22.05.2012
Bundesrat bezieht zur 8. GWB-Novelle Stellung
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https://www.bundesrat.de/cln_110/SharedDocs/Drucksachen/2012/0101-200/176-12_28B_29,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/176-12(B).pdf |
Der Bundesrat hat am 11. Mail 2012 in seiner 896. Sitzung eine Stellungnahme zum Entwurf eines 8. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen abgegeben (Beschluss gemäß Bundestags-Drs. 176/12). Zuvor hatten die Ausschüsse des Bundesrats am 30. April 2012 ihre Empfehlungen veröffentlicht. Es handelte sich um Empfehlungen des federführenden Wirtschaftsausschusses, des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, des Gesundheitsausschusses, des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der federführende Wirtschaftsausschuss hatte seine Empfehlungen in einer Sitzung vom 26. April 2012 verabschiedet.
Im Wesentlichen sieht der Bundesrat sieht in den folgenden Bereichen „Verbesserungsbedarf":
Bußgeldhaftung und Sanktionen
- Plädoyer für eine Rechtsnachfolgeregelung in der Bußgeldhaftung im Interesse einer wirksamen Kartellverfolgung. Favorisiert wird ein Gleichlauf mit dem europäischen Kartellrecht, ohne präziser zu werden, d.h. ohne explizit eine Anpassung des deutschen an den europäischen Unternehmensbegriff zu fordern. Solche Vorstellungen liegen jedoch entsprechenden Anträgen der Bundesländer Hessen und Hamburg zugrunde.
- Konzernhaftung: Konzernobergesellschaften sollen kartellrechtlich zur Aufsicht über die Konzernunternehmen verpflichtet werden. Konzernmütter sollten für die Kartelltaten ihrer Töchter im Rahmen der „wirtschaftlichen Einheit" haften, wenn sie ihre Aufsichtspflicht (§ 130 OWiG) verletzt haben. Die kartellrechtliche Verantwortlichkeit soll nicht mehr nur auf die unmittelbar handelnde juristische Person beschränkt bleiben.
- Die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch Kartellbehörden (§ 34 Abs. 1 Satz 1 GWB) sollte nicht mehr an ein Verschulden des Unternehmens gekoppelt sein. Eine Abkehr vom Verschuldenserfordernis erscheint dem Bundesrat als gerechtfertigt, da es sich bei diesem Anspruch nicht um einen Schadensersatzanspruch handele. Auch die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung durch klagebefugte Einrichtungen und Verbände sollte nach Ansicht des Bundesrats nicht an ein schuldhaftes Handeln des Unternehmens angeknüpft werden.
- Der seitens der klagebefugten Einrichtungen und Verbände abgeschöpfte Vorteil sollte nicht mehr an den Bundeshaushalt herauszugeben sein, sondern zweckgebunden an ein Sondervermögen des Bundes zur Finanzierung der Verbraucherarbeit der Verbraucherorganisationen und zur Erstattung von erforderlichen Aufwendungen verwendet werden. Auch sollten die Verbände und Einrichtungen die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils schätzen können. Diese Vorschläge gehen auf ein Gutachten von Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen und Verwendung von Kartellbußen zurück, das dieser im Auftrag des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums erstellt hatte (vgl. FIW-Bericht vom 23.3.12).
- Ein Anteil von 20 Prozent der Geldbußen soll künftig dem Sondervermögen des Bundes zur Finanzierung der Verbraucherarbeit zugewiesen werden können. Auch dieser Vorschlag geht auf das bereits erwähnte Gutachten von Prof. Dr. Karl-Heinz Fezer zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen und Verwendung von Kartellbußen zurück (vgl. FIW-Bericht vom 23.3.12).
Befugnisse der Kartellbehörden
- Eine Einschränkung der Akteneinsicht in Kronzeugenanträge soll gesetzlich normiert werden.
- Die Einführung elektronischer Daten und ökonomischer Gutachten in gerichtliche Kartellbußgeldverfahren soll mittels einer Einschränkung des Grundsatzes der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit erleichtert werden.
- Die Kartellbehörden sollen auch im Bereich der Wasserversorgung eine zügige Verfahrensbeendigung mit Verpflichtungszusagen seitens der Unternehmen herbeiführen können und Rückzahlungen erwirtschafteter Vorteile an die Verbraucher anordnen können (§ 32 Abs. 2a GWB-E soll entsprechend gelten).
- Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung von Beschwerden gegen Anordnungen zur Rückerstattung der erwirtschafteten Vorteile nach § 32 Abs. 2a GWB-E soll gestrichen werden.
Fusionskontrolle
- Die Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen und Betriebe im Rahmen einer kommunalen Gebietsreform soll nicht der Fusionskontrolle unterliegen.
- Die Trägerschaft mehrerer Unternehmen durch eine kommunale Gebietskörperschaft soll keinen Zusammenschluss oder Konzern begründen können.
Missbrauchskontrolle
- Die Preismissbrauchsaufsicht des § 29 GWB soll, wie vom Bundeskartellamt gefordert, auch auf den Fernwärmebereich ausgedehnt werden.
- Im Bereich der Missbrauchskontrolle im Wassersektor soll die Missbräuchlichkeit einer Entgeltforderung nicht nur anhand des Vergleichsmarktkonzepts sondern auch auf Basis der beim Wasserversorger entstandenen Kosten geprüft werden können.
- Die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle sollte nicht auf öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge Anwendung finden, die allein der kommunalaufsichtsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterlägen. Der Bundesrat plädiert insofern für eine explizite „Klarstellung".
Presse
- Das Presse-Grosso soll zur Sicherung eines vielfältigen Presseangebots in Deutschland erhalten bleiben.
Krankenkassen
- Das Kartellrecht und die Fusionskontrolle sollten nicht auf gesetzliche Krankenkassen Anwendung finden. Krankenkassen seien keine Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne. Außerdem würde eine parallele Rechtsaufsicht nach dem Sozialrecht und Kartellrecht zu Wertungswidersprüchen und neuer Bürokratie führen.
Gerichtliche Zuständigkeit
- Den Parteien eines Rechtsstreits sollte, wie bisher, die Wahlmöglichkeit belassen werden, ob sie den Rechtsstreit vor der Zivilkammer oder der Kammer für Handelssachen verhandelt wissen wollen.