03.08.2010

Monopolkommission veröffentlicht 18. Hauptgutachten „Mehr Wettbewerb, wenig Ausnahmen“

Die Monopolkommission hat am 13. Juli 2010 dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ihr Achtzehntes Hauptgutachten mit dem Titel „Mehr Wettbewerb, wenig Ausnahmen" überreicht. Einen Tag später, am 14. Juli 2010, stellte der Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Justus Haucap, das Gutachten im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt.

In eigener Sache teilt die Monopolkommission zunächst mit, dass das Kommissionsmitglied Peter-Michael Preusker, der bei dem Sondergutachten zu den Entflechtungsvorschlägen mit einem Minderheitsvotum aufgefallen war, mit Ablauf seiner zweiten Amtsperiode

am 30. Juni 2010 aus der Monopolkommission ausgeschieden sei. An seine Stelle habe der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung, Dr. Thomas Nöcker berufen. Dr. Nöcker ist Mitglied des Vorstands der K+S Aktiengesellschaft. Die Mitgliedschaft des Vorsitzenden der Monopolkommission, Prof. Dr. Justus Haucap, die am 30. Juni 2010 zu Ende ging, ist für eine zweite Amtszeit verlängert worden.

Zum Hauptgutachten:

Die Hauptgutachten erscheinen alle zwei Jahre und geben den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration wieder und gehen auf die kartellrechtliche Entscheidungspraxis sowie aktuelle wettbewerbspolitische Entwicklungen ein. In ihrem 18. Hauptgutachten hat sich die Monopolkommission unter anderem mit folgenden Bereichen beschäftigt:

Regulierung der Wasserwirtschaft (Kurzfassung des Gutachtens: S. 1 f, Langfassung des Gutachtens: S. 1-8 )

Das momentane Nebeneinander aus privatrechtlicher Festsetzung von Wasserpreisen einerseits und öffentlich-rechtlicher Gebührenfestlegung andererseits stellt aus Sicht der Monopolkommission ein ernst zu nehmendes Problem der faktischen Ungleichbehandlung an sich gleicher Sachverhalte dar. Die Monopolkommission empfiehlt, die teilweise sehr kleinteilige Struktur der deutschen Wasserversorgung kurzfristig einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Auch sei die faktische Ungleichbehandlung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Wasserversorgern abzustellen. Die Trinkwasserversorgung solle zudem einer sektorspezifischen Regulierung unter Aufsicht der Bundesnetzagentur unterstellt werden. Die Monopolkommission regt auch an, vermehrt Ausschreibungswettbewerbe für die Wasserversorgung durchzuführen. Zu diesem Zweck sei sinnvollerweise zwischen dem Leitungsnetz und dem Betrieb zu unterscheiden, wobei der Betrieb ausgeschrieben werden könne.

Regulierung von Apotheken (Kurzfassung: S. 2 f, Langfassung: S. 9-19)

Anstelle einer vollständigen Deregulierung des Einzelhandels mit Arzneimitteln plädiert die Monopolkommission vielmehr für einen „sanften" Preiswettbewerb auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dies soll erreicht werden durch den Wegfall der vorgeschriebenen Zuzahlung bei gesetzlich versicherten Patienten sowie der heute geltenden Packungspauschale bei gleichzeitiger Übernahme eines durch die Apotheke selbst in Grenzen festzulegenden Entgelts für die Dienstleistung der Apotheke. Zudem sollte das Fremd- und Mehrbesitzverbot bei Apotheken aufgehoben und das Betreiben von Apotheken durch Kapitalgesellschaften ermöglicht werden unter gleichzeitiger vorübergehender Verschärfung der Fusionskontrolle bei Apotheken zur Verhinderung der Herausbildung regionaler Monopolstellungen.

Geplante Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (Kurzfassung: S. 4 f, Langfassung: S. 20-26)

Die Monopolkommission spricht sich gegen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Regulierung in der Telekommunikationsbranche aus, da sich der gegenwärtige Rechtsrahmen im Wesentlichen bewährt habe. Bei den zwingend gebotenen Änderungen des Telekommunikationsgesetzes empfiehlt die Monopolkommission eine möglichst enge Orientierung an den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die TKG-Novellierung solle darüber hinaus zeitnah erfolgen, um den schnellen Ausbau der Breitbandnetze zu ermöglichen.

