10.08.2009

KOM veröffentlicht Abschlussbericht über Untersuchung des Pharmasektors

Ihren Abschlussbericht über die im Januar 2008 eingeleitete Sektoruntersuchung im Pharmasektor hat die EU-Kommission nun am 8. Juli 2009 in Form einer Mitteilung vorgelegt. Die Mitteilung wird von zwei umfangreichen Arbeitspapieren der EU-Kommission begleitet, die die Mitteilung näher erläutern. Am 28. November 2009 hatte die EU-Kommission zuvor ihren Zwischenbericht vorgelegt und eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Die Sektoruntersuchung erstreckte sich über den Zeitraum von 2000 bis 2007, für einige Teile wurden jedoch aktuelle Daten bis zum Juni 2008 erhoben.

Wesentliche Schlussfolgerungen der EU-Kommission:

Die EU-Kommission stellt in ihrem Abschlussbericht insbesondere fest, dass sich der Markteintritt von Generika verzögere und die Anzahl neuartiger Arzneimittel auf dem Markt rückläufig sei. So müssten die Bürger nach Ablauf des Patentschutzes über sieben Monate auf billigere Generika warten müssen, was für sie Zusatzausgaben von 20 % bedeute. Dabei wird angedeutet, dass - neben anderen Faktoren wie unzureichende Regelungen - auch bestimmte Unternehmenspraktiken für diese Entwicklung verantwortlich seien. So würden sich Originalpräparatehersteller verschiedener Instrumente bedienen, um eine möglichst lange wirtschaftliche Lebensdauer ihrer Produkte zu erreichen und gleichzeitig den Markteintritt von Generika zu verzögern. Diese Umstände seien auch dafür mit verantwortlich, dass weniger neuartige Arzneimittel die Marktreife erreichten.

Die EU-Kommission beabsichtigt, den Markt weiter zu untersuchen, um alle Faktoren zu ermitteln, die zu diesem Innovationsrückgang beitrügen. Die EU-Kommission kündigt zudem an, künftig die kartellrechtlichen Untersuchungen im Arzneimittelsektor zu verstärken und gegebenenfalls in Einzelfällen tätig zu werden. Auch würden defensive Patentstrategien, die in erster Linie darauf abzielten, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, ohne dass wirkliche Innovationsanstrengungen unternommen würden, weitergehend geprüft werden. Eingehend prüfen möchte die EU-Kommission auch Vergleiche und Vereinbarungen zwischen Originalpräparateherstellern und Generikaunternehmen, die den Markteintritt von Generika begrenzten oder verzögerten.

Darüber hinaus hält es die EU-Kommission für dringend geboten, nun so schnell wie möglich ein Gemeinschaftspatent einzuführen und ein einheitliches europäisches System zur Beilegung von Patentstreitigkeiten zu schaffen, um den Verwaltungsaufwand und die Unsicherheit für Unternehmen zu verringern. Daneben appelliert die EU-Kommission an die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass bei der Marktzulassung von Generika Eingaben von Dritten oder förmliche Interventionen nicht vorkämen oder solche die Zulassung von Generika nicht zusätzlich verzögerten.

Als Konsequenz der Untersuchung hat die EU-Kommission auch bereits erste Kartellverfahren gegen den französischen Pharmakonzern Laboratoires Servier und eine Reihe von Generikaherstellern eingeleitet. Wettbewerbskommissarin Kroes deutete an, dass weitere Verfahren folgen werden.

Haltung der Bundesregierung:

Laut Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts für die Jahre 2007 und 2008 hat sich die Bundesregierung kritisch (noch) zum Zwischenbericht geäußert. So sollte das Instrumentarium des Wettbewerbsrechts aus ihrer Sicht nicht primär dazu eingesetzt werden, um Reformen in anderen Rechtsgebieten, wie des europäischen Patentrechts, voranzutreiben. Die von der EU-Kommission propagierte flächendeckende Marktüberwachung wird aus ordnungspolitischen Gründen abgelehnt. Das Instrument der Sektoruntersuchung sei insofern einschlägig und - neben den regulären kartellrechtlichen Ermittlungsbefugnissen - ausreichend. Weitere Überwachungsmechanismen führten unweigerlich zu zusätzlichen Bürokratiekosten für die Unternehmen, die nicht zu rechtfertigen seien.