30.11.2010

38. FIW-Seminar fand am 24. und 25. November 2010 in Köln statt

FIW
FIW-Seminar

Im Jahr seines 50-jährigen Bestehens veranstaltete das FIW bereits zum 38. mal sein FIW-Seminar, das wieder den aktuellen Schwerpunkten des Kartellrechtes gewidmet war. Die Veranstaltung fand am 24. und 25. November 2010  im Barceló Cologne City Center in Köln statt und wurde von den Vorstandsmitgliedern des FIW, Dr. Peter A. Spitze und Dr. Horst Satzky sowie dem Geschäftsführer des FIW, Niels Lau, geleitet. Die Fachvorträge der Referenten zu den Themen >>Aktuelle Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes, Überlegungen zur 8. GWB-Novelle, Umsetzung der neuen Vertikal-GVO, Erfahrungen mit Settlements in Kartellbußgeldverfahren, kartellrechtliche Quereinflüsse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Nachfragemacht im Handel sowie Preisbindung, Preisempfehlungen und Kartellverbot aus ökonomischer Sicht<< wurden ausführlich und interessiert von den Teilnehmern diskutiert.

Kai Hooghoff, Leiter des Referats "Deutsches und Europäisches Kartellrecht" im Bundeskartellamt, stellte die aktuelle Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes 2009/2010 auf den Gebieten Fusionskontrolle, Kartellverfolgung und Missbrauchsaufsicht dar. Besprochen wurden die aktuellen Entscheidungen zur Untersagung der Sanierungsfusion von Magna/Karmann, um die Entstehung eines symmetrischen Duopols zu verhindern, sowie zur Freigabe der Fusion von EDEKA/Trinkgut unter Auflagen (Veräußerung von Standorten). Die Kronzeugen- oder Bonusregelung habe sich mit inzwischen durchschnittlich 30 Anträgen jährlich bewährt. Zu der Kritik an hohen Bußgeldern erklärte Herr Hooghoff, die Bußgeldbemessung des Amtes nach den gesetzlichen Vorgaben stelle sicher, dass Bußgelder nicht überhöht ausfielen. Das amts gehe bei der Bußgeldbemessung mit Augenmaß vor. Im übrigen werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Unternehmen sorgfältig geprüft. Im Fall nachgewiesener Zahlungsschwierigkeiten komme eine Stundung in Betracht. Herr Hooghoff wies weiter darauf hin, dass ökonomische Berechnungen ergeben hätten, dass die von Kartellbehörden verhängten Bußgelder im Verhältnis zu dem durch die Kartellabsprachen verursachten Schaden vergleichsweise gering ausfielen. Neben einigen aktuellen Fällen in der Kartellverfolgung, unter anderem Preisbindung im Lebensmitteleinzelhandel, wurde auch die Missbrauchsaufsicht im Energiebereich als wichtiger Schwerpunkt des BKartA näher beleuchtet. (zum Handout)

Christian Dobler, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin, gab einen Überblick zum Stand der Überlegungen zur 8. GWB-Novelle. Als Neuerungen außerhalb der Novelle wurden etwa der noch in der Ressortabstimmung befindliche Gesetzentwurf eines objektiven Entflechtungsinstruments und die von der Bundesregierung geplante Markttransparenzstelle für Großhandel mit Strom und Gas beim BKartA erwähnt. Bei der Fusionskontrolle als einem der voraussichtlichen Eckpunkte der 8. GWB-Novelle stelle sich die Frage, ob weitere unionsrechtliche Elemente wie etwa der SIEC-Test übernommen werden sollten. Demgegenüber biete sich die Beibehaltung der Abwägungsklausel sowie der Ministererlaubnis als vom europäischen Recht abweichende, in der deutschen Rechtspraxis aber bewährte Elemente an. Die Regelungen der Missbrauchsaufsicht sollen unter Nutzung des Gestaltungsspielraums der VO 1/2003 systematisch vereinfacht und dadurch anwenderfreundlicher und verständlicher werden. Die befristeten Regelungen der Preismissbrauchskontrolle sollen vor dem Hintergrund der behördlichen und gerichtlichen Praxis (u.a. Rossmann-Urteil) und im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung evaluiert werden. Der Reformbedarf beim Kartellordnungswidrigkeitenrecht/Bußgeld beziehe sich vorwiegend auf das OWiG und die StPO, nicht so sehr auf das GWB. An der privaten Kartellrechtsdurchsetzung sollen mit Ausnahme von Schadensersatzansprüchen zukünftig sowohl Verbraucherverbände als auch Verbände der Marktgegenseite angemessen beteiligt werden. Für eine Änderung des Pressekartellrechts sei zunächst eine bislang nicht vorliegende klare und widerspruchsfreie Position der Verbände der betroffenen Verlage zum Änderungsbedarf erforderlich. Schließlich äußerte sich Herr Dobler zurückhaltend zu den Überlegungen, die Wasserversorgung unter die allgemeine Missbrauchsaufsicht zu stellen.

Dr. Andreas Möhlenkamp, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung, Düsseldorf, stellte den Umgang mit dem Kartellverbot in der Verbandsarbeit dar. Dabei warf er unter anderem die Frage auf, ob Marktinformationssysteme als Vereinbarung zwischen Wettbewerbern zu sehen seien oder ob es sich dabei um einen reinen Informationsaustausch handele. Als in diesem Zusammenhang wichtige Kriterien seien beispielsweise Ausschluss bzw. Einbeziehung an einer Vereinbarung nicht beteiligter Wettbewerber oder Verbraucher oder die Teilnehmerzahl. Regelmäßige, exklusive Gesprächsrunden seien als unzulässig eingestuft worden. Zu beachten sei außerdem, dass das Schweigen eines Anwesenden zur Stabilisierung einer Vereinbarung führe, so dass eine deutliche Distanzierung erforderlich sei. (zum Handout)

Dr. Jan Byok, Partner bei Bird & Bird LLP, Düsseldorf, referierte über die kartellrechtlichen Quereinflüsse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Typischerweise stelle sich im Kartellvergaberecht die Frage nach der Zulässigkeit von Gruppierungen auf der Einkaufs- wie auf der Bieterseite (mit dem Sonderproblem der gesetzlichen Krankenkassen). Weiterhin sei die Beteiligung von konzernverbundenen Unternehmen problematisch, wenn Aufklärungs- und Dokumentationspflichten nicht beachtet würden. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren könnten reine Kartellrechtsverstöße durch eine unzulässige Einkaufskooperation im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz nicht geprüft werden. Ab 2011 sei der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet. (zum Handout)

Professor Dr. Christian Wey, Institute for Competition Economics, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, führte in seinem Vortrag zur Nachfragemacht im Handel aus, dass die Marktmacht eines Käufers, die darin bestehe, mehrere Lieferanten gegeneinander ausspielen zu können, die Einkaufspreise senke. Dazu könne etwa ein Monopolist seine Nachfragemenge reduzieren. Eine besonders starke Machtstellung hätten beispielsweise Lebensmitteldiscounter, die einen zentralisierten Einkauf praktizieren. Hierdurch gehe jedoch die Produktvielfalt verloren. Dem lägen allerdings unterschiedliche betriebswirtschaftliche Konzepte zugrunde. (zum Handout)

Christian Ewald, Leiter des Referats "Ökonomische Grundsatzfragen" hat in seinem Vortrag zum Thema "Preisbindung, Preisempfehlungen und Kartellverbot aus ökonomischer Sicht" deutlich gemacht, dass die vertikale Preisbindung zwar unter bestimmten Voraussetzungen Effizienzen in einer Wertschöpfungskette für ein bestimmtes Produkt kreieren könne, diese aber stets den wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der vertikalen Preisbindung auf dem relevanten Markt gegenüberzustellen seien. Die ökonomisch-theoretische Durchdringung der Effekte der vertikalen Preisbindung bzw. von Preisempfehlungen sei zwar fortgeschritten, aber noch im Fluss. Die rechtliche Neubewertung der vertikalen Preisbindung in den USA („Leegin") sei in ökonomischer Hinsicht nicht zwingend, könne jedoch mit wettbewerbspolitischen Wertungen und den rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen in den USA erklärt werden. Der in Deutschland und in der EU geltende Beurteilungsrahmen der widerlegbaren Vermutung der Unzulässigkeit sei für die hiesigen rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung wettbewerbspolitischer Wertungen, die das Kartellrecht als „Gefährdungsrecht" einstufen, durchaus sachgerecht. Die komplexen ökonomischen Wirkungsmechanismen vertikaler Preisbindung/Preisempfehlung erschwerten die Ableitung klarer und einfacher Handlungsempfehlungen für Unternehmen. Hier sieht Herr Ewald für die Zukunft Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen durch eine Verfeinerung der Regeln. (zum Handout)

Dr. Jörg-Martin Schultze, Partner bei Commeo LLP, Frankfurt am Main, berichtete über die Umsetzung der neuen Vertikal-GVO in der Vertragspraxis. Neben einigen erfreulichen Klarstellungen und der Angleichung der Terminologie (z.B. Anbieter und Abnehmer) sei der Nutzen der infolge der Änderungen bei den Freistellungsvoraussetzungen (z.B. Exklusivität trotz Lieferanten-/Anbieter-Verkäufe) und in den Vertikalen Leitlinien (vor allem internetbezogen) eingetretenen höheren Komplexität fraglich. Auch die Hinweise zur Legalausnahme wurden als wenig hilfreich bewertet, da die dezentrale Rechtsanwendung bei unklarer Rechtsqualität der Leitlinien keine Verlässlichkeit biete. (zum Handout)

Simon Hirsbrunner, Partner bei Gleiss Lutz Rechtsanwälte, Brüssel, referierte über seine Erfahrungen mit Settlements in Kartellbußgeldverfahren. Neben der aus rechtsstaatlichen Gründen als problematisch angesehenen „Leniency"/Bonusregelung, die eine Bußgeldreduktion von bis zu 100 % bzw. 50 % ermögliche, biete das Settlementverfahren eine zusätzliche Reduktion von 10 % und setze ebenfalls ein Geständnis voraus. Seit 2007 habe das BKartA bereits 10 Settlements erzielt. Bei hybriden (zweigleisigen) Settlements, bei denen ein oder mehrere Unternehmen aus dem Settlement ausscheiden, dürften die Zugeständnisse letzterer nicht verwendet werden. Dies berge ein latentes Risiko ungerechter Ergebnisse. (zum Handout)

Christoph Vollmer, 11. Beschlussabteilung, Bundeskartellamt, führte hierzu in seinem Kommentar aus der Sicht eines Kartellbeamten aus, dass das BKartA bislang europaweit die meisten Settlements initiiert habe. Hybride Settlements hält er für sinnvoll, da der Verfahrensaufwand in allen Verfahrensstadien reduziert werde, Geständnisse der Betroffenen und Settlement-Erklärungen der Nebenbetroffenen zusätzliche Beweismittel darstellten und die Ausgeschiedenen nach Rechtskraft der sie betreffenden Bußgeldbescheide im ersten Verfahren als Zeugen vernommen werden könnten. Das OWiG-Verfahren vor dem BKartA biete auch ohne ausdrückliche Regelung gute Voraussetzungen für Settlement-Verhandlungen. Rechtsstaatliche Standards würden in der Praxis des BKartA uneingeschränkt gewahrt. Zudem stünde den (Neben-)Betroffenen auch nach einem Settlement der Einspruch offen. Allerdings könne auch eine gerichtliche Klärung, etwa zur Rechtsfortbildung, notwendig und sinnvoll sein. (zum Handout)