24.07.2008

Monopolkommission: XVII. Hauptgutachten veröffentlicht

Deutschland
Monopolkommission
Hauptgutachten

https://www.monopolkommission.de/haupt_17/gesamtfassung_h17.pdf

Am 9. Juli 2008 hat die Monopolkommission ihr XVII. Hauptgutachten mit dem Titel „Weniger Staat, mehr Wettbewerb – Gesundheitsmärkte und staatliche Beihilfen in der Wett-bewerbsordnung – “ veröffentlicht. Das alle zwei Jahre erscheinende Gutachten erstreckt sich auf den Zeitraum 2006/2007. Anders als in den letzten Jahren beabsichtigt die Bundesregierung, zeitnah bereits in diesem Kalenderjahr zu dem Hauptgutachten Stellung zu nehmen.

Die Monopolkommission weist mit dem Titel ihres Gutachtens darauf hin, dass der Staat durch Eingriffe und Regulierung – trotz aller angestoßenen Privatisierungs- und Liberalisierungsfortschritte – immer noch zu wenig Wettbewerb aufkommen lässt. Das Hauptgutachten widmet sich – wie stets – aktuellen Problemen der Wettbewerbspolitik und enthält daneben noch zwei Sonderkapitel zu den wettbewerbs- und ordnungspolitischen Problemen im Krankenhaussektor und bei der Beihilfenkontrolle nach europäischem Recht.

Gliederung:

Neben einer umfassenden Einleitung, die aktuelle Probleme der Wettbewerbspolitik aufgreift, widmet sich das Hauptgutachten der Erfassung von wirtschaftlicher Konzentration und Un-ternehmensgruppen in Deutschland (Kapitel I), dem  Stand und Entwicklung der wirtschaftlichen Konzentration in Deutschland (Kapitel II), dem Stand und Entwicklung der Konzentration von Großunternehmen (Kapitel III), der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und Zusammenschlusskontrolle (Kapitel IV), in einem Sonderkapitel V dem Krankenhaussektor und in einem Sonderkapitel VI dem "more economic approach" in der europäischen Beihilfenkontrolle.

Einige (ausgewählte) Schwerpunkte des Gutachtens:
 
·    Bahnprivatisierung

Die Monopolkommission sieht in dem Teilprivatisierungskonzept einen deutlichen Fortschritt gegenüber früheren Plänen zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG unter Einschluss von Netz und Betrieb. Der Absicht der Bundesregierung hinsichtlich der Verwendung des Veräußerungserlöses könnten beihilferechtliche Gesichtspunkten entgegenstehen.

·    Entflechtungsvorschlägen für die Energiewirtschaft (EU-KOM)

Den Entflechtungsvorschlägen der EU-Kommission steht die Monopolkommission kritisch gegenüber. Zweifelhaft sei schon die Gesetzgebungskompetenz, der Zeitpunkt für eine Umsetzung der Vorschläge sei verfrüht. Darüber hinaus seien die Vorschläge mit nicht unerheblichen ökonomischen Risiken und rechtlichen Problemen verbunden. Die Monopolkommission befürwortet, zunächst die bestehende Netzregulierung durch gezielte Maßnahmen zu festigen. Die Auflagen an Netzbetreiber müssten weiter verschärft werden.

·    Telekommunikationsmärkte

Die Monopolkommission spricht sich dafür aus, an die Prüfung der Regulierungsbedürftigkeit von Telekommunikationsmärkten hohe Anforderungen zu stellen. Dabei lehnt sie es ab, als Zwischenschritt zum Übergang von der Regulierung zur Wettbewerbsaufsicht eine von der Feststellung der Regulierungsbedürftigkeit unabhängige Missbrauchsaufsicht zu verankern. Die Bundesnetzagentur solle ebenfalls nicht als Wettbewerbsbehörde fungieren und daher selbst kein Kartellrecht anwenden.

·    Unternehmenskonzentration

Zum Stand und zur Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland steht zum ersten Mal das statistische Unternehmensregister zur Einsichtnahme zur Verfügung. Mit dieser erweiterten Datenbasis konnte die Monopolkommission feststellen, dass sich die Konzentration in vielen Wirtschaftszweigen des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes erhöht hat. Der Anteil der Großunternehmen an der Nettowertschöpfung aller Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland habe sich im Berichtszeitraum auf 18,0 % erhöht.

