19.10.2012

Bundestag hat 8. GWB-Novelle in zweiter und dritter Lesung beschlossen

Der Bundestag hat am 18. Oktober 2012 in seiner 198. Sitzung in zweiter und dritter Lesung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP dem 8. GWB-Änderungsgesetz (Bundestagsdrucksache 17/9852) zugestimmt. Die Fraktionen von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnten den Gesetzentwurf ab.  Die 8. GWB-Novelle sollte nach dem ursprünglichen Zeitplan bereits am 27. September 2012 vom Bundestag beschlossen werden sollen. Koalitionsinterne Kontroversen bei der geplanten Anwendung des Wettbewerbsrechts im Bereich der Krankenkassen hatten jedoch zu zeitlichen Verzögerungen geführt.

Der Antrag von B90/ DIE GRÜNEN „Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht verankern“ (Bundestagsdrucksache 17/9956) wurde hingegen mehrheitlich abgelehnt. Die Fraktion wollte erreichen, dass der Verbraucherschutz als Zweckbestimmung in das GWB aufgenommen wird. Außerdem sollte die Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht gefördert werden, um negativen Folgen des Wettbewerbs wie Klimaschäden, Rohstoffverzehr und Artenverlust entgegenzuwirken.

Am Vortag, dem 17. Oktober 2012, hatte bereits der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP dem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen zugestimmt. Letztlich werden die gesetzlichen Krankenkassen damit doch dem Wettbewerbsrecht unterworfen.

Nachdem sich der Bundesrat erneut mit dem Gesetz befassen wird, wird es voraussichtlich mit Wirkung am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

 

Die wesentlichen Neuerungen der Novelle belaufen sich auf Folgende:

 

1.      Fusionskontrolle

          Übernahme weiterer Elemente der europäischen Fusionskontrolle, insbesondere Übernahme des materiellen Untersagungskriteriums (SIEC-Test, Significant Impediment of Effective Competition), § 36 Abs. 1 GWB.

          Angleichung der Regelung über Nebenbestimmungen in Freigabeentscheidungen, § 40 Abs. 3 GWB, aber weiterhin keine laufende Verhaltenskontrolle.

          Fristverlängerung um einen Monat, wenn die Unternehmen im Hauptprüfverfahren erstmalig Zusagenangebote unterbreiten, § 40 Abs. 2 GWB.

          Ausnahme vom Vollzugsverbot bei öffentlichen Übernahmen in § 41 GWB.

          Beibehaltung der vom europäischen Recht abweichenden Elemente, wie z.B. Abwägungsklausel, Ministererlaubnis, Zusammenschlusstatbestände.

          Zuordnung der Bagatellmarktklausel in die materielle Fusionskontrolle,
§ 36 Abs. 1 Satz 2 GWB, wie vor der 6. GWB-Novelle.

          Rückwirkende Heilung der zivilrechtlichen Unwirksamkeit bei Einstellung des Entflechtungsverfahrens, § 41 Abs. 1 Nr. 3 GWB.

          Pressefusionskontrolle: Erhöhung der pressespezifischen Aufgreifschwelle für Fusionen (Durch Reduzierung des pressefusionspezifischen Rechenfaktors (von 20 auf 8) soll künftig die Fusionskontrolle erst ab einem weltweiten Umsatz der beteiligten Unternehmen von 62,5 Millionen Euro, statt wie bisher ab 25 Millionen Euro, sowie Inlandsumsätzen eines Unternehmens von 3,125 Millionen Euro und eines weiteren von 625.000 Euro anwendbar sein.)

          Anwendung der Bagatellmarktklausel in der Pressefusionskontrolle.

          Geltung der Bagatellanschlussklausel nach § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB für die Presse.

          Spezielle Regelung der Zulassung einer Sanierungsfusion im Pressebereich, wenn nachgewiesen wird, dass der übernommene Verlag in den letzten drei Jahren einen erheblichen Jahresfehlbetrag im Sinne des § 275 Abs. 2 Nr. 20 HGB hatte und er ohne den Zusammenschluss in seiner Existenz gefährdet wäre. Ferner muss nachgewiesen werden, dass vor dem Zusammenschluss kein anderer Erwerber gefunden wurde, der eine wettbewerbskonformere Lösung sichergestellt hätte (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 GWB n.F.)

          Zusätzlich: Absicherung des Pressegrosso-Vertriebssystems in Form einer Freistellung für Branchenvereinbarungen, d.h. für Vereinigungen von Unternehmen, die Preise für Zeitungen oder Zeitschriften binden (Presseverlage) einerseits und Vereinigungen von deren Abnehmern, die im Preis gebundene Zeitungen und Zeitschriften mit Remissionsrecht beziehen und mit Remissionsrecht an Letztveräußerer verkaufen (Presse-Grossisten), andererseits für die von diesen Vereinigungen jeweils vertretenen Unternehmen, soweit in diesen Branchenvereinbarungen der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse-Grossisten, insbesondere dessen Voraussetzungen und dessen Vergütungen sowie die dadurch abgegoltenen Leistungen geregelt sind. Die Freistellung gilt auf der Grundlage einer Betrauung im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV.

 

2.      Missbrauchsaufsicht

          Systematische Vereinfachung der bisherigen Regelungen der Missbrauchsaufsicht in §§ 18- 20 GWB

          Anhebung des Schwellenwerts für die Einzelmarktbeherrschung auf
40 Prozent (von einem Drittel), § 18 Abs. 4 GWB n.F.

          Verlängerung der befristeten Verschärfung des Verkaufs unter Einstandspreis im Lebensmittelhandel ( § 20 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GWB)

          Beibehaltung der befristeten Regelung in § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB: Der Schutz vor ungerechtfertigten Forderungen von Vorzugskonditionen wird auf Großunternehmen erweitert.

          Befristete Verlängerung von § 20 Abs. 4: Verbot der Preis-Kosten-Scheren. Dadurch sollen insbesondere kleinere und mittlere Tankstellenbetreiber gestärkt werden. Es soll verhindert werden, dass große Mineralölkonzerne kleine und mittlere Konkurrenten im Wettbewerb behindern, indem sie ihnen Kraftstoffe zu einem höheren Preis liefern als dem, den sie selbst an ihren eigenen Tankstellen von den Autofahrern verlangen.

          Befristete Verlängerung um fünf Jahre: Verschärfte Preismissbrauchsaufsicht im Energiebereich (§ 29 GWB).

          Aufnahme der Regelungen der verschärften Missbrauchskontrolle über die Wasserwirtschaft in das GWB (§ 31 GWB n.F.).

          Den Kartellbehörden soll auf Anregung des Bundesrates eine Überprüfung der Entgelte von Wasserversorgungsunternehmen anhand einer Kostenprüfung ermöglicht werden. Eine Ausdehnung der kartellrechtlichen Aufsicht auf „Gebühren“ hat der Bundestag jedoch nicht beschlossen.

 

3.      Befugnisse Kartellbehörden/Sanktionen/Verfahren

          Einführung von Abhilfemaßnahmen struktureller Art (Entflechtungsbefugnis bei Kartellrechtsverstoß), § 32 Abs. 2 GWB, in Angleichung an
Art. 7 Abs. 1 VO 1/2003, allerdings ohne weitere Präzisierung der Begrifflichkeiten oder Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit.

          Anordnung der Rückerstattung erwirtschafteter Vorteile infolge kartellrechtswidrigen Verhaltens im Rahmen einer Abstellungsverfügung, § 32 Abs. 2 S. 3 GWB neu.

          Elektronische Auskunftspflichten (§ 59 Abs. 1 Satz 3 GWB neu.)

          Klagebefugnis qualifizierter Einrichtungen (z.B. Verbraucherverbände) und Verbände der Marktgegenseite auf Unterlassung/Vorteilsabschöpfung (keine Schadensersatzklagen), § 33 Abs. 2, § 34 a Abs. 1. GWB.

          Einschränkung des einfachgesetzlichen Aussageverweigerungsrechts für juristische Personen und Personenvereinigungen hinsichtlich bestimmter unternehmens- und marktbezogener Tatsachen, die für die Bestimmung der Geldbuße relevant sind, § 81a GWB neu)

          Regelung zur Rechtsnachfolge in der Bußgeldhaftung in einem neuen § 30 Abs. 2 a OWiG, der lautet:

„Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung (§ 123 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes) kann die Geldbuße nach Absatz 1 und 2 gegen den oder die Rechtsnachfolger festgesetzt werden. Die Geldbuße darf in diesen Fällen den Wert des übernommenen Vermögens sowie die Höhe der gegenüber dem Rechtsvorgänger angemessenen Geldbuße nicht übersteigen. Im Bußgeldverfahren tritt der Rechtsnachfolger oder treten die Rechtsnachfolger in die Verfahrensstellung ein, in der sich der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsnachfolge befunden hat.“

 

          Verhängung des dinglichen Arrests nach Erlass des Bußgeldbescheids, neuer § 30 Abs. 6 OWiG und nicht erst nach Urteilserlass.

4.      Gesundheitssektor

          Anwendbarkeit des Kartellrechts auf gesetzliche Krankenkassen mit der Einschränkung, dass die Kartellbehörden bei der Anwendung der GWB-Vorschriften den Versorgungsauftrag der Krankenkassen berücksichtigen müssen. So werde die Zusammenarbeit von Kassen zur Erfüllung des Versorgungsauftrags regelmäßig mit dem Kartellrecht in Einklang stehen, heißt es in der Begründung. „Die Anwendung des Kartellrechts ist ohnehin ausdrücklich ausgeschlossen, soweit die gesetzlichen Krankenkassen sozialgesetzlich zu gemeinsamen Handeln verpflichtet sind“, schreiben die Fraktionen in der Begründung des Antrags.