06.07.2012

19. Hauptgutachten der Monopolkommission – „Stärkung des Wettbewerbs bei Handel und Dienstleistungen“

D
GWB
Monopolkommission
19. Hauptgutachten

Am 6. Juli 2012 hat die Monopolkommission dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ihr Neunzehntes Hauptgutachten mit dem Titel „Stärkung des Wettbewerbs bei Handel und Dienstleistungen" überreicht. Die Hauptgutachten erscheinen aufgrund gesetzlichen Auftrags alle zwei Jahre, geben den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration wieder und gehen auf die kartellrechtliche Entscheidungspraxis sowie aktuelle wettbewerbspolitische Entwicklungen ein. Das aktuelle Hauptgutachten umfasst den Zeitraum 2010/2011. Volltext und Kurzversion finden sich unter: www.monopolkommission.de/aktuell_hg19.html

Inhalt

Die Monopolkommission hat sich in ihrem Hauptgutachten neben dem Wettbewerb auf Glücksspielmärkten und dem Seelotswesen insbesondere mit folgenden Bereichen befasst:

Regulierung im Eisenbahnbereich

Die Monopolkommission begrüßt den Anfang des Jahres 2012 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich. Allerdings stellt sie auch noch dringenden Nachholbedarf in einigen Punkten fest. So fehle es insbesondere weiterhin an einer strikten Trennung zwischen der Erbringung von Infrastruktur- und Transportdienstleistungen. Auch die fehlende Einführung einer Anreizregulierung und die Abschaffung von Aufwendungen für Investitionen und Instandhaltung bei der Effizienzkontrolle schwächten die grundsätzlich wettbewerbsfördernden Effekte der geplanten Gesetzesnovelle. Zudem seien zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen eine umfassende Reform der Rahmenvertragsregelungen und weitgehende Transparenzpflichten unerlässlich.

Postgesetz-Novelle

Die im März 2012 vorgelegten Eckpunkte des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Novellierung des Postgesetzes, die die Verbesserung des Regulierungsrahmens sowie den Abbau der Regulierung in den wettbewerbsintensiveren Bereichen zum Ziel haben, werden von der Monopolkommission grundsätzlich positiv bewertet. Insbesondere die Rückführung der Regulierung im Bereich der Postzustellungsaufträge sowie die Stärkung der Rechte Dritter durch einen vorgesehenen Antrag auf Eröffnung eines Missbrauchsverfahrens werden begrüßt. Jedoch gehen der Monopolkommission die vorgeschlagenen Änderungen nicht weit genug, da beispielsweise ein Antragsrecht Dritter im Hinblick auf die Entgeltüberprüfung nach § 25 Abs. 1 PostG nicht vorgesehen sei. Die Monopolkommission fordert außerdem Änderungen bei der Entgeltregulierung sowie eine Ex-ante- Genehmigungspflicht von Teilleistungsentgelten. Darüber hinaus spricht sie sich für eine ausdrückliche Regelung des Akteneinsichtsrechts der Monopolkommission in die Akten der Bundesnetzagentur aus.

Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas

Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 12. Mai 2012 sieht die Einführung einer Rechtsgrundlage für die Errichtung einer ab Januar 2013 arbeitenden Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt für den Großhandel mit Strom und Gas vor. Außerdem ist eine Rechtsgrundlage für eine Marktbeobachtung  im Bereich Kraftstoffe vorgesehen. Durch die - von der Kommission selbst bereits in den Grundzügen im Jahre 2007 vorgeschlagene - Markttransparenzstelle sollen insbesondere Auffälligkeiten bei der auf Missbrauch von Marktbeherrschung, Insiderinformationen und Marktmanipulation beruhenden Preisbildung aufgedeckt sowie eine Disziplinierung der Marktteilnehmer erreicht werden. Die Monopolkommission erhofft sich durch die Einrichtung der Markttransparenzstelle des weiteren Fortschritte bei der Vereinheitlichung von Datenabfragen, - schnittstellen, -aufbereitung, - austausch und - auswertung sowie eine Kooperation mit anderen Behörden und Aufsichtsstellen. Es wird jedoch auch angemahnt, die Markttransparenzstelle stärker als bisher vorgesehen mit einer institutionellen Unabhängigkeit auszustatten, da nur hierdurch ein relevanter Mehrwert gegenüber den bereits bestehenden Kooperationen entstünde. Die Tätigkeit der Markttransparenzstelle solle außerdem nach drei Jahren überprüft und nur im Falle einer positiven Bewertung verlängert werden.

