13.10.2011

Kurzbericht zum 49. Ferienkurs des FIW

FIW
Ferienkurs

Der 49. FIW-Ferienkurs fand nach einer Pause im Jahr 2010 wegen des Festaktes zum 50jährigen Jubiläum in Berlin vom 21. bis 23. September 2011 in Wiesbaden in den Räumlichkeiten der Dyckerhoff AG statt. Der Vorsitzende des FIW-Vorstandes, Herr Dr. Gernot Schaefer, begrüßte die Kursteilnehmer; durch die Veranstaltung führte Herr Lau, Geschäftsführer des FIW.

Professor Dr. Norbert Eickhof, Universitätsprofessor (em.), Potsdam/Berlin, zeigte den Teilnehmern einen grundlegenden Überblick über die Entwicklungstendenzen der Wettbewerbstheorie und Auswirkungen auf die Wettbewerbspolitik auf. Er referierte über grundlegende ökonomischen Ideen und ihre Auswirkungen auf Rechtsvorschriften. Er begann seinen Vortrag mit dem Ordoliberalismus, stellte dann Katzenbachs Leitbild aus der Industrieökonomie vor und sodann die Idee der Chicago-School. Er schloss mit Überlegungen zum „more economic approach". Die ökonomischen Leitbilder nahmen in ihrer Zeit Einfluss auf wirtschaftspolitische Impulse, bezogen auf Kartelle, Fusionen und Monopole. Prof. Eickhof demonstrierte dies anhand entsprechender Vorschriften des Kartellrechts.

Dr. Hans-Martin Feldkamp (Lanxess Deutschland GmbH, Leverkusen) beleuchtete die Grundlagen der Kartellverfolgung in Deutschland (D), der EU und den USA. Weltweit hätten die Wettbewerbsbehörden die Verfolgung von Kartellen verstärkt. Die USA könnten Geldstrafen oder Gefängnisstrafen verhängen, die EU und D hingegen nicht. Das Kartellordnungswidrigkeitenrecht in D sowie die Bußgeldverhängung befänden sich de facto im strafrechtlichen Bereich, ohne dort verortet zu sein. Geldbußen hätten sich nicht nur in den USA beträchtlich erhöht. Kronzeugen-Programme führten zu vermehrter Aufdeckung von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen. Am Ende seines Vortrags ging Herr Dr. Feldkamp noch auf Besonderheiten in den USA ein, wie z.B. Sammelklagen. Ebenso erläuterte er Neuerungen im deutschen und europäischen Recht (z.B. beim Schadensersatz).

Dr. Daniela Seeliger und Dr. Antje Heinen, Linklaters LLP Düsseldorf, führten in das Recht der Fusionskontrolle ein. Im Bereich des EU-Rechts lenkten sie die die Aufmerksamkeit der Kursteilnehmer auf die zeitlichen Vorgaben, den SIEC-Test, (Veräußerungs)Zusagen, das Vollzugsverbot und Nebenabreden. Anschaulich wurden auch Fälle aus der Beratungspraxis dargestellt. Im Bereich des deutschen Fusionskontrollrechts ging es um die gleichen Schwerpunkte, erweitert um einen Ausblick auf die 8. GWB-Novelle 2012 und Umsetzungsvorgaben aus dem europäischen Recht für das GWB.

Dr. Justus Herrlinger, White & Case Hamburg, widmete sich in seinem Vortrag zur „Bußgeldpraxis des Bundeskartellamtes" der rechtsfolgenseite von Kartellverstößen. Nicht allein die Bußgeldhöhe werfe Frage auf, sondern auch die rechtsstaatlich nicht unproblematischen „Leitlinien" des BKartA. Weitere Unsicherheiten bestünden in unbestimmten Rechtsbegriffen im Zusammenhang mit der Bußgeldberechnung („wirtschaftliche Einheit") sowie darüber, ob die sog. „10 %-Jahresumsatz-Regel" eine „Ober"- oder „Kappungsgrenze" sei. Herrlinger prognostizierte weiter ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, welche auch durch Novellierungen des Ordnungswidrigkeitenrechts und wohl auch durch die 8. GWB-Novelle nicht ausgeräumt würden.

Dr. Michael Dietrich, Taylor Wessing Düsseldorf, stimmte die Zuhörer mit zwei aktuellen Fällen aus dem Themenkomplex seines Vortrags ein: Die Einstellung des Verfahrens der EU-Kommission im Fall IBM und das aktuelle Verfahren gegen Google. Dr. Dietrich skizzierte in einem Vortrag Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. Zu differenzieren seien die unterschiedlichen Formen des Missbrauchs und ihre jeweilige Ahndung (Verhaltens- bzw. Strukturkontrolle bzw. -Folge). Insbesondere der Preismissbrauch sei in diversen Konstallationen denkbar. Hier wie bei Rabattsystemen, bei Exklusivitätsvereinbarungen, Kopplungstatbeständen („Microsoft") und Lieferverweigerungen seien auch umfangreiche ökonomische Analysen nötig ("more economic approach", also eigentlich ein „individual facts based approach". Hinsichtlich der 8. GWB-Novelle wagte Dietrich den Ausblick, dass insbesondere § 20 GWB an Bedeutung gewinnen werde.