Neue Kooperationswege mit dem Statistischen Bundesamt bei der Erstellung der Konzentrationsstatistik (Kurzfassung: S.5-9, Langfassung: S. 27-54 )

Bei der Konzentrationsberichterstattung plant die Monopolkommission eine grundlegende Modernisierung, da die wirtschaftspolitischen Interpretationsmöglichkeiten der „klassischen" Berichterstattung weiterhin stark begrenzt seien. Diese würde zum einen die Internationalisierung vieler Märkte nicht berücksichtigen können, und zum anderen seien die finanziellen und personellen Analysekapazitäten der Monopolkommission angesichts gewachsener Datenmengen zu begrenzt. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) werde ein Gutachten zum Zwecke der Entwicklung einer neuen konzeptionellen Grundlage für die zukünftige Konzentrationsberichterstattung.

Insgesamt stellt die Monopolkommission hinsichtlich des Anteils der Großunternehmen an der Gesamtwertschöpfung eine tendenziell abnehmende Konzentration fest. Eine Zunahme der Konzentration gegenüber der Vorperiode konnte nur im Versicherungsgewerbe festgestellt werden. Außerdem lässt sich seit 1996 eine fortschreitende Auflösung des Netzwerks aus wechselseitigen Beteiligungsverflechtungen und personellen Unternehmensverbindungen unter den „100 Größten" beobachten. Darüber hinaus hat die Monopolkommission erstmals den Stand und die Bedeutung personeller Verflechtungen zwischen Unternehmen in den Staaten der OECD ausgewertet. Die Befunde deuteten darauf hin, dass personelle Verflechtungen, gemessen an der Umsatzrendite, einen positiven Effekt auf die Wettbewerbsposition der beteiligten Unternehmen hätten.

Auswirkungen der Organisation des Arbeitsmarktes auf Produktmärkte (Kurzfassung: S. 35-40, Langfassung: S. 373-424)

Dieser Abschnitt betrifft die wettbewerblichen Auswirkungen des deutschen Tarifsystems und der Festsetzung von Mindestlöhnen auf die nachgelagerten Produktmärkte sowie das Phänomen der Spartengewerkschaften. Die Monopolkommission weist darauf hin, dass die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß Tarifvertragsgesetz und Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine erhebliche staatliche Regelungskonkurrenz für die Tarifparteien darstellt und somit zu einer Schwächung der Tarifautonomie führen könne. Sie spricht sich insbesondere dagegen aus, dass bestehende Tarifverträge durch Rechtsverordnung verdrängt werden dürfen. Aus ordnungspolitischer Sicht plädiert sie jedoch für eine starke Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.

Auch seien Mindestlöhne ökonomisch deshalb nicht unproblematisch, weil sie erhebliche negative Auswirkungen auf den nachgelagerten Produktmarkt haben können. Mittels eines Mindestlohns auf der Basis des Mindestarbeitsbedingungengesetzes würde eine Erhöhung der Arbeitskosten in dem jeweiligen Wirtschaftszweig bewirkt. Dies sei besonders für neue Marktteilnehmer problematisch. Eine solche Beschränkung des Lohn- und Produktwettbewerbs sei aus wettbewerblicher Perspektive abzulehnen, weshalb die Monopolkommission die Abschaffung der Möglichkeit, Mindestarbeitsentgelte nach dem Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen festsetzen zu können, befürwortet.

Die Monopolkommission erachtet es auch als dringliche Aufgabe des Gesetzgebers und der Arbeitsgerichtsbarkeit an, Instrumente zur Einhegung der faktisch bereits wirksamen Tarifpluralität zu entwickeln. In Bezug auf Spartengewerkschaften, die oftmals über eine große Verhandlungsmacht verfügten, schlägt sie vor, der Problematik durch zeitlich synchronisierte Tarifverhandlungen, verbindliche Kooperationspflichten, ein umfassendes Aussperrungsrecht, zwingend vorzuschaltende Schlichtungsverfahren und eine Anwendung der Missbrauchsaufsicht zu begegnen.