Die vorgeschlagene Marktbeobachtung des Kraftstoffmarktes - die sowohl Änderungen der Endverbraucherpreise als auch die Abgabepreise der Mineralöllieferanten und Großhändler erfassen soll - hält die Monopolkommission in der derzeitigen Ausgestaltung für wirkungslos. Dies resultiere insbesondere daraus, dass ein Nutzbarmachen der in Echtzeit erhobenen Kraftstoffpreise an den Tankstellen für die Verbraucher nicht vorgesehen sei und der für den Endkunden hierdurch erzielbare Mehrwert ausbliebe. Wettbewerbsprobleme könnten außerdem nur unter Einbeziehung der Raffinerieebene gelöst werden; daher regt die Monopolkommission erneut an, dass das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung auf diesem Markt durchführt.

Akteneinsichtsrecht der Monopolkommission

In den letzten Jahren wurden in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise im Telekommunikationsgesetz und im Energiewirtschaftsgesetz sukzessive Rechtsgrundlagen geschaffen, die der Monopolkommission uneingeschränkten Zugang zu nicht öffentlichen Informationen zum Zwecke der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags ermöglichen. Allerdings fehlen solche Rechtsgrundlagen nach Ansicht der Monopolkommission bislang in den wichtigen Bereichen des Post- und des Eisenbahnsektors, deren Schaffung im Gutachten angemahnt wird. Darüber hinaus empfiehlt die Monopolkommission im Zuge der beabsichtigten Einrichtung der Markttransparenzstelle eine gesetzgeberische Regelung hinsichtlich eines grundsätzlichen Akteneinsichtsrechts der Monopolkommission beim Bundeskartellamt einzuführen. Das Bundeskartellamt hatte in der Vergangenheit die Datenübermittlung an die Monopolkommission unter Verweis auf laufende Verfahren und mögliche negative Rückwirkungen auf die Effektivität der Ermittlungen zum Teil verwehrt.

8. GWB-Novelle

Die Monopolkommission spricht kurz die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche 8. GWB-Novelle an und verweist dabei maßgeblich auf das von ihr im Februar 2012 zu dieser Novelle erstellte Sondergutachten. In Hinblick auf die aktuellen Diskussionen bekräftigt sie ihre Forderung, die gesetzlichen Krankenkassen prinzipiell dem Anwendungsbereich des GWB zu unterstellen. Außerdem betont sie, dass hinsichtlich der sektorspezifischen Missbrauchskontrolle in der Wasserwirtschaft nach wie vor Verbesserungsbedarf bestünde. Sämtliche Wasserentgelte müssten erfasst werden, da andernfalls eine Flucht ins Gebührenrecht zulasten der Verbraucher drohe. Die Monopolkommission bedauert die geplante Verlängerung der speziellen Missbrauchsaufsicht für die Energiemärkte nach § 29 GWB und spricht sich gegen eine Erstreckung dieser Vorschrift auf den Markt für Fernwärme aus. Die Vorschläge des Bundesjustizministeriums zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens werden dagegen begrüßt. Die Monopolkommission hatte die Einführung entsprechender Regelungen empfohlen, weil dadurch die Umgehung von Bußgeldern seitens betroffener Unternehmen erschwert werde.

Neuausrichtung der Konzentrationsberichterstattung

Ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegebenes Gutachten zur wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Relevanz der bisherigen Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission hat Ende 2011 ermittelt, dass die bisherige Konzentrationsberichterstattung keine nützlichen Indikatoren für die wettbewerbspolitische Beurteilung von realen Markt- und Wettbewerbsverhältnissen liefert. Zukünftig sollen stärker evidenzbasierte Analysen eingesetzt werden, während die Konzentrationsberichterstattung in ihrer klassischen Form letztmalig in dem aktuellen Gutachten der Monopolkommission ausgewiesen wird.

Detaillierter geht die Kommission im Rahmen einer „Sonderauswertung Energie" auf die Einflussfaktoren auf die Vertriebsmarge von Grundversorgungsunternehmen im Stromkundenmarkt ein.

Stand und Entwicklung der Konzentration von Großunternehmen (aggregierte Konzentration)

Im Rahmen der Auswertung der Konzentration von Großunternehmen  listet das Gutachten zunächst die 100 größten Unternehmen 2008 und 2010 auf, um sodann eine branchenspezifische Betrachtung anzustellen. In einem weiteren Teil beschäftigt sich das Gutachten mit der Verflechtung der 100 größten Unternehmen und nennt abschließend die Beteiligung dieser Unternehmen an den beim Bundeskartellamt angemeldeten Unternehmenszusammenschlüssen und Freigabeentscheidungen.

Internationale personelle Unternehmensverflechtungen

In diesem Kapitel werden zunächst der Stand und die Entwicklung personeller Unternehmensverbindungen in einigen EU-Staaten dargestellt, um die nationale und internationale Bedeutung entsprechender Verflechtungsbeziehungen aufzuzeigen und mögliche Trends aufzudecken. Des Weiteren erfolgt eine Branchenanalyse sowie abschließend eine detaillierte Analyse einer Teilstichprobe deutscher Unternehmen hinsichtlich Anzahl und Intensität von nationalen und internationalen personellen Verflechtungen in einzelnen Branchen.

Kartellrechtliche Entscheidungspraxis

Nach einer allgemeinen Einführung zur deutschen Kartellrechtspraxis beschäftigt sich das Gutachten unter anderem mit der Untersuchung der Kartellrechtsanwendung im Grenzbereich hoheitlicher Tätigkeit und der mit der 7. GWB-Novelle erstrebten Flexibilisierung der Kartellrechtsdurchsetzung. Letztere Untersuchung widmet sich insbesondere dem Aspekt der Kartellrechts-Compliance von Unternehmen sowie der Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen durch das Bundeskartellamt, die immer häufiger eine formelle Entscheidung des Bundeskartellamtes ersetzt. Des Weiteren wird die Kartellrechtsverfolgung des Bundeskartellamtes umfassend gewürdigt und die Missbrauchsaufsicht auf Oligopolmärkten am Beispiel des Kraftstoffmarktes untersucht. Im Rahmen der Fusionskontrollpraxis befasst sich die Monopolkommission zunächst mit den nationalen Entwicklungen. Die Zahl der angemeldeten Zusammenschlussvorhaben hat sich im Berichtszeitraum auf niedriger Basis stabilisiert, was insbesondere an der Einführung der zweiten Inlandsumsatzschwelle 2009 liegt. Anschließend geht die Monopolkommission auch detailliert auf die europäische Fusionskontrolle und die Weiterentwicklung des SIEC-Tests bei der wettbewerblichen Beurteilung von Unternehmen ein.

Wettbewerb und Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel

Das letzte Kapitel widmet sich der Wettbewerbsintensität im Einzelhandel und untersucht die Ursachen und Wirkungen von Nachfragemacht im Verhältnis der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zu den Herstellern von Nahrungs- und Genussmitteln. Hierbei wird zunächst der Wettbewerb auf der Handelsstufe und sodann auf den Beschaffungsmärkten analysiert, um schließlich die Definition und Ausgestaltung von Nachfragemacht sowie die Möglichkeiten der Kontrolle derselben zu erläutern. Die Monopolkommission begrüßt, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die Ausweitung des Schutzbereichs des § 20 Abs. 3 Satz 2 GWB auf große Hersteller Ende 2012 auslaufen zu lassen. Die Ausweitung des kartellrechtlichen Instrumentariums zur Kontrolle von Nachfragemacht insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel wird abgelehnt. Auch sonstige Maßnahmen, wie die Einführung eines Verhaltenskodex, eines Ombudsmannes oder einer Transparenzstelle auf nationaler oder europäischer Ebene, sieht die Monopolkommission kritisch. Ein gesondertes Kapitel befasst sich mit dem Einfluss des Planungsrechts auf den Wettbewerb im (Lebensmittel-) Einzelhandel und erläutert verschiedene planungsrechtliche Konzepte und deren Wirkungen.

Monopolkommission in eigener Sache

In eigener Sache teilt die Monopolkommission mit, dass Prof. Dr. Daniel Zimmer seit dem 10. Juli 2012 den Vorsitz der Monopolkommission übernommen hat. Der bisherige Vorsitzende, Prof. Dr. Justus Haucap, wird der Monopolkommission weiterhin als Mitglied angehören. Generalsekretär der Monopolkommission wird ab 1. September 2012 Herr Dr. Klaus Holthoff-Frank. Geschäftsführerin wird daneben Frau Dr. Juliane Scholl. Beide sind langjährige Mitarbeiter der Monopolkommission. Herr Dr. Holthoff-Frank folgt auf Herrn Dr. Horst Greiffenberg, der in den Ruhestand tritt.