28.11.2011

Almunia (EU-Kommission): “Developments in State aid policy” (Rede)

Der Vizepräsident der EU-Kommission und amtierende Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach am 11. November 2011 auf Einladung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Berliner Gesprächskreises zum Europäischen Beihilfenrecht im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin zu dem Thema „Developments in State Aid Policy" (Entwicklungen in der Beihilfenpolitik).

Finanz-/Wirtschafts-/Schuldenkrise

Almunia führte zunächst aus, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die aktuelle Schuldenkrise, die Rolle der Wirtschaft und der Beihilfenkontrolle nachhaltig verändert habe. Protektionismus sei nicht die richtige Antwort auf die Krise(n). Im Gegenteil, die Mitgliedstaaten müssten die Einheit des Binnenmarkts stärker schützen.

Zwischen Oktober 2008 und Dezember 2010 hätten die EU-Regierungen dem Finanzsektor staatliche Beihilfen in Höhe von 1,2 Billionen Euro gegeben. Der größte Anteil (757 Milliarden Euro) falle auf Garantien. 60 Prozent der gesamten Beihilfen seien in den drei großen Bankmärkten (Vereinigtes Königreich, Deutschland und Frankreich) konzentriert worden.

Die von der Kommission ergriffenen Krisenmaßnahmen in der Beihilfenpolitik hätten dafür Sorge getragen, dass durch die Beihilfenkontrolle Wettbewerbsverzerrungen minimiert worden seien und die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten einigermaßen im Gleichgewicht geblieben wären.

Almunia beschrieb noch einmal kurz das von der Kommission initiierte Krisenregime im Beihilfenrecht und eröffnete, dass er angesichts der neuen Schuldenkrise eher die Notwendigkeit sehe, das Krisenregime noch bis in das Jahr 2012 auszudehnen. Wichtig seien Maßnahmen zur Stärkung der Kapitalisierung von Banken und die Schulden der Banken durch Garantien abzusichern. Die Folgen der Krise auf die Realwirtschaft sei mit dem vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen (Temporary Framework) abgefedert worden. Unter diesem vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen habe die Kommission Staatsbeihilfen in Höhe von 81 Milliarden Euro genehmigt, von denen die Mitgliedstaaten in Höhe eines Viertels Gebrauch gemacht hätten

Überarbeitung des Altmark-Pakets:

Das neue Maßnahmenpaket der EU-Kommission zur Überarbeitung der Anwendung der Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sollen den Mitgliedstaaten und Kommunen helfen, klügere, und effizientere Dienstleistungen anzubieten und Europas öffentliche Dienstleistungen in Zeiten der Finanzkonsolidierung zu verteidigen. Zum einen hob Almunia seinen diversifizierten Ansatz bei der Behandlung verschiedener Arten von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse hervor. In dem Zusammenhang beabsichtige die Kommission, eine de-minimis-Regelung für rein lokale Dienstleistungen kleineren Umfangs einzuführen, um die Arbeit der Kommissionsdienststellen zu entlasten und auf die Überprüfung problematischerer Ausgleichszahlungen mit potenziell wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen zu konzentrieren. Zum anderen hob Almunia hervor, dass weitgehende Ausnahmeregelungen für soziale Dienstleistungen vorgesehen seien. Derzeit würden nur Krankenhäuser und der soziale Wohnungsbau nicht unter die Notifizierungspflicht fallen. Almunia kündigte an, dass das Maßnahmenpaket noch in diesem Jahr verabschiedet werden solle.

Umweltschutz:

Almunia kündigte an, dass er zu Jahresbeginn neue Beihilfeleitlinien im Zusammenhang mit dem 2013 in Kraft tretenden überarbeiteten Emissionshandelssystem verabschieden würde. Diese Maßnahme erachtete Almunia als essentiell, da sich die Kosten für den Umweltschutz bislang noch nicht ausreichend in den Preisen von Waren- und Dienstleistungen widerspiegelten. Da die CO2 Emissionsrechte in den Strompreis eingepreist werden würden, werde der Strompreis steigen und europäische Unternehmen könnten dadurch Anreizen ausgesetzt werden, ihre Tätigkeiten in andere Teile der Welt zu verlagern (Carbon Leakage). Daraus resultiere Handlungsbedarf für die EU. Allerdings müsste eine zu starke Belastung anderer Sektoren ausgeschlossen werden. Deshalb dürften nicht sämtliche Kosten kompensiert werden, sondern nur ein Teil, damit Anreize bestehen blieben, Innovationen zu schaffen, Energie zu sparen und saubere Energielösungen zu verlangen. Auch müssten die neuen Beihilfeleitlinien Subventionswettläufe innerhalb der EU ausschließen.

Weitere Beihilfevorhaben der EU-Kommission:

Überarbeitete Regionalhilfeleitlinien sollen Anfang 2013 verabschiedet werden. Ende des Jahres würde eine Konsultation zu neuen Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr starten. Desgleichen stehe die Überarbeitung der Luftverkehrsleitlinien (EU-Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen) bevor. Diese Leitlinien sollen im Sommer 2012 verabschiedet werden. Darüber hinaus sollen im nächsten Jahr neue Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien für Unternehmen vorgelegt werden, denen zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien für Banken folgen würden.

Zukünftige Beihilfenpolitik:

Almunia kündigte an, sich künftig auf diejenigen Beihilfen konzentrieren zu wollen, die den Wettbewerb am stärksten behinderten. Auch sollen die Beihilferegeln weitere Klarstellungen enthalten und vereinfacht werden. Ein weiterer Ansatz könnte sein, künftig proaktiv mehr ex-officio-Untersuchungen durchzuführen.