12.04.2010

Almunia (EU-Kommission): “ Competition v Regulation: where do the roles of sector specific and competition regulators begin and end?” (Rede)

Am 23. März 2010 sprach der amtierende Wettbewerbskommissar und Vizepräsident der EU-Kommission Joaquín Almunia anlässlich einer Rede beim Center on Regulation in Europe (CERRE) über das Verhältnis von Wettbewerb und sektorspezifischer Regulierung.

Almunia betonte zunächst, dass die Doppelfunktion der Kommission als Wettbewerbsausichtsbehörde und Regulierungsbehörde eine besondere Stärke sei, um zu gewährleisten, dass die Märkte zum Wohle der Wirtschaft und der Verbraucher gut funktionierten. Während die Wettbewerbspolitik die Funktionsweise von Märkten im Allgemeinen sicherstelle und dabei zur Produktivität, Wachstum und zur Beschäftigung beitrage, stelle Regulierung spezifische politische Ziele sicher, wie z.B. die Verringerung der Umweltverschmutzung, die Sicherung der Energieversorgung, die Bereitstellung auch unwirtschaftlicher Dienstleistung und den Schutz bestimmter Verbraucher. Auch die Aufsicht über einen bestimmten Sektor sei regulierungsspezifisch.

Aus den jeweils unterschiedlichen Zielvorgaben resultierten manchmal Spannungen im Verhältnis zum allgemeinen Wettbewerbsrecht. In der Mehrheit der Fälle würden sich Wettbewerbspolitik und Regulierung jedoch - so Almunia - ergänzen. So würde Regulierung auch zur Öffnung von Märkten als Liberalisierungsinstrument eingesetzt werden. Dies sei typischerweise der Fall bei den netzgebundenen Wirtschaftszweigen, die oft aus ehemaligen staatlichen Monopolen herrührten. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es nicht ausreiche, gesetzliche Monopole aufzuheben und auf die individuelle Durchsetzung der Wettbewerbsregeln zu hoffen. Um ein wettbewerbsfähiges Umfeld mit neuen Marktteilnehmern garantieren zu können, seien oftmals verbindliche Vorschriften im Sinne einer Ex-Ante-Regulierung erforderlich. Hierdurch könnten strukturelle Probleme oft besser gelöst werden.

Beispiel Finanzsektor: Hier habe sich ein deutlicher Mangel an Regulierung gezeigt. Man habe keine Liquidation von Banken durchführen können, ohne die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden. Hierdurch sei ein wesentlicher Grundsatz des Wettbewerbs, nämlich das Ausscheiden nicht überlebensfähiger Unternehmen, nicht zum Tragen gekommen. Aus diesem Grund stünden die gegenwärtigen Bemühungen einer Regulierung des Finanzmarktes, z.B. durch entsprechende Eigenkapitalanforderungen und eine bessere Finanzaufsicht, auch nicht im Widerspruch zu den Zielen des Wettbewerbs. Im Gegenteil, dadurch solle ein Rahmen für mehr Wettbewerb geschaffen werden.

Beispiel Telekommunikationssektor: Hier habe die Ex-ante-Regulierung bei der Regulierung des Zugangs zu den Netzen dem Wettbewerb zum Durchbruch verholfen. Insofern hätten sich Regulierung und Wettbewerbsrecht gut ergänzt. Da der Wettbewerb sich auf den Märkten gut entwickelt habe, werde die Regulierung schrittweise auslaufen und durch das allgemeine Wettbewerbsrecht ersetzt werden. Wo allerdings noch strukturelle Wettbewerbsprobleme vorherrschten, z.B. bei der Verbreitung einer neuen Technologie (Beispiel Glasfasernetze), sei die ex-ante-Regulierung nach wie vor notwendig.

Almunia betonte, dass Regulierung dann am besten funktioniere, wenn sie die Ziele des allgemeinen Wettbewerbsrechts von vorneherein berücksichtige. Auch habe Regulierung von den Erfahrungen bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts stets profitiert. Zu nennen wären in dem Zusammenhang die Sektoruntersuchungen der Kommission, die eine wirksame Regulierung erst ermöglicht hätten. Auch hätten dadurch zu Tage getretene Schwachstellen und Lücken in der Regulierung beseitigt werden können. Dies träfe in besonderem Maße auf den Energiesektor zu.

Auch schließe Regulierung - so Almunia - nicht die Durchsetzung von Wettbewerbsregeln per se aus. So könne Regulierung das Entstehen wettbewerbsrechtlicher Probleme nicht völlig verhindern. Gerade marktbeherrschende Unternehmen hätten in der Vergangenheit öfter Wege gefunden, die Regulierung zu umgehen. Daher werde es immer Anwendungsfälle für die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln geben.

Umgekehrt beachte die Kommission bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln aber auch die Regulierungsziele. Dies habe sich zum Beispiel bei Zusammenschlussvorhaben als notwendig erwiesen. Damit Wettbewerbsrecht und Regulierung beide ihre Zielsetzungen erreichen könnten, sei eine enge Zusammenarbeit der Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden notwendig.