Wettbewerbliche Rahmenbedingungen für die gesetzliche Krankenversicherung (z.B. effiziente Organisation des Leistungsangebots, Regulierung des Beitragssatzes, Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen)(Kurzfassung: S. 40-46, Langfassung: S. 433-501 )

Die Monopolkommission sieht Perspektiven für mehr Wettbewerb und Effizienz in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie empfiehlt, die Abrechnung der erbrachten Leistungen von den kassenärztlichen Vereinigungen auf die Krankenkassen zu verlagern. Die Kassen sollten zudem das Recht erhalten, die Patienten über die abgerechneten Leistungen zu informieren. Die Monopolkommission sieht darüber hinaus den Schlüssel zu mehr Wettbewerb in der ärztlichen Versorgung in selektivvertraglichen Leistungsbereichen. Problematisch sei jedoch, dass bei vielen Versorgungsformen eine Zusammenarbeit der Vertragspartner auf beiden Seiten ausdrücklich vorgesehen sei, was zu einer Vermachtung beider Marktseiten und zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen könne. Die Monopolkommission fordert deshalb, die gesetzliche Möglichkeit einer Kooperation der Vertragspartner zu streichen und damit klarzustellen, dass - wie in anderen Branchen - jede Form der Kooperation von Vertragspartnern nur im Rahmen der geltenden kartellrechtlichen Regelungen zulässig sei. Ein weiteres Problem auf dem Weg zu mehr Selektivverträgen siedelt die Monopolkommission in dem System des Budgetausgleichs an. Hier müssten die Krankenkassen die Voraussetzungen für den Abschluss von Selektivverträgen genau kalkulieren können.  Die Monopolkommission ist zudem der Ansicht, dass der Preis ein unverzichtbarer Wettbewerbsparameter sei, der den Kassen für das Angebot ihrer Versicherungsleistung vollumfänglich zur Verfügung stehen müsse. Der Beitragssatz müsse den Versicherten deshalb einen möglichst transparenten und einfachen Vergleich zwischen den verschiedenen Kassentarifen ermöglichen.

Im Hinblick auf einkommensunabhängige Beiträge schlägt die Monopolkommission als Zwischenschritt vor, sich zunächst auf die wettbewerblichen Vorteile eines einkommensunabhängigen Beitragsanteils zu konzentrieren und diesen einzuführen. Auch plädiert die Kommission für einen besseren Schutz des Wettbewerbs im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie schlägt vor, die Vorgaben aus dem SGB V an ein Leitbild anzupassen, wonach ein wettbewerbliches Verhältnis der Kassen solange die Regel sei, wie der besondere Versorgungsauftrag der Kassen keine spezifischen Ausnahmen gebiete. Wünschenswert wäre es zudem, wenn sich der Patient zwingend an den von ihm verursachten Kosten, etwa durch Eigenbeteiligungen, beteiligen müsse.

Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle

Im Bereich der Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle geht die Monopolkommission auf einige bedeutsame wettbewerbspolitische Entwicklungen ein. So erwähnt sie, dass im Zuge der Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise keine krisenbedingten Kartellierungen oder Marktmachtmissbräuche bekannt geworden seien. Auch sei es nicht zu Sanierungsfusionen gekommen. Des Weiteren sei die Erfassung und Bewertung von Nachfragemacht im Berichtszeitraum Gegenstand mehrerer Verfahren gewesen.

Für den Bereich der Fusionskontrolle wird festgestellt, dass die Zahl der Anmeldungen von Zusammenschlüssen beim Bundeskartellamt ganz erheblich zurückgegangen sei, wobei dieser Rückgang nur zu einem Teil auf die konjunkturelle Situation zurückzuführen sei. Erhebliche Wirkung habe daneben die Einführung einer zweiten Inlandsumsatzschwelle für die Fusionskontrolle gehabt. Daneben habe die Bagatellmarktklausel teilweise sehr umfangreiche Rechtsstreitigkeiten zur Folge gehabt. In dem Zusammenhang empfiehlt die Monopolkommission die Einführung einer gesetzlichen Zusammenrechnungsvorschrift. Den Bestrebungen der Europäischen Kommission, die nationalen Fusionskontrollrechte zu harmonisieren, erteilt die Monopolkommission hingegen eine Absage. Vielmehr sei eine Harmonisierung von Seiten der einzelnen Mitgliedstaaten vorzuziehen, wie sie derzeit mit der geplanten Achten GWB-Novelle angestrebt werde.