09.03.2010

Dr. Alexander Italianer: Die künftigen Herausforderungen der europäischen Wettbewerbspolitik

EU
Kommission
Generaldirektion Wettbewerb
Italianer

Dr. Alexander Italianer, der neue Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb in der Europäischen Kommission, sprach bei der  Studienvereinigung Kartellrecht am 9. März 2010  in Brüssel über die künftigen Herausforderungen der europäischen Wettbewerbspolitik. Italianer hat das Amt des Generaldirektors für Wettbewerb am 18. Februar 2010 von seinem Vorgänger Philipp Lowe übernommen. Der aus den Niederlanden stammende Ökonom ist seit 1985 an verschiedenen Stellen innerhalb der Europäischen Kommission tätig gewesen, u.a. in den Kabinetten Santer und Barroso sowie im Kabinett Verheugen. Seit 2006 war er stellvertretender Generalsekretär der Kommission.

In seiner Rede betonte  Italianer die Wichtigkeit der Wettbewerbspolitik für die neue „Europa-2020"-Strategie zur zukünftigen EU-Wirtschaftspolitik. Schlüsselelement sei die Förderung von „intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum". Ein funktionierender Wettbewerb spiele zur Erreichung dieser Ziele eine bedeutende Rolle, da er die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärke. Durch gezielte Beihilfen beispielsweise für den Klimaschutz können Investitionen in die Nachhaltigkeit zusätzlich gefördert werden. Dringlichstes Thema aus dem Kartellrecht sei die Überarbeitung der Ende Mai 2010 auslaufenden Gruppenfreistellungsverordnungen für vertikale Vereinbarungen und den Kfz-Sektor. Die neue Vertikal-GVO, deren wesentliche Neuerungen sich auf die aus Sicht der Kommission gestiegene Marktmacht der Abnehmer sowie Konkretisierungen zum Online-Handel beziehen, soll bereits im April 2010 in Kraft treten. Im Laufe des Jahres werden auch die Gruppenfreistellungsverordnungen über horizontale Vereinbarungen überarbeitet werden. Hierbei sind Klarstellungen zum Informationsaustausch und zur Normung zu erwarten. Eine öffentliche Konsultation sei geplant.

Bezüglich der Initiative zur Einführung von kollektiven Rechtsschutzelementen im Kartellrecht hielt sich Italianer zurück. Er wiederholte die Ankündigung durch Kommissar Almunia im Europäischen Parlament, nach der die Kommission alle zur Verfügung stehenden Optionen sorgfältig prüfen und Exzesse, wie sie aus anderen Rechtsordnungen bekannt seien, vermeiden werde. Auf die Frage, ob dies eine Abkehr von der Linie „Opt-out" sei, antwortete Italianer allerdings nicht.

Hinsichtlich der vielfach geäußerten Kritik an rechtsstaatlichen Mängeln des europäischen Kartellverfahrens und der Bußgeldpraxis der Kommission ging Italianer auf Verteidigungskurs. Der EuGH habe das Verfahren der Kommission bislang nicht bemängelt und auch keinen Verstoß gegen Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf ein faires Verfahren) festgestellt. Die Kommission sei dennoch bereit, ihre Rechtspraxis zu verbessern und habe Anfang des Jahres drei „Best Practices" Arbeitspapiere veröffentlicht, die zu verstärkter Transparenz und Vorhersehbarkeit der Verfahren führen sollen. Eine Überarbeitung der Bußgeldpraxis sei mangels europäischer Rechtsprechung zu den Bußgeldleitlinien 2006 verfrüht. Kritik an der Höhe der Bußgelder sei ohnehin übertrieben - die Höchstgrenze von 10 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens werde nur selten erreicht.