10.05.2011

Almunia (EU-Kommission): “Cartels: the priority in competition enforcement” (Rede)

Der Vizepräsident der EU-Kommission und amtierende Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sprach am 14. April 2011 über das Thema „Kartelle: Die Priorität der Kartellrechtsdurchsetzung ("Cartels: the priority in competition enforcement") anlässlich der 15. Internationalen Kartellkonferenz des Bundeskartellamts, die unter dem Motto „Schlaglicht Kartellbekämpfung" stand. 

Almunia ging in seiner Rede näher auf das Verhältnis zwischen Prävention und Repression ein und stellte dabei die Maxime auf" Prevention when possible, repression when necessary".

Almunia stellte klar, dass es sei auch für die Kommission ein erstrebenswertes Ziel sei, eine Compliance-Kultur bei den Unternehmen zu fördern, um das Risiko für Sanktionen insgesamt zu minimieren. Er führte weiter aus, wie die Kommission die Etablierung von Compliance-Programme unterstützt, nämlich durch die Bekanntgabe der EU-Wettbewerbsregeln und deren Anwendung, durch Konsultationsprozesse im Hinblick auf Leitlinien und andere Bekanntmachungen und durch die verbale Ermutigung, Compliance-Programme einzurichten und Schulungen durchzuführen.

Almunia wies noch einmal (wie in anderen Reden zuvor) deutlich - auch in der anschließenden Diskussion - darauf hin, dass die bloße Existenz eines Compliance-Programms keinen bußgeldmindernden Umstand bedeuten könne. Das Begehen eines Wettbewerbsverstoßes zeige, dass das Compliance-Programm versagt habe; hierfür könne keine „Belohnung" erwartet werden. Der wesentliche Nutzen eines Compliance-Programms erschöpfe sich gerade darin, keinen Wettbewerbsverstoß zu begehen.

Abstriche bei der Kartellbekämpfung wollte Almunia nicht machen. Er verteidigte die aktuellen Bußgeldhöhen und wies darauf hin, dass ein wesentliches Ziel der EU-Bußgeldpolitik in der „optimalen Abschreckung" liege. Im vergangenen Jahr habe die Kommission Bußgelder von insgesamt fast drei Milliarden Euro (in sieben Kartellfällen) verhängt.

Almunia gab erstmalig öffentlich bekannt, dass die Kommission dennoch einige Änderungen plane, um die Kartellbekämpfung zu verbessern. So wolle er den beschuldigten Unternehmen künftig bereits früher als bisher Anhaltspunkte über die Kalkulation des zu erwartenden Bußgelds mitteilen, und zwar zum einen mit der Versendung der Beschwerdepunkte und zum anderen im Rahmen von Vergleichsverfahren; mittlerweile habe die Kommission drei Vergleichsverfahren geführt. Vorstellbar sei beispielsweise die frühe Mitteilung von Informationen über die Größenordnung der kartellbefangenen Verkäufe und Anhaltspunkte über die Schwere der Tat oder einer etwaigen Wiederholungstäterschaft. Mit dieser neuen Informationspolitik soll die Fehleranfälligkeit von Kommissionsentscheidungen weiter verringert werden.

Zur Handhabung des Kriteriums der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Ziff. 35 der Bußgeldleitlinien („inability to pay") gab Almunia an, dass die Kommission in den Jahren 2008 und 2009 neun Anträge auf Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhalten habe; im letzten Jahr seien es allerdings 32 Anträge (von 69 bebußten Unternehmen) gewesen, von denen neun substantiiert gewesen seien und zu Bußgeldermäßigungen geführt hätten. In einem Ausnahmefall, in dem die Haftungsfrage für einen Kartellverstoß im Verhältnis von Muttergesellschaften und ihren Töchtern weit auseinanderklaffte, sei ein Bußgeld - so Almunia - zudem aus Gründen der Proportionalität und der Effektivität reduziert worden.

Zuletzt ging Almunia noch auf Aspekte der internationalen Zusammenarbeit bei der Kartellbekämpfung ein. Angesichts der Diversität der verschiedenen Rechtssysteme, die zu respektieren seien, sollten die Behörden zu einer pragmatischen Form der Zusammenarbeit finden.