Einlegung einer Beschwerde haben.

b) Daneben will die Kommission neue Instrumente zur Gewinnung von Marktinformationen vorsehen, die ihr ermöglichen, künftig unmittelbareren Kontakt zu den Marktteilnehmern aufzunehmen. Die neuen Vorschriften sehen eine Befugnis der Kommission vor, nach Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens von Unternehmen, Unternehmensvereinigungen oder Mitgliedstaaten Auskünfte durch einfaches Auskunftsersuchen oder durch Beschluss anzufordern. Die angeforderten Auskünfte können beispielsweise Markt- oder Unternehmensdaten, eine Analyse der Funktionsweise des Markts oder Angaben zu der wahrscheinlichen Auswirkung der Beihilfe auf den Empfänger betreffen. Die Antworten der Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gehen dem jeweiligen Mitgliedstaat zur Stellungnahme zu.

Neu ist ebenfalls, dass die Kommission eine Sanktionsmöglichkeit in den Fällen vorsieht, in denen die Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen irreführende oder unvollständige Angaben machen. Der Kommissionsvorschlag sieht die folgenden Sanktionsmöglichkeiten, abhängig von der Art des Auskunftsersuchens, vor:

- Geldbußen von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes im vorausgegangenen Geschäftsjahr im Falle unrichtiger oder irreführender Auskünfte auf ein einfaches oder ein per Beschluss gestelltes Auskunftsersuchen bzw. bei Nichtbeantwortung eines per Beschluss gestellten Auskunftsersuchens.

- Zwangsgelder von bis zu 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Arbeitstag des Verzugs ab der im Beschluss bestimmten Frist, um die betreffenden Unternehmen zu zwingen, die per Beschluss angeforderten Auskünfte vollständig und richtig zu erteilen.

c) Die Kommission schlägt außerdem die Einführung einer neuen Rechtsgrundlage für die Einleitung von Sektoruntersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und Beihilfearten vor. Bei wettbewerbsrechtlichen Bedenken will die Kommission auf diese Weise die einem bestimmten Wirtschaftszweig gewährten Beihilfen oder den Einsatz bestimmter Beihilfeinstrumente in mehreren Mitgliedstaaten prüfen können.

2. Ermächtigungsverordnung

Durch die Ermächtigungsverordnung wird die Europäische Kommission befugt, Gruppenfreistellungsverordnungen zu erlassen, die bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Kommission und der beihilferechtlichen Prüfung ausnehmen. Durch die Änderung der Verordnung möchte die Kommission den Anwendungsbereich für Gruppenfreistellungen auf bestimmte Beihilfen mit geringen Auswirkungen auf den Binnenmarkt erweitern. Dies steht im Einklang mit dem Ziel der Modernisierung des Beihilferechts, die Kontrolle der Kommission auf umfangreiche Beihilfen mit besonders großen Auswirkungen auf den Binnenmarkt zu konzentrieren.

Künftig sollen Freistellungen auch möglich sein für:

Die Kommission gibt an, in diesen Bereichen bereits ausreichende beihilfe-rechtliche Erfahrungen gesammelt zu haben, um Wettbewerbsverzerrungen ausschließen zu können. Anhand dieser Erfahrung wird die Kommission Kompatibilitätskriterien aufstellen, die die Beihilfen erfüllen müssen, um von einer künftigen Freistellung profitieren zu können. Die Umsetzung der Freistellungen wird voraussichtlich über eine Erweiterung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (EG) Nr. 800/2008 vorgenommen werden, die zurzeit ebenfalls überarbeitet wird. Nach Angaben der Kommission wird die Erweiterung um die genannten Freistellungen jedoch nicht im Laufe der aktuellen Überarbeitung der AGVO vorgenommen werden, sondern nach Annahme der neuen Ermächtigungsverordnung und einem ausführlichen Konsultationsprozess. Es ist auch möglich, dass die Freistellungen nicht alle gleichzeitig, sondern erst nach und nach eingeführt werden.