03.05.2012

BMJ legt Diskussionsentwurf zur Regelung der Rechtsnachfolge bei Bußgeldverfahren vor

D
BMJ
GWB-Novelle
OWiG
Kartellordnungswidrigkeiten

Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) hat am 27. April 2012 einen Diskussionsentwurf zur Regelung der Rechtsnachfolge bei Bußgeldverfahren gegen juristische Personen und Personenvereinigungen und zur Anhebung des Bußgeldrahmens für juristische Personen (§§ 30, 130 OWiG) zur Konsultation gestellt. Es beabsichtigt, noch im Rahmen der 8. GWB-Novelle eine entsprechende Rechtsnachfolgeregelung in das OWiG aufzunehmen. Der Diskussionsentwurf versteht sich als Formulierungshilfe des federführenden BMJ und ist mit dem Bundeswirtschaftsministerium bereits abgestimmt.

 

Hintergrund:

 

Im Kartellordnungswidrigkeitsrecht ist nach Ansicht des BMWi und des Bundeskartellamts, insbesondere nach zwei BGH-Urteilen aus dem Jahr 2010, eine Lücke zu Tage getreten, die geschlossen werden müsse. In den Urteilen des BGH in Sachen Versicherungsfusion und Transportbeton habe sich gezeigt, dass sich eine kartellbeteiligte Gesellschaft, beispielsweise durch Verschmelzung, Umstrukturierungen, Wechsel des Rechtsträgers etc., einer Kartellbuße entziehen könne. Der Rechtsnachfolger eines Kartellbeteiligten kann im Bußgeldverfahren nur unter ganz bestimmten von der Rechtsprechung entwickelten einschränkenden Voraussetzungen zur Verantwortung gezogen werden, und zwar nur dann, wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität besteht. Das war in den zu entscheidenden Fällen nicht der Fall. Das BMJ weist darauf hin, dass besonders das Kartellverfahren aufgrund der langen Verfahrensdauer und der Höhe der Bußgelder Anreize biete, der Haftung mit Hilfe von Umstrukturierungsmaßnahmen zu entgehen. Dadurch werde Handlungsbedarf indiziert. 

 

Das Bundeskartellamt hatte zur Lösung des Problems in seiner Stellungnahme zur 8. GWB-Novelle sogar vorgeschlagen, dass man den europäischen Unternehmensbegriff in das GWB einführen solle. Bei einer Anpassung des deutschen an den europäischen Unternehmensbegriff sollten automatisch die Konzernmütter für die Kartelltaten ihrer Töchter im Rahmen der „wirtschaftlichen Einheit" haften. Der Vorschlag des BMJ bleibt hinter diesen Vorstellungen zurück.

 

Wesentlicher Inhalt des Diskussionsentwurfs

 

1.       Nach einem neuen § 30 Absatz 2a OWiG soll es eine Rechtsnachfolge in die Bußgeldhaftung (vor Erlass eines Bußgeldbescheids) geben,

 

·         wenn eine Gesamtrechtsnachfolge (insbesondere nach einer Verschmelzung nach dem Umwandlungsgesetz) oder eine partielle Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung nach § 123 des Umwandlungsgesetzes stattgefunden hat. In beiden Fällen wird der Rechtsvorgänger ohne Abwicklung aufgelöst.

 

·         Die Rechtsnachfolge soll beschränkt sein auf die Höhe des übernommenen Vermögens und auf die Höhe der Geldbuße, die gegen den Rechtsvorgänger angemessen gewesen wäre.

 

2.       Nach Erlass eines Bußgeldbescheids soll ein dringlicher Arrest zur Sicherung der Geldbuße verhängt werden können (§ 30 Absatz 6 OWiG-E), was derzeit erst nach Erlass eines Urteils möglich ist. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen sich durch Vermögensverschiebungen einer Ahndung entziehen.

 

3.       Anhebung des Bußgeldrahmens für juristische Personen und Personenvereinigungen:

 

·         bei Straftaten von Leitungspersonen soll das Höchstmaßes der Geldbuße von einer Million Euro auf zehn Millionen Euro bei Vorsatztaten bzw. von 500.000 Euro auf fünf Millionen Euro bei Fahrlässigkeitstaten angehoben werden (§ 30 Absatz 2 Satz 1 OWiG-E),

 

·         für sonstige von einer Leitungsperson begangene Ordnungswidrigkeiten soll die Möglichkeit einer Verzehnfachung des für natürliche Personen geltenden Höchstmaßes einer Geldbuße eingeführt werden; dazu müsste jedoch noch in den jeweiligen Bußgeldvorschriften auf die Neuregelung verwiesen werden (§ 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG-E). Für die von einer Leitungsperson begangene Ordnungswidrigkeit der Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG) soll bereits auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG-E verwiesen und damit das Höchstmaß der Geldbuße von einer Million Euro auf zehn Millionen Euro angehoben werden.

 

Der aktuelle Bußgeldrahmen erscheint dem BMJ angesichts der im Bereich der Wirtschaftskriminalität erzielten Vermögensvorteile und des korrespondierenden Schadens nicht mehr angemessen. Das BMJ folgt mit seiner Anpassung Empfehlungen der OECD.