22.04.2008

Neelie Kroes: "Competitivness - the common goal of competiton and industrial policies"

Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat am 16. April 2008 in Paris im Rahmen eines Vortags beim Aspen Institute über Gemeinsamkeiten und Schnittbereiche der Industrie- und Wettbewerbspolitik gesprochen. Sie stellte fest, dass die Industriepolitik nicht nur sehr eng mit der Wettbewerbspolitik verflochten sei, sondern auch dass beide letztlich das gleiche Ziel verfolgten, nämlich die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit:

 "Modern industrial policy, as we know from the Lisbon Agenda for growth and jobs, is inter-twined with competition policy. It is about long-term investments like re-orienting an economy to benefit more from globalisation, improving R&D, or upgrading technological and other infrastructure."

Neelie Kroes warnte davor, künstliche Barrieren zwischen der Industrie- und Wettbewerbspolitik zu schaffen. Vielmehr sei ein enges Zusammenarbeiten erforderlich, um die Herausforderungen zu meistern, die sich durch die Globalisierung stellten. Europa habe durch den gemeinsamen Binnenmarkt jede Chance von der Globalisierung zu profitieren und befinde sich auch heute als weltgrößter Exporteur schon in der Rolle eines Profiteures. In diesem Zusammenhang warnte Neelie Kroes jedoch auch davor, die Wettbewerbsfähigkeit durch Protektionismus zu gefährden:

"I cannot accept that we need to somehow try to mix competition and protection. We don't need protection to be winners, we already are winners".

Als aktuelles Beispiel für eine Verflechtung der Industrie- mit der Wettbewerbspolitik wies Frau Kroes auf die "Leitmarktinitiative" der Kommission hin, im Rahmen derer sechs "Leitmärkte" über Aktionspläne besonders gefördert werden sollen. Eine Vernetzung der Industrie- mit der Wettbewerbspolitik biete in diesem Bereich die Möglichkeit, wichtige Grundlagen für neue Beschäftigungsmöglichkeiten und Wachstum zu schaffen.

Die Kommissarin ging daneben jedoch auch noch auf weitere Teilbereiche ein, im Rahmen derer sowohl industrie- als auch wettbewerbspolitische Interessen von Bedeutung sind:

Fusionen - Da Fusionen oftmals Wachstum bedeuten, seien Zusammenschlussvorhaben in den meisten Fällen zu unterstützen. Ein Einschreiten zum Schutz der Verbraucher sei hingegen nur im Einzelfall erforderlich. Der von der Kommission verfolgte ökonomische Ansatz ermögliche es ihr, flexibel auf Einzelfallumstände zu reagieren und habe gezeigt, dass es einer Untersagung tatsächlich nur in weniger als 1 Prozent der angemeldeten Vorhaben bedürfe.

Beihilfen - Die Rahmenbedingungen für staatliche Beihilfen seien darauf ausgerichtet, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Nachdem sich über Jahrzehnte ein Produktionsdefizit Europas gegenüber den USA gebildet habe, schließe Europa nun wieder auf. Erst jüngst habe man die De minimis Höchstbeträge angehoben. Die neue allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, die voraussichtlich im Juni verabschiedet wird, führe schließlich künftig zu mehr Bürokratieabbau als auch berücksichtige im besonderen Maße Interessen von mittleren und kleineren Unternehmen. 

Abschließend würdigte Neelie Kroes, dass die Bedeutung eines fairen Wettbewerbs global immer mehr an Bedeutung gewinne:

 "With more than 100 competition authorities across the globe momentum is with us. Even China is coming on board in August with its Anti-Monopoly Act. So you can see that competition is not an ideology or a niche - it is the common language of the increasingly global economy."

Das Miteinander der Industrie- und Wettbewerbspolitik, für das Kommissarin Kroes in ihrer Rede eintritt, ist aufgrund der bestehenden Spannungsbereiche keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Nach wie vor verbleiben deshalb noch viele offene Fragen. Für die nähere Eingrenzung des äußerst komplexen Zusammenwirkens dieser beiden Politikbereich wäre vor allem von besonderem Interesse gewesen, wenn Neelie Kroes auch Stellung dazu bezogen hätte, was sie unter dem Begriff der "Industriepolitik" versteht.