21.07.2008

EU-Kommission entscheidet über gängige Geschäftspraktiken von Verwertungsgesellschaften

Die Europäische Kommision hat am 16. Juli 2008 ihre Entscheidung im Kartellverfahren gegen den Weltverband der musikalischen Verwertungsgesellschaft CISAC (International Confederation of Societies of Authors and Compers) und 24 europäische Verwertungsgesellschaften bekannt gegeben. Mit der Entscheidung beendet die Kommission ein seit zwei Jahren laufendes Verfahren, das auf die Beschwerden von RTL und dem britischen Online-Musikanbieter Music Choice hin eingeleitet wurde. Die Beschwerde von RTL betraf die Weigerung der GEMA, der RTL-Gruppe für ihre Musiksendungen eine gemeinschaftsweite Lizenz zu erteilen, die Beschwerde von Music Choice hingegen einen Mustervertrag für Gegenseitigkeitsvereinbarungen