·    Kartellrechtliche Entscheidungspraxis/Zusammenschlusskontrolle

National: Die Monopolkommission kritisiert erneut die Auslegungs- und Anwendungspraxis des Bundeskartellamts im Hinblick auf den Verstoß gegen das Untereinstandspreisverbot. Die Aufgreifschwellen der Fusionskontrolle sollten nach Ansicht der Monopolkommission im Hinblick auf die zunehmende Häufung von Krankenhausfusionen auf ein Drittel des bisherigen Wertes herabgesetzt werden.

EU: Die Monopolkommission wendet sich erneut nachdrücklich gegen eine nationale Politik, welche die Schaffung nationaler Champions fördert und die Belange der Wettbewerbspolitik hinter industriepolitischen Interessen zurückstellt. Darüber hinaus kritisiert sie bei einer Reihe von Freigabeentscheidungen der EU-Kommission die bisherige Zusagenpolitik und befürwortet die künftige strengere Zusagenpraxis. Im Hinblick auf den stärkeren ökonomischen Ansatz der EU-Kommission kritisiert die Monopolkommission insbesondere das Ausmaß der zeit- und kostenintensiven ökonomische Studien.

·    Krankenhausmarkt

Im Sonderkapitel V „Potenziale für mehr Wettbewerb auf dem Krankenhausmarkt“ plädiert die Monopolkommission angesichts einer massiven Verschärfung der Kostensituation für ei-ne Krankenhausplanung, die nicht mehr auf eine umfassende Krankenhausversorgung gerichtet ist, sondern lediglich eine erforderliche Mindestversorgung sicherstellen soll. Für alle üb-rigen Bereiche müsse ein Finanzierungssystem gefunden werden, das den Krankenhäusern erlaube, ihr Angebot im Wettbewerb an dem lokalen Bedarf auszurichten und stetig fortzuentwickeln. Die Monopolkommission unterstützt daher die Rückkehr zu einer monistischen Krankenhausfinanzierung, wonach sämtliche Betriebsausgaben und Investitionen aus Fallpauschalen gedeckt wären. Darüber hinaus schlägt die Monopolkommission die Einführung spezieller Optionstarife in der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Den Versicherten würde dadurch die Möglichkeit eröffnet, durch ein freiwilliges Opting-Out einen günstigeren Tarif als den Standardtarif zu wählen und dafür im Gegenzug bestimmte Krankenhausleistungen nur in den ausgewählten Vertragskrankenhäusern ihrer Krankenkasse wahrzunehmen. Dies soll zu einer Beitragssenkung der Versicherten führen.

·    „More economic approach“ in der europäischen Beihilfenkontrolle
Das Reformziel der EU-Kommission, einen stärker ökonomisch fundierten Ansatz in der eu-ropäischen Beihilfenkontrolle zur Anwendung gelangen zu lassen, wird von der Monopolkommission befürwortet, der Ansatz geht ihr jedoch nicht weit genug. Sie empfiehlt, bereits bei der begrifflichen Prüfung des Vorliegens einer Beihilfe (Tatbestandsebene) zu prüfen, ob diese geeignet sei, den Wettbewerb zu verfälschen und den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Hierfür müsse eine gewisse „Spürbarkeit“ vorausgesetzt werden, um zu vermeiden, dass sich der Anwendungsbereich des Beihilfenverbots auch auf Sachverhalte von geringer zwischenstaatlicher Bedeutung mit lediglich lokalem Schwerpunkt erstreckt.
Verfahrensrechte von Wettbewerbern und Beihilfenempfängern sollen darüber hinaus gestärkt, die Untersuchungsmöglichkeiten der EU-Kommission gegenüber Unternehmen verbessert und kürzere, verbindliche Genehmigungsfristen eingeführt werden. Zur Kontrolle der richtigen Verwendung nationaler und staatlicher Beihilfen solle eine unabhängige europäische Aufsichtsbehörde errichtet werden.