20.10.2010
Aussprache mit EU-Kommissar Barnier im Europäischen Parlament zu Kartellbußgeldern
EU
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https://www.europarl.europa.eu/wps-europarl-internet/frd/vod/player?date=20101006&language=de |
Zur Bußgeldpolitik der EU-Kommission fand am 6. Oktober 2010 eine Aussprache im Plenum des Europäischen Parlamentes zu Kartellbußgeldern statt, derzufolge der Kommissionspolitik teilweise ein erhebliches Verbesserungspotential bescheinigt wurde. Die Kommission steht seit Veröffentlichung ihrer geänderten Bußgeldleitlinien im Herbst 2006 unverändert in der Kritik. Die Aussprache wurde per Video-Aufzeichnung der Plenarsitzung festgehalten.
Kommissar Barnier vertrat bei der Debatte den abwesenden Kommissar Almunia und stellte sich den Fragen der Abgeordneten. Zunächst stellte Barnier kurz die Haltung der Kommission dar. Angesichts von Schäden in Höhe von 8 Milliarden Euro und Preisverfälschungen von 10 bis 30 Prozent habe sich die Bußgeldpolitik der Kommission bewährt.
Die Abgeordneten haben sich teilweise negativ zum bestehenden Bußgeldsystem geäußert und für Verbesserungen und größere Transparenz plädiert. Teilweise wurden alternative (administrative) Individualsanktionen und die Durchführung einer Folgenabschätzung der Bußgeldleitlinien 2006 angeregt.
Die kritischen Äußerungen der Abgeordneten beliefen sich im Einzelnen auf Folgende:
- Klaus-Heiner Lehne (EVP, D) äußerte Zweifel, ob das System der Bußgeldbemessung noch rechtsstaatlichen Grundsätzen entspreche. Die Verordnung 1/2003 gebe der Kommission einen wo weiten Bestimmungsrahmen, ohne dass dafür konkrete Kriterien festgelegt wären; dies könne Willkür Vorschub leisten. Lehne plädierte daher für eine stärkere Konkretisierung und Festlegung von Kriterien in Verordnung selbst. Da die EU der Menschenrechtskonvention beitreten werde, sei vorstellbar, dass sich die Rechtsprechung im weiteren Verlauf ändern werde.
- Antolin Sanchez Presedo (S&D, SP) äußerte nur vorsichtige Kritik. Die Abschreckung sei ein wichtiger Faktor, allerdings können das System noch perfektioniert und die Transparenz verbessert werden. Nicht zu vernachlässigen sei die individuelle Verantwortung wichtig, weshalb Schadenersatzklagen auf individueller und kollektiver Ebene ein wichtiges Element darstellten. Mitzubeachten seien zudem die Auswirkungen der Bußgeldpolitik auf die Beschäftigung wichtig.
- Sophie Int' Veld (ALDE, NL) fragte, die Kommission, ob diese bereit sei, auf der Grundlage der Entschließung des Europäischen Parlaments Vorschläge für eine Überarbeitung des gesamten Bußgeldsystems und der Leitlinien zu machen.
- Jean Paul Gauzès (EVP, FR) fragte, ob Geldbußen wirklich präventiv und effektiv seien. Die abschreckende Wirkung und der Nutzen für die Verbraucher seien nicht nachgewiesen; auch die Konsequenzen für die Unternehmen und ihre Arbeitnehmer würden nicht ausreichend beachtet. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten müssten Sanktionen verhältnismäßig sein.
- Peter Skinner (S&D, UK) fordert eine Folgenabschätzung der Leitlinien. Seiner Meinung nach seien Geldbußen nicht wirklich abschreckend, weshalb die Kommission an alternative Maßnahmen denken sollte. Im Vereinigten Königreich würden beispielsweise Geschäftsführer disqualifiziert. Beschäftigte sollten von Sanktionen nicht getroffen werden.
- Catherine Stihler (S&D, UK) signalisierte hingegen Unterstützung für den harten Kurs der Kommission und vertrat die Ansicht, dass das Management zusätzlich bestraft werden könnte. Dieser Auffassung schloss sich Kelly Seán (EVP, IR) an.
Barnier machte im Anschluss deutlich, dass die Kommission keine Notwendigkeit für eine Überarbeitung der Leitlinien oder der Verordnung 1/2003 sehe. Für Verbesserungsvorschläge sei die Kommission stets offen. Sie habe bereits gezeigt, dass sie in der Wirtschaftskrise in der Lage gewesen sei, eine gewisse Flexibilität bei der Bußgeldbemessung zu zeigen. Almunia sei der Ansicht, dass die Leitlinien über ein ausreichendes Maß an Flexibilität verfügten. Über alternative Sanktionen könnte man nachdenken, allerdings nur zusätzlich zum etablierten Bußgeldsystem. In dem Zusammenhang würde privaten Schadensersatzklagen eine wichtige Rolle zukommen. Individuelle Sanktionen dürften jedoch nicht das gegenwärtige Kontrollsystem in Frage stellen. Zu Compliance-Programmen: Diese befürwortet die Kommission, da sie stark zur Prävention beitrügen. Sie müssten jedoch von den Unternehmen selbst durchgeführt werden.