10.08.2011

BMWi veröffentlicht Eckpunkte für 8. GWB-Novelle und unterlässt missbrauchsunabhängige Entflechtung

Am 2. August 2011 hat der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, die schon seit längerem erwarteten Eckpunkte für eine 8. GWB-Novelle vorgelegt.

 

Anlass für die GWB-Novelle:

 

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 hatte eine Reihe von wettbewerbspolitischen Vorgaben für eine Novelle des Gesetzes

gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aufgezeigt. So sollten weitere Elemente der

europäischen Fusionskontrolle in das GWB übernommen werden. Das allgemeine

Wettbewerbsrecht sollte als Ordnungsrahmen grundsätzlich auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Anwendung finden (mittlerweile durch das AMNOG umgesetzt).  Zudem wurde eine "Entflechtungsregelung" im GWB als "ultima ratio" bei Kartellrechtsverstößen postuliert. In dem inoffiziellen Referentenentwurf über ein „Gesetz zur Einführung einer Entflechtungsbefugnis und eines Stellungnahmerechts des Bundeskartellamts in Gesetzgebungsverfahren“ aus dem letzten Jahr waren zwei Entflechtungstatbestände vorgesehen. Zum einen sollte eine Entflechtung unabhängig von kartellrechtlichen Verstößen möglich sein und schon dann greifen, wenn Unternehmen auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung marktbeherrschend sind und auf absehbare Zeit das Fortbestehen dieser Marktbeherrschung trotz der technischen und wirtschaftlichen Möglichkeit für Wettbewerb, zu erwarten ist („missbrauchsunabhängige Entflechtung“). Zum anderen sollte klargestellt werden, dass auch bei Zuwiderhandlung gegen GWB-Vorschriften oder das Kartell- und Missbrauchsverbot im europäischen Wettbewerbsrecht die Aufgabe von Abhilfemaßnahmen struktureller Art möglich ist.

 

Wesentlicher Inhalt der Eckpunkte:

 

Die Novelle zielt darauf ab, Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag vom Oktober 2009

umzusetzen und das GWB in den Bereichen der Fusionskontrolle, der Missbrauchsaufsicht,

der Bußgeldvorschriften und des Verfahrens bei Kartellverstößen effizienter zu gestalten. Insbesondere sollen die Unterschiede zwischen deutscher und europäischer Fusionskontrolle weiter verringert werden, um eine weitgehend gleichlaufende Beurteilung von Fusionsvorhaben auf deutscher und europäischer Ebene zu erreichen. Die Regelungen zur Missbrauchsaufsicht sollen einfacher,

verständlicher und damit anwenderfreundlicher gestaltet werden. Darüber hinaus soll die Position der Verbraucherverbände durch neue Klagerechte auf Unterlassung und Vorteilsabschöpfung gestärkt werden.

 

A.      Entflechtung

 

Minister Rösler hat nun von dem Vorhaben seines Amtsvorgängers Brüderle Abstand genommen, eine missbrauchsunabhängige Entflechtung einzuführen. Dieser Vorschlag war seinerzeit sowohl von der

Monopolkommission als auch vom Bundeskartellamt unterstützt worden. Die Wirtschaft, insbesondere der BDI, hatte sich gegen dieses Vorhaben ausgesprochen. Der BDI hatte bereits Anfang letzten Jahres darauf hingewiesen, dass ein missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument verfassungswidrig und auch aus wettbewerbspolitischen Gründen verfehlt wäre. Zuletzt wurde diese Auffassung durch ein auf Anregung des BDI entstandenes Rechtsgutachten der Tübinger Professoren Martin Nettesheim und Stefan Thomas, noch weiter gestützt.

 

Nun ist nur noch geplant, die Möglichkeit struktureller Maßnahmen, wie auch im EU-Recht verankert, bei kartellrechtswidrigem Verhalten vorzusehen. Solche Maßnahmen können Eingriffe in die Unternehmenssubstanz bis hin zur Entflechtung umfassen.

 

B. Die weiteren Eckpunkte sehen im Wesentlichen Folgendes vor:

 

Übernahme weiterer Elemente der europäischen Fusionskontrolle

 

-          Das Untersagungskriterium der EU-Fusionskontrolle, ob ein Zusammenschluss eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs bewirkt (so genannter SIEC-Test; Significant Impediment of Effective Competition), soll in das deutsche Recht übernommen werden.

-          Einführung einer Zusammenrechungsklausel bei der zweiten Inlandsumsatzschwelle.

-          Die Marktbeherrschungsvermutungen sollen beibehalten, jedoch insbesondere bei der Einzelmarktbeherrschung der Höhe nach angehoben werden.

-          Die Abwägungsklausel und die Ministererlaubnis sollen beibehalten werden.

-          Es wird überlegt, den Vollzug von Zusammenschlüssen bei öffentlichen Übernahmen wie im EU-Recht schon vor der Anmeldung zuzulassen.

-          Die Rechtsunsicherheit bei der Heilung der Unwirksamkeit bei Zusammenschlüssen wegen Verstoßes gegen das Vollzugsverbot soll beseitigt werden.

-          Die Bagatellmarktklausel soll wieder der materiellen Fusionskontrolle zugeordnet werden.

 

Missbrauchsaufsicht:

 

-          Die Systematik der §§ 19, 20 GWB soll neu geordnet werden. § 19 GWB soll nur noch die klassischen Marktbeherrschungstatbestände umfassen, und § 20 GWB soll sich auf den Missbrauch relativer Marktmacht beziehen.

-          Die bis Ende 2012 befristete Verschärfung des Verkaufs unter Einstandspreis im Lebensmittelhandel (§ 20 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GWB) sowie die Verschärfung des § 20 Abs. 3 GWB beim Verbot der Vorteilsgewährung sollen auslaufen.

-          Die Regelungen zur Preis-Kosten-Schere (§ 20 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 GWB) und die Preismissbrauchsaufsicht auf der Energieerzeugungsebene (§ 29 GWB) sollen hingegen über 2012 hinaus verlängert werden.

 

Kartellordnungswidrigkeiten/Bußgeldrecht:

 

-          Das Verfahren im Kartellordnungswidrigkeits- und Bußgeldrecht soll beschleunigt werden. So sollen einfachgesetzliche Aussageverweigerungsrechte und das Mündlichkeitsrecht eingeschränkt werden.

 

Beteiligung von Verbraucherschutzverbänden bei der privaten Kartellrechtsdurchsetzung

 

-          Es soll eine Klagebefugnis für Verbraucherverbände für Unterlassungsklagen, allerdings nicht für Schadenersatzklagen, eingeführt werden. Auch sollen diese Verbände eine Vorteilsabschöpfung vornehmen können.

-          Die Klagebefugnis soll nicht nur auf Verbände von horizontalen Wettbewerbern beschränkt bleiben, sondern auch auf die Marktgegenseite ausgedehnt werden (z.B. Markenverband).

 

Verfahren:

Der Referentenentwurf wird für den Herbst 2011 erwartet. Die Novelle soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.