01.06.2012
BGH: Begründung liegt vor zum BGH-Beschluss in der Frage eines möglichen marktbeherrschenden Oligopol der Mineralölgesellschaften
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https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&client=12&nr=60376&pos=0&anz=1&Blank=1.pdf |
Am 24. Mai 2012 wurde nun die Begründung zum Beschluss des BGH vom 6. Dezember 2011 veröffentlicht zu der Frage, ob auf den Märkten für Benzin und Diesel ein marktbeherrschendes Oligopol der Mineralölgesellschaften Shell, Aral/BP, ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil/Esso und Total besteht (Beschluss vom 6. Dezember 2011 - KVR 95/10 - Total/OMV). Der BGH hatte bereits im Dezember entschieden, dass diese Frage einer weiteren Prüfung durch das OLG Düsseldorf bedürfe und hatte die Rechtssache zur neuen Verhandlung an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.
Hintergrund:
Im Dezember 2008 hatte die Total Deutschland GmbH das Vorhaben angemeldet, von der OMV Deutschland GmbH 59 Tankstellenbetriebe in Sachsen und Thüringen zu erwerben. Total betreibt mit mehr als 1.000 Stationen nach eigenen Angaben das viertgrößte Tankstellennetz in Deutschland. Der Schwerpunkt ihrer inländischen Aktivitäten liegt in den neuen Bundesländern. OMV ist insbesondere in Süd- und Ostdeutschland tätig und betreibt neben einem Tankstellennetz auch eine Raffinerie in Bayern.
Das Bundeskartellamt hatte den Zusammenschluss untersagt, weil auf den Regionalmärkten Chemnitz, Dresden, Erfurt und Leipzig nach seiner Ansicht bereits ein marktbeherrschendes Oligopol von Shell, Aral/BP, ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil/Esso und Total bestand. Beim Erwerb weiterer 59 Tankstellen durch Total sei damit zu rechnen, dass sich die marktbeherrschende Stellung des Oligopols verstärke. Das OLG Düsseldorf hatte diesen Beschluss mit der Begründung aufgehoben, dass das Bundeskartellamt die Existenz eines marktbeherrschenden Oligopols zwischen den genannten Tankstellenbetreibern nicht nachgewiesen habe. Denn zum einen lägen die Preise von Jet regelmäßig unter den Preisen der anderen Tankstellenbetreiber. Zum anderen zeigten die geringe Gewinnmarge der Tankstellenbetreiber und die Schwankungen der Benzinpreise, dass die Beteiligten unter erheblichem Wettbewerbsdruck stünden. Das Bundeskartellamt hatte Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt. Im Laufe dieses Beschwerdeverfahrens hatte OMV die fraglichen Tankstellen anderweitig verkauft.
Beschluss des BGH:
Der BGH hatte die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und entschieden, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass auf den maßgeblichen Märkten ein marktbeherrschendes Oligopol besteht, das verstärkt würde, wenn Total weitere 59 Tankstellen in Sachsen und Thüringen erwirbt. Das OLG Düsseldorf hatte - nach Ansicht des BGH - nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Auf und Ab der Benzinpreise keinen eindeutigen Schluss auf bestehenden Wettbewerb zulässt, sondern vor dem Hintergrund der Marktstruktur, insbesondere des hohen Konzentrationsgrads, der vertikalen Integration der auch Produktionsanlagen und Raffinerien gemeinsam betreibenden Mineralölgesellschaften, der hohen Preistransparenz und der Homogenität des Produkts Benzin, gewürdigt werden muss.
Die Leitsätze des Beschlusses lauten wie folgt:
- Für die Frage, ob der Erwerb mehrerer verselbständigter Vermögensgegen-stände eines Unternehmens einen einheitlichen Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellt, ist maßgeblich, ob der Vermögenserwerb bei wirtschaftlicher Betrachtung ein einheitlicher Vorgang ist, der geeignet ist, die Marktstruktur zu beeinflussen.
- Die indizielle Bedeutung von Marktstrukturmerkmalen, die eine enge Reaktionsverbundenheit der Mitglieder eines Oligopols erwarten lassen, für eine gemeinsame Marktbeherrschung kann dadurch entkräftet werden, dass tatsächlich wesentlicher Wettbewerb stattfindet. Die Bewertung des tatsächlichen Marktgeschehens muss aber die strukturellen Bedingungen beachten, unter denen es sich vollzieht und die seine ökonomische Beurteilung beeinflussen können.
- Ist das beobachtete Verhalten der Mitglieder eines Oligopols mehrdeutig, vermag dies die aufgrund der Marktstrukturanalyse begründete Annahme eines einheitlichen Verhaltens unter Ausschluss wesentlichen Wettbewerbs jedenfalls im Anwendungsbereich der Oligopolvermutungen des § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB nicht in Frage zu stellen.