13.07.2011

Kurzbericht zum Bonner Kolloquium des FIW am 29. Juni 2011

Deutschland
FIW
Bonner Kolloquium

Herr Dr. Satzky, Mitglied des FIW-Vorstandes, begrüßte die Teilnehmer der Veranstaltung und übernahm die Moderation des Podiums. Einleitend stellte er fest, dass es sich bei der vorgenommenen Thematik kartellrechtlich um einen wesentlichen Baustein der Marktverhaltenskontrolle handele. Die Rechtssachen "Rossmann" und "Ciba Vision" hätten gezeigt, wie sorgfältig mit dem für die Verhaltenskontrolle maßgebenden Parameter "Preis" umzugehen sei. Die Sektoruntersuchung "Kraftstoffe" des Bundeskartellamtes zeige dies ebenso deutlich.

Dieser Einleitung folgend knüpfte Herr Ewald, Bundeskartellamt, zunächst an die intensiv diskutierte jüngste Kraftstoff-Sektoruntersuchung des Amtes an. Im Vordergrund habe eine qualitative Analyse der Strukturfaktoren der untersuchten Märkte und eine quantitative Analyse der Preisbewegungen zur Stützung bzw. Untermauerung des Befundes kollektiver Marktbeherrschung gestanden. Im Hinblick auf die an den Befund anschließende öffentliche Diskussion betonte Herr Ewald, dass im Rahmen der Debatte über eine Regulierung des Preissetzungsverhaltens das Risiko unerwünschter und sogar kontraproduktiver Nebenwirkungen solcher Maßnahmen ("COBRA"-Effekte) ausreichend berücksichtigt werden sollte. Im Hinblick auf den Themenkomplex der vertikalen Preisbindung beleuchtete Herr Ewald das Spannungsfeld zwischen einem nicht eindeutigen Bild in der ökonomischen Diskussion und dem Erfordernis einer möglichst klaren rechtlichen Einordnung. Zu dem dritten Themenkomplex führte Herr Ewald aus: Das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis sei ein politisch gewollter Eingriff in das Preissetzungsverhalten von Unternehmen zum Schutz wettbewerblicher Strukturen; aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sei allerdings die Frage nach der Sinnfälligkeit dieses Instruments legitim. Durch die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung sei die Effektivität der Norm ferner stark eingeschränkt. Hierauf sollte aber wegen der damit verbundenen ökonomischen Risiken z.B. nicht mit einer gesetzlichen Definition des Begriff „Einstandspreis" reagiert werden.

Herr Dr. Brandis, BP SE, kritisierte die Sektoruntersuchung Kraftstoffe dahin gehend, dass das BKartA zwar "problematische" Gegebenheiten auf den Kraftstoffmärkten festgestellt habe, diese Gegebenheiten aber eben nicht als rechtswidrige Verhaltensweisen zu qualifizieren seien. Selbst die mittelständischen Tankstellenbetreiber hätten sich vor dem Hintergrund des Kartellamtsbefundes gegen eine Preisregulierung ausgesprochen. Im übrigen lägen seitens des BKartA auch Bewertungsfehler durch unsaubere Verwendung von Begrifflichkeiten vor: Die erzielte "Marge" sei angesichts "politischer" Einflussgrößen bei der Preisbildung nicht gleich "Gewinn". Brandis erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die aktuelle Debatte um die Einführung einer missbrauchsunabhängigen Entflechtungskompetenz in das GWB, die durch die aktuelle Sektoruntersuchung erneut an Fahrt  gewonnen habe. Die Unternehmen der Mineralölwirtschaft seien denkbar ungeeignete Objekte für eine "Zerschlagung". Es handele sich um "schrumpfende" Märkte, die durch eine Vielzahl politischer Ziele ("Energiewende", Emissionshandel) und ökologische "Altlasten" bestimmt seien. Insofern gäbe es wohl kaum Interessenten für dann herausgelöste Unternehmensteile.

Herr Dr. Rieber betonte aus Sicht eines Markenartikelherstellers die aus seiner Sicht signifikanten Unterschiede zwischen der Beurteilung von wettbewerblichen Strukturen auf Markenartikel-Märkten einerseits und zwischen Markenartikeln und Handelsmarken andererseits sowie den vertikalen Beziehungen des einen wie des anderen Segments zum Handel. Die Politik müsse entscheiden, ob und welche wettbewerblichen Strukturen sie gestalten wolle - die horizontalen und/oder die vertikalen. Denn in Wahrheit würden die Preisbildungsfaktoren maßgebend durch die Beziehungen in diesen Geflechten bestimmt.

Prof. Dr. Goetz stellte fest, dass er aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht gegen Preisbildung, die durch starke und schwächere Marktteilnehmer und nicht missbräuchlich bestimmt würden, nichts einzuwenden hätte. Insofern empfinde er auch kein Unbehagen, wenn die Abschaffung des Verbots des Verkaufs unter Einstandspreis gefordert werde. Es sei Sache der Akteure - aus welcher Marktposition heraus auch immer - die Preise im Wettbewerb zu bilden; dieser allerdings müsse geschützt werden, nicht aber durch Preisober- oder -untergrenzen. Ausnahmen gälten nur für natürliche Monopole auf den Netzinfrastrukturmärkten. Mit Blick auf die Sektoruntersuchung "Kraftstoffe" bestätigte Goetz, dass an einem sich auch durch die tägliche - und insofern vielleicht für den Endverbraucher lästig erscheinenden - Preisschwankungen ausdrückenden Wettbewerb bei homogenen Gütern an sich nichts auszusetzen sei.

In der anschließenden Aussprache wurden die sehr grundätzlichen Aspekte des Themas vertieft und Konsequenzen für den Rechtsrahmen angemahnt. In Erinnerung gerufen wurden aktuelle Aussagen des OLG Düsseldorf und ähnliche Diskussionen aus zurückliegenden Jahren sowie die für manche wohl immer noch schwierige Verbindung von ökonomischen und juristischen Argumentationslinien.