05.07.2010

TU Braunschweig legt kritisches Arbeitspapier zur Entflechtung vor

Das Institut für Rechtswissenschaften der TU Braunschweig hat im Juni 2010 ein Arbeitspapier (Heft 4) zum Thema „Entflechtungen von Unternehmen als Instrument des allgemeinen Wettbewerbsrechts? Zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Entflechtungsbefugnis vom 8. Januar 2010" von Prof. Andreas Klees und Dr. Sebastian Max Hauser vorgelegt. In den Rechtswissenschaftlichen Arbeitspapieren werden regelmäßig aktuelle rechtliche und rechtspolitische Fragestellungen aufgegriffen.

Anknüpfungspunkt für die Untersuchung ist der inoffizielle Referentenentwurf vom 8. Januar 2010 zu einem „Gesetz über die Einführung einer Entflechtungsbefugnis und eines Stellungnahmerechts des Bundeskartellamtes in Gesetzgebungsverfahren", den das Bundeswirtschaftsministerium an einige Ressorts versandt hatte. Inzwischen wurde ein überarbeiteter Referentenentwurf vom 5. Mai 2010 bekannt, der von dem Arbeitspapier punktuell ebenfalls kommentiert wird.

Die Autoren des Arbeitspapiers äußern sich skeptisch und kritisch gegenüber der propagierten Einführung einer "zuwiderhandlungsunabhängigen Entflechtung", die an kein kartellrechtswidriges oder missbräuchliches Verhalten anknüpft, sondern allein auf die marktbeherrschenden Stellung von Unternehmen abstellt. Die Autoren bemängeln insbesondere, dass der Referentenentwurf offensichtlich übereilt verfasst wurde, ohne dass vorher eine „intensive Prüfung und Abwägung aller denkbaren Ansätze zur Lösung oder Vermeidung identifizierter strukturbedingter Wettbewerbsprobleme" vorgenommen worden sei. Es fehle schon an einer sorgfältigen Analyse der Ausgangssituation und der Problematik. Auch wird dem Ministerium vorgeworfen, es habe sich nicht ergebnisoffen mit der Entflechtungsproblematik befasst.

Ebenfalls werden Zweifel geäußert, ob die „zuwiderhandlungsunabhängige Entflechtung" überhaupt ein wirksames Mittel sei, strukturelle Wettbewerbsprobleme zu lösen. Die Autoren sprechen sogar von einem „Placebo" und einem „Fremdkörper". Die Autoren mahnen gar, Systemkonformität und Ordnungspolitik „nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen".  Gleichzeitig betonen sie, dass konkrete Anwendungsfälle nicht ersichtlich seien und deshalb auch kein „Abschreckungseffekt" herbeigeführt werden könne. Sie geben zudem zu bedenken, dass die Entflechtungsregelung ein großes Gefahrenpotential berge und sie sogar geeignet sei, „dem Industriestandort Deutschland Schaden zuzufügen". Alles in allem halten die Autoren nicht hinter dem Berg, dass sie die „zuwiderhandlungsunabhängige Entflechtungsregelung" für eine verfehlte Regelung halten. Verfehlt sei auch, dass hier eine rein nationale Regelung angestrengt werde anstatt eine europäische Lösung (für welches  Problem?) zu suchen.

Sollte an der „zuwiderhandlungsunabhängigen Entflechtungsregelung" gleichwohl festgehalten werden, bedürfe es, so die Autoren, einer Präzisierung der Vorschriften und einer Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Monopolkommission. Diese Diskussion stehe noch aus.