22.11.2011
EU-Kommission veröffentlicht (Best-practice-)Maßnahmenpaket zur Verbesserung von Kartellverfahren
EU
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https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2011:308:0006:0032:DE:PDF
https://ec.europa.eu/competition/antitrust/legislation/best_practices_submission_en.pdf https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:275:0029:0037:EN:PDF |
Die EU-Kommission hat am 17. Oktober 2011 ein Maßnahmenpaket veröffentlicht, das die das darauf abzielt, in Kartellverfahren die Zusammenarbeit mit den Parteien in Kartellverfahren zu verbessern und ihre Verfahrensrechte zu stärken. Schließlich soll die Rolle des Anhörungsbeauftragten in allen Phasen des Kartellverfahrens gestärkt werden. Die EU-Kommission hatte zu Vorentwürfen dieser Papiere im Januar 2010 ein Konsultation durchgeführt.
Es handelt sich um folgende Papiere:
1. Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen (best practices) bei Kartelluntersuchungen
2. Arbeitspapier (staff paper): Bewährte Vorgehensweisen für die Übermittlung wirtschaftlichen Beweismaterials
3. Entscheidung zur Rolle der Anhörungsbeauftragten in Kartelluntersuchungen
Weitere Einzelheiten und NeuereungeDie verabschiedeten Papiere enthalten im Vergleich zu den Vorentwürfen einige neue Elemente:
Zu 1) Bekanntmachung über bewährte Vorgehensweisen (best practices) bei Kartelluntersuchungen
Die Mitteilung gibt zum einen den bereits praktizierten „status quo" des Kartellverfahrens wieder (z.B. frühere Einleitung des förmlichen Verfahrens, Treffen zum Stand des Verfahrens in besonders wichtigen Verfahrensphasen, Offenlegung der Hauptunterlagen bereits in der Untersuchungsphase, öffentliche Bekanntgabe der Einleitung und des Abschlusses eines Verfahrens sowie der Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte, Orientierungshilfen zur praktischen Durchführung von Verpflichtungsverfahren). Zum anderen werden neue Elemente aufgenommen:
- Die Parteien sollen noch vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Einsicht in wesentliche Dokumente oder Studien, die durch Beschwerdeführer oder Dritte eingereicht wurden, erhalten können.
- Auch werden die Möglichkeiten von Beschwerdeführern oder Dritten, vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Zugang zu den „Hauptunterlagen" zu erhalten, erweitert.
- Die Treffen zum Stand des Verfahrens werden auf Kartellsachen ausgeweitet, und unter bestimmten Umständen werden auch die Beschwerdeführer einbezogen.
- In der Mitteilung der Beschwerdepunkte werden die Parteien über die wichtigsten Parameter für die Verhängung einer eventuellen Geldbuße informiert. Dazu gehören beispielsweise relevante Absatzzahlen oder die Angabe des Zeitraums, der für diese Zahlen herangezogen wurde.
- Beschlüsse über die Abweisung von Beschwerden werden vollständig oder als Zusammenfassung veröffentlicht.
- Bei einem Auskunftsverlangen der EU-Kommission soll der Schutz vor Selbstbezichtigung (allerdings nicht schrankenlos) gelten, und der Anhörungsbeauftragte kann auch in dieses Verfahren einbezogen werden.
- Bei Anträgen auf Berücksichtigung der Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens erläutert die Mitteilung, in welchem Stadium diese Anträge gemacht werden können und wie sie die Kommission beurteilen wird.
Zu 2) Arbeitspapier (staff paper): Bewährte Vorgehensweisen für die Übermittlung wirtschaftlichen Beweismaterials
In dem Papier (nur englisch) werden die Kriterien näher dargelegt, die die ökonomische und ökonometrische Analyse erfüllen sollte, wenn die Parteien der EU-Kommission umfangreiche Wirtschaftsdaten und empirische Studien, u.a. ökonomische Gutachten übermitteln. Weiter wird geschildert, wie die EU-Kommission mit diesen Daten und Studien im weiteren Verlauf umgeht. Damit sollen die Übermittlung und Bewertung derartigen Beweismaterials, das vielfach von der EU-Kommission selbst angefordert wird, vereinfacht und strukturiert werden.
Ferner haben die Dienststellen der Kommission in dem Papier ergänzende Erläuterungen zu Mindeststandards bei Konsumentenbefragungen aufgenommen.
Zu 3) Entscheidung zur Rolle der Anhörungsbeauftragten in Kartelluntersuchungen
- Anhörungsbeauftragte sollen künftig von Anfang an in die Untersuchungen involviert werden und nicht erst ab der offiziellen Mitteilung der Beschwerdepunkte.
- Sie sollen auch über Streitfragen zur Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Rechtsanwälten und Mandanten entscheiden(Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant, legal privilege).
- Sie werden tätig, wenn Unternehmen der Auffassung sind, nicht ausreichend über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren informiert worden zu sein.
- Die Rolle des Anhörungsbeauftragten bei der Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Anhörung wird gestärkt.
- Der Anhörungsbeauftragte erstellt während des gesamten Verfahrens, auch während der Untersuchungsphase, Berichte über die tatsächliche Ausübung der Verfahrensrechte.
- Er kann auch in Kartellverpflichtungsverfahren angerufen werden.
- Er wird tätig bei Meinungsverschiedenheiten über die Verlängerung von Fristen für die Antwort auf Auskunftsverlangen nach Artikel 18 Absatz 3 der Kartellrechtsverordnung 1/2003.