Professor Dr. Christian Schmidt-Leithoff, Stuttgart, führte in das europäische Beihilfenregime im Gesamtgefüge des europäischen Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrechts ein. Die Tatbestandsvoraussetzungen für erlaubte und unerlaubte Beihilfen und ihre Folgen auf das Marktgeschehen („Zutrittsbarriere") sowie das stufige Prüfungsverfahren wurde systematisiert. Im Rahmen der Beihilfenkontrolle wies Schmidt-Leithoff auf die fortlaufende Überwachung, die Anmeldeverpflichtung und das Vorprüfungsverfahren bei neuen Beihilfen besonders hin (vgl. dazu neuerdings BGH, EuZW 2011, 402).

Dr. Jörg-Martin Schultze, Commeo LLP, Frankfurt am Main, berichtete über die Umsetzung der neuen Vertikal-GVO in der Vertragspraxis. Neben einigen Klarstellungen und der Angleichung der Terminologie (z.B. Anbieter und Abnehmer) sei der Nutzen der infolge der Änderungen bei den Freistellungsvoraussetzungen (z.B. Exklusivität trotz Lieferanten-/Anbieter-Verkäufe) und in den Vertikalen Leitlinien (vor allem internetbezogen) eingetretenen höheren Komplexität fraglich. Auch die Hinweise zur Legalausnahme wurden als wenig hilfreich bewertet, da die dezentrale Rechtsanwendung bei unklarer Rechtsqualität der Leitlinien keine Verlässlichkeit biete.

Dr. Johannes Zöttl, Jones Day, Frankfurt, widmete sich dem Thema „Schadensersatzklagen auf kartellrechtlicher Grundlage", also ähnlich wie Herr Dr. Herrlinger eher die Rechtsfolgenseite eines Verstoßes gegen das Kartellrecht beleuchtend. Allerdings ging es ihm im Wesentlichen um die Systematisierung von „public" (Prävention und Sanktion) - einerseits - und „private enforcement" (Kompensation) andererseits. Nach geltender Rechtslage seien die Betroffenen zu identifizieren und der Schadensersatz nach zivilrechtlichen Grundlagen zu berechnen. Damit hänge eine Vielzahl von Fragen zusammen, die sich v. a. aus den unterschiedlichen Prozessrechten in den betreffenden Rechtsordnungen ergäben. Bedeutsam sei die aktuelle Debatte um die „passing-on-defense", insbesondere die BGH-Entscheidung vom 26.06.2011, in Eckpunkten allerdings bislang nur bekannt durch eine Pressemitteilung des Gerichts. Mit Spannung werde auch die horizontal für Verbraucherschutz und Kartellrecht relevante Initiative der EU-Kommission zu Sammelklagen (Relevanz insbesondere für „Streuschäden") erwartet.

Die „Nachfragemacht im Handel" war das Thema von Dr. Andreas Gayk, Markenverband e. V., Berlin. Es habe in jüngerer Zeit wegen der Konsolidierung der Einzelhandelsmärkte an Bedeutung gewonnen, sei aber im Grunde genommen ein althergebrachtes Phänomen. Die Beurteilung der Lage sein nicht eindeutig. Während Kritiker der Ausübung der sog. Nachfragemacht nachteilige Auswirkungen befürchten, sähen andere in de Bündelung der Nachfrage Innovationsstimulanzen. Ein herkömmlicher Beurteilungsansatz stelle die Nachfragemacht als Korrektiv zur Angebotsmacht dar, während die neueren Sichtweisen auf individuelle Preis- oder Konditionenfolgen abstellten. Für die kartellrechtliche Beurteilung sei daher die genaue Analyse der „Ausweichmöglichkeiten" relevant: Sind bei Nachfragemachtbündelung Alternativen beim Bezug von Ware vorhanden? Erst bei Fehlen von Alternativen setze die Prüfung des Missbrauchs der Nachfragemacht ein. Insofern sei weiterhin größte Achtsamkeit bei der Fassung von § 20 Abs. 2 und 3 GWB geboten.

Herr Holger Dieckmann, GD Wettbewerb, EU-Kommission Brüssel, gab einen Überblick über Organisation und Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission. Zunehmend sähe sich die Generaldirektion Wettbewerb der Herausforderung ausgesetzt, mittlerweile 28 Wettbewerbsbehören innerhalb der EU zu koordinieren, aber auch eigene Akzente zu setzen. Ziel sei es, schwerwiegende Zuwiderhandlungen mit Auswirkung auf den Endverbraucher zu verhindern bzw. zu sanktionieren. Die Sachverhalte würden internationaler, die Heterogenität der zu berücksichtigenden Rechtsordnungen höher. Geübte bilaterale Beziehungen unterhalte die GD Wettbewerb mit den Behörden in den USA sowie mit Kanada, Japan, Korea, China, Brasilien und Russland. Die Netzwerke ECN und ICN seien wichtig. Mit seinem Überblick griff Dieckmann nochmals die in Einzelaspekten in den Vorträge zuvor erörterten Punkte auf und sortierte sie in die Praxis der GD Wettbewerb ein. An Bedeutung gewonnen hätten neben der Einzelfallbehandlung die sog. Sektoruntersuchungen für einzelne Märkte, die auch für die konkrete Fallbearbeitung Erkenntnisse bringen würden.