07.12.2010

Shapiro (DOJ): “Update from the Antitrust Division” (Rede)

In einer Rede vor der American Bar Associaton Section of Antitrust Law Fall Forum am 18. November 2010 berichtete Carl Shapiro, Deputy Assistant Attorney General for Economics, Antitrust Division, U.S. Department of Justice (DOJ) über neueste Entwicklungen im amerikanischen Justizministerium ("Update from the Antitrust Division").

Kriminalstrafen:

In 2010 (bis Ende September 2010) hat das DOJ 60 strafrechtlich relevante Kartellfälle anhängig gemacht, und es wurden Kriminialstrafen in Höhe von 550 Mio. USD verhängt. 84 Unternehmen und Individuen waren davon betroffen. Bei den individuellen Kriminalstrafen sind 76 Prozent als Gefängnisstrafen verhängt worden. Im Durchschnitt betrugen die Gefängnisstrafen 30 Monate. Für alle Betroffenen betrug die Gefängnisdauer zusammengerechnet insgesamt 26.000 Tage. Auch Angeklagte mit Wohnsitz außerhalb der Vereinigten Staaten wurden zu Gefängnisstrafen (von durchschnittlich 10 Monaten Dauer) verurteilt. Das DOJ will künftig verstärkt Kartelltäter mit Wohnsitz außerhalb der Vereinigten Staaten zur Verbüßung von Gefängnisstrafen in den USA heranziehen.

Entscheidend für die Kartellverfolgung sei das Kronzeugenprogramm (Leniency Programm). Nicht zuletzt zu diesem Zweck ermutige das DOJ die Unternehmen, umfassende und weitgehende Compliance-Programme zu etablieren und Schulungen durchzuführen, um Verstöße gegen das Kartellrecht zu verhindern und aufzudecken.

Competition Advocacy:

Als „Competiton Advocacy" werden die Bestrebungen zur Förderung des Wettbewerbsgedankens genannt, die über die Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen  hinausgehen. Das Justizministerium war dabei in verschiedenen Bereichen, wie z.B. im Telekommunikations-, Finanzmarkt-, Agrar-, Patent- und Gesundheitssektor aktiv tätig.

Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse ("Horizontal Merger Guidelines"):

Shapiro beschrieb den Werdegang und historischen Kontext der überarbeiteten Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse ("Horizontal Merger Guidelines"), die die U.S. Federal Trade Commission (FTC) und das Department of Justice (DoJ) im August vorgelegt hatten. Vorrangiges Ziel bei der Überarbeitung sei es gewesen, mehr Transparenz dahingehend zu schaffen, wie die Behörden horizontale Zusammenschlüsse bis dahin bewertet hätten. Das Feedback nach Veröffentlichung der Leitlinien sei eine Bestätigung dessen gewesen, dass dieses Ziel erreicht worden sei. Die Leitlinien sollen zum einen für die Unternehmen und ihre Rechtsbeiständen und zum anderen für die Gerichte einen Anhaltspunkt und eine Auslegungshilfe bei der Beurteilung horizontaler Zusammenschlüsse bieten. Nicht zuletzt seien sie auch für die Behörden selbst ein wichtiges Mittel, um konsistente Entscheidungen herbeizuführen. Auch könnten die Leitlinien gegenüber anderen Jurisdiktionen Konvergenz fördernd sein und die Entwicklung von „best practices" vorantreiben.

Weiter verteidigte Shapiro die Leitlinien gegenüber ihren Kritikern: Die Definition des Marktes sei nach wie vor ein nützliches Konzept, auch wenn sie nicht mehr oft den Ausgangspunkt der Prüfung von Zusammenschlussvorhaben bilde. Wichtiger sei der Nachweis nachteiliger Wirkungen auf den Wettbewerb geworden. Es sei nicht richtig, dass die Anwendung der Leitlinien zu einer engeren Marktbestimmung führe. Die Leitlinien würden denselben "hypothetischen Monopolisten"-Test wie zuvor verwenden; lediglich die dessen Anwendung in der Praxis werde detaillierter dargestellt.

Gegenüber dem Argument, die Leitlinien erschwerten die Vorhersehbarkeit der Bewertung eines Zusammenschlussvorhabens durch die Behörden, wandte Shapiro ein, die Leitlinien ermöglichten eine akkuratere Einschätzung, wie die Behörden einen horizontalen Zusammenschluss bewerten würden; dadurch würde eine etwaige bestehende Unsicherheit zumindest nicht vergrößert.

Auch seien die „safe harbours" bei der Bestimmung von Marktkonzentration mit Hilfe des Herfindahl-Hirschman Index (HHI) in Fällen mit unilateralen Effekten nicht abgeschafft worden. Tatsächlich seinen die Schwellenwerte erhöht worden.  Fast jeder horizontale Zusammenschlussfall der letzten Jahre habe unilaterale Effekte gehabt. In den neuen Leitlinien werde näher ausgeführt, wie die Behörden „unilaterale Effekte" messen und bewerten. Einen „safe harbour" anhand bestimmter Marktanteile gebe es nicht und habe es - so Shapiro - auch zuvor nicht gegeben.

Die Leitlinien hätten das Konzept der „koordinierten Effekte" nicht geändert, enthielten aber einige erläuternde Ausführungen, wie z.B. zum "parallel accommodating conduct"; hierunter fiele beispielsweise eine Preisführerschaft, die auch zu einer Verminderung des Wettbewerbs (lessening of competition) führen könne.

Shapiro betonte schließlich, dass die Leitlinien ebenfalls Innovationseffekten einen größeren Stellenwert einräumten als das bisher der Fall gewesen sei. Dies solle der Bedeutung, die Innovation insgesamt für den Wettbewerb habe, Rechnung tragen.