09.01.2010

Monopolkommission konstatiert stagnierende Wettbewerbssituation auf den Briefmärkten und spricht detaillierte Handlungsempfehlungen aus

Als miserabel beurteilt die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten „Post 2009: Auf Wettbewerbskurs gehen“ die Wettbewerbsentwicklung auf den Briefmärkten. Die am 1. Januar 2008 durch den Wegfall der Exklusivlizenz für Briefe bis 50 Gramm für die Deutsche Post AG (DPAG) formal erfolgte Liberalisierung sei erwartungsgemäß durch den Erhalt der Mehrwertsteuerbefreiung für die Deutsche Post AG und die Einführung des Mindestlohns für Briefzusteller konterkariert worden. Auch die Regulierung spiele der Post in die Hände. Das Porto für Privatkunden sei zu hoch, und im Geschäft mit Großkunden fehlten der Bundesnetzagentur die Ermittlungsbefugnisse, um einen Marktmissbrauch durch Dumpingpreise wirksam zu verhindern. Die Marktdominanz der DPAG im Briefbereich sei nicht nur erhalten geblieben, sondern habe sich sogar noch verstärkt.  

Sehr detailliert fallen denn auch die Handlungsempfehlungen zur Förderung des Wettbewerbs im Postsektor aus, die die Monopolkommission in ihrem Gutachten ausspricht:

Mindestlöhne im Briefbereich
•    Streichung des § 2 Abs. 2 Nr. 5 PostG hinsichtlich der Berücksichtigung sozialer Belange als Regulierungsziel; Streichung des § 6 Abs. 3 Nr. 3 PostG hinsichtlich des Erfordernisses der Einhaltung der im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen (sog. Sozialklausel). Alternativ: Veränderung des § 6 Abs. 3 Nr. 3 PostG dahingehend, dass die Löhne, die für vergleichbare Tätigkeiten am gleichen Ort gezahlt werden, als Maßstab genommen werden
•    Zurückstellung der Ahndung von Verstößen gegen die Postmindestlohnverordnung bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage; Verzicht auf den Erlass einer neuen Postmindestlohnverordnung auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in der Fassung von 2009 nach Ablauf der bestehenden Rechtsverordnung (befristet bis zum 30. April 2010)
•    Anhörungsrecht für das Bundeskartellamt bei jeder Form der Allgemeinverbindlicherklärung durch den Bundesarbeitsminister zu der Frage, welche Auswirkungen auf den Wettbewerb auf den betreffenden Produktmärkten zu erwarten sind

Umsatzbesteuerung von Postdienstleistungen
•    Kurzfristig: Anpassung der Steuerbefreiungsvorschrift dahingehend, dass alle Universaldienstleistungen nach nationalem Universaldienstkatalog erfasst sind, die von öffentlichen oder privaten Unternehmen angeboten werden, welche sich verpflichten, den gesamten Universaldienst oder einen Teil dessen flächendeckend zu erbringen
•    Mittelfristig: Initiative auf europäischer Ebene für eine baldige Verabschiedung des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission vom 5. Mai 2003, welcher eine Mehrwertsteuerpflicht für sämtliche Postdienstleistungen vorsieht (Änderung der Richtlinie 77/388/EWG). Dies beinhaltet eine wettbewerblich neutrale Lösung der Besteuerung von Postdienstleistungen, die sicherstellt, dass alle Anbieter für die gleichen Dienstleistungen steuerlich gleich behandelt werden, auch wenn sie nur lokal oder regional tätig sind.

Ex-ante- und Ex-post-Entgeltregulierung
•    Streichung des § 20 Abs. 2 Satz 2 PostG und des § 3 Abs. 4 Satz 3 PEntgV, damit künftig die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung der einzige relevante Maßstab für die Entgeltregulierung sind. Damit entfällt die Möglichkeit, Mehrkosten für die Erbringung des Universaldienstes, die Einhaltung der im lizenzierten Bereich üblichen Arbeitsbedingungen und Sonderlasten aus der Rechtsnachfolge der Deutschen Bundespost anzuerkennen. Bisher berücksichtigt die Bundesnetzagentur solche Zusatzkosten bei der Entgeltbemessung, macht aber keine Angaben darüber, in welcher Höhe diese Kosten angesetzt werden.
•    Veränderung der Maßgrößen der Price-Cap-Regulierung: Absenkung des Ausgangsentgeltniveaus und Erhöhung des X-Faktors für die laufende Regulierungsperiode; Entwicklung eines nachvollziehbaren Konzepts zur Ermittlung des X-Faktors analog zur Vorgehensweise bei der Vorbereitung der Anreizregulierung in der Energiewirtschaft
•    Implementierung einer dem § 38 Abs. 1 TKG entsprechenden Regelung im Postgesetz hinsichtlich der Anzeigepflicht für Entgelte zwei Monate vor Inkrafttreten bzw. sofort nach Vertragsschluss (bei Individualvereinbarungen) zur Stärkung der Ermittlungsbefugnisse der Bundesnetzagentur. Alternativ: Ausdehnung des § 30 PostG auf Verträge über End-to-End-Dienstleistungen, d.h. Vorlagepflicht für Verträge innerhalb eines Monats nach Vertragsschluss
•    Implementierung einer dem § 42 Abs. 4 Satz 1 TKG entsprechenden Regelung im  Postgesetz, damit Dritte ein Antragsrecht zur Eröffnung von Verfahren zur Untersuchung von etwaigem Marktmachtmissbrauch durch die Bundesnetzagentur erhalten
•    Implementierung eines analytischen Kostenmodells zur Begrenzung der Informationsasymmetrien bei der Kontrolle von Entgelten bzw. Rabatten marktbeherrschender Anbieter; Entwicklung von Kriterien zur Beurteilung individueller Rabattvereinbarungen Vergabe von Postdienstleistungsaufträgen durch öffentliche Stellen
•    Erweiterung der Kompetenzen der Bundesnetzagentur auf die Beratung öffentlicher Auftraggeber hinsichtlich der Formulierung wettbewerbsneutraler Ausschreibungsbedingungen
•    Beschränkung der Regulierung im Bereich der Postzustellungsaufträge auf eine Ex-post-Entgeltkontrolle für die Angebote marktbeherrschender Unternehmen

Der Bund als Anteilseigner und Wettbewerbshüter
•    Schnellstmögliche Trennung von allen Finanzinstrumenten, die dazu führen, dass der Bund ein finanzielles Interesse an der Gewinnsituation der DPAG hat. Alternativ: Verbleib etwaiger Gewinne aus dem Verkauf der Anteile bei der KfW Bankengruppe

Sonstige Empfehlungen
•    Explizite Aufnahme der Vorschriften, auf die in § 44 Satz 2 PostG verwiesen wird, ins Postgesetz sowie – damit verbunden – ausdrückliche Einräumung des Rechts der Monopolkommission zur Einsichtnahme in die Akten der Bundesnetzagentur
•    Abschaffung der Sonderrolle der DPAG im Weltpostverein zugunsten gleicher Rechte und Pflichten für sämtliche Anbieter grenzüberschreitender Postdienstleistungen. Alternativ: Ausschreibung dieser Rolle unter allen in Deutschland tätigen Postdienstleistern