12.10.2009

Varney (DoJ): Procedural Fairness (Rede)

USA
DOJ
Due Process (Faires Verfahren)

https://www.usdoj.gov/atr/public/speeches/249974.pdf

Am 12. September 2009 sprach Christine Varney anlässlich der 13. Jahreskonferenz der International Bar Association in Fiesole (Italien). Christin Varney ist die neue Leiterin der Wettbewerbsabteilung innerhalb des amerikanischen Justizministeriums (DOJ) und wurde von der Obama-Regierung als "Assistant Attorney General" berufen.

In ihrer Rede betonte Varney die hohe Bedeutung der Beachtung eines fairen Verfahrens (due process) für die von einem Ermittlungsverfahren betroffenen Parteien. Das materielle Recht und das prozessuale Verfahren seien miteinander verwoben und beide gleichermaßen wichtig. Die Beachtung eines fairen Verfahrens betreffe nicht nur das Verhältnis zwischen Kartellbehörde und Dritten sondern auch das interne Verfahren innerhalb der Kartellbehörde bei ihrer Entscheidungsfindung. Ein Schlüsselelement eines fairen Verfahrens sei die Möglichkeit zur Verteidigung und eine faire Anhörung der betroffenen Parteien vor der abschließenden Entscheidungsfindung. Die Beachtung eines fairen Verfahrens habe in den USA Verfassungsrang. Die Ausgestaltung dieses Rechts ist seitdem vielfach vom Supreme Court vorgenommen worden.

Frau Varney betonte, dass die Beachtung eines fairen transparenten Verfahrens bei Ermittlungen in zivilrechtlichen (im Gegensatz zu strafrechtlich relevanten) Kartellverfahren innerhalb der DOJ letztlich auch zu einer effektiveren Durchsetzung der Wettbewerbsregelen führen würde. Eine transparente Verfahrensführung und ein hohes Maß an Kooperation ermöglichten einen effektiveren Verfahrensablauf, da sich alle Parteien auf die wesentlichen Streitgegenstände und Fragen konzentrieren könnten. Gerade der regelmäßige, auch informelle mündliche Austausch zwischen der Behörde und den betroffenen Parteien erleichtere ein gezieltes Vorlegen von (Gegen-)Beweisen und eine fokussierte Argumentation. Die Transparenz seitens der Behörde geht anscheinend so weit, den betroffenen Parteien nicht nur den Untersuchungsgegenstand und die Rechtsgrundlage mitzuteilen, sondern auch die für eine Ermittlung relevanten Tatsachen sowie die angewandten ökonomischen Theorien und die rechtliche Einordnung des Falles.

Christine Varney rief die internationale Gemeinschaft in ihrer Rede zu einem Diskurs über die Notwendigkeit der Durchführung eines fairen und offenen Verfahrens auf. Das amerikanische Modell könne dabei durchaus als Diskussionsgrundlage dienen. Dabei ging sie auch näher auf einige Praktiken der DOJ ein. Bei der Offenlegung elektronischer Dokumente (electronic discovery) sei z.B. ein gewisses Augenmaß auf Behördenseite angebracht, um Kosten und Ressourcen für alle Beteiligten zu sparen. Hier hat es sich empfohlen, zuvor mit den betroffenen Parteien Verhandlungen aufzunehmen, um den Bereich der Offenlegung von vornherein sinnvollerweise einzugrenzen. Dies setze Offenheit auf beiden Seiten voraus und führe im Ergebnis zu effizienteren Ermittlungen. Die Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen, die bei der Offenlegung von Dokumenten zutage träten, nehme die DOJ als wichtiges Element eines fairen Verfahrens sehr ernst.

Ein anderes wichtiges Element eines fairen Verfahrens sei ein zeitlicher Ablaufplan (timing agreement) im Falle von Ermittlungen bei Fusionskontrollverfahren, der zwischen der Behörde und den fusionswilligen Parteien abgestimmt werde. Hilfreich seien auch behördeninterne Überlegungen auf verschiedenen Ebenen und aus unterschiedlichen Bereichen (internal deliberations) und „peer review" -Übungen sowie regelmäßige informelle Dialoge mit den betroffenen Parteien. Aus Transparenzgründen gebe die DOJ auch eine Folgenabschätzung (impact statement) bei Vergleichen (settlement) und bei Einstellung des Verfahrens zudem so genannte öffentliche „Closing Statements" bekannt.

Vor Gericht würde die Einhaltung eines fairen Verfahrens vor allem durch neutrale Richter, die der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen müssten, sowie durch weitere Kontrollinstanzen (Berufungsinstanz) gewährleistet.