04.09.2012

EU-Kommission veröffentlicht Leitfaden zur Anwendung der Wettbewerbsregeln im Kraftfahrzeugsektor

Am 27. August 2012 hat die EU-Kommission eine Liste häufig gestellter Fragen (FAQ) zur Anwendung des EU-Kartellrechts im Kfz-Sektor veröffentlicht. Diese Liste gibt über die wichtigsten Anwendungsfälle und die Handhabung der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) sowie der dazu gehörigen Leitlinien Aufschluss.

Hintergrund:

Im Mai 2010 hatte die EU-Kommission eine überarbeitete Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugsektor und ergänzende Leitlinien zur Anwendung des EU-Kartellrechts auf bestimmte Kategorien von Vereinbarungen zwischen Fahrzeugherstellern und ihren zugelassenen Händlern, Werkstätten und Ersatzteilhändlern angenommen. Die neue GVO läuft am 31. Mai 2023 aus. Mit der Überarbeitung stellte die EU-Kommission die Weiche für unterschiedliche Regelungen für den Markt für den Vertrieb von Neuwagen und für den Markt für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen sowie den Vertrieb von Ersatzteile.

Für den Vertrieb von Neuwagen sollen ab dem 1. Juni 2013 die allgemeinen Regelungen der im April 2010 verabschiedeten Vertikal-GVO (EU) 330/2010 Anwendung finden. Die Kommission hatte auf diesem Markt keine nennenswerten Wettbewerbsprobleme festgestellt, die sektorale Sonderregelungen weiterhin rechtfertigen würden. Um den Unternehmen den Übergang zu den allgemeinen Regelungen zu erleichtern und den markenspezifischen langfristigen Investitionen der Händler Rechnung zu tragen, sollten die Vorschriften der bestehenden Kfz-GVO (EG) 1400/2002 für den Primärmarkt aber für einen Übergangszeitraum von drei Jahren, bis zum 31. Mai 2013, verlängert werden. Daneben behandeln die Leitlinien weiterhin auch Fragen des Vertriebs von Neuwagen. Auf dem Kfz-Anschlussmarkt sieht die Kfz-GVO dagegen auch in Zukunft wettbewerbsrechtliche Sonderregelungen vor. Besonderen Schutz wollte die EU-Kommission unabhängigen Reparatur- und Wartungsbetrieben beim Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturleistungen sowie zu technischen Informationen bieten.

Neuer Leitfaden (FAQ):

Der neue Leitfaden soll bei wichtigen wettbewerbsrechtlichen Fragen im Kraftfahrzeugsektor für Fahrzeughersteller, Händler, Ersatzteillieferanten, unabhängige Reparaturwerkstätten und Verbraucher Klarheit schaffen. Er soll die ergänzenden Leitlinien weiter

vertiefen, aber nicht ersetzen. Auch kommt dem Leitfaden keine Rechtsverbindlichkeit zu; er greift auch nicht der  Auslegung der Artikel 101 und 102 AEUV durch die Gerichte der Europäischen Union vor. Der Leitfaden beruht auf Rückmeldungen und Anfragen, die zu Beginn des Geltungszeitraums der neuen Regeln eingingen. In ihnen wird der Ansatz der Kommission bei speziellen Fragen zu den folgenden Aspekten erläutert:

1) der Einhaltung von Gewährleistungen,

2) dem Kundendienst im Rahmen von Leasingverträgen,

3) der Lieferung von Ersatzteilen,

4) der Nutzung und dem Kauf von elektronischen Diagnosegeräten und Reparaturwerkzeugen,

5) dem Zugang zu technischen Informationen und

6) dem Zugang zu den Netzen zugelassener Werkstätten.

Das besondere Augenmerk der EU-Kommission gilt den Kfz-Anschlussmärkten, auch wenn sich die Ausführungen in dem Leitfaden hierzu in Grenzen halten. Auf den Kfz-Anschlussmärkten herrscht nach Ansicht der EU-Kommission ein weniger scharfer Wettbewerb vor als auf dem Markt für Neufahrzeuge. Hier gelten Sonderregelungen. Besonderen Schutz möchte die Kommission dabei unabhängigen Reparatur- und Wartungsbetrieben beim Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturleistungen sowie zu technischen Informationen bieten. Neben den Voraussetzungen der allgemeinen Vertikal-GVO (EU) 330/2010 - nach der eine Freistellung nur möglich ist, wenn sowohl der Hersteller wie auch der Händler einen Marktanteil von jeweils höchstens 30 % auf dem relevanten Markt haben - müssen daher auch die zusätzlichen sektoralen Regelungen der Kfz-GVO erfüllt sein, damit eine Vereinbarung vom Verbot des Art. 101 (1) AEUV freigestellt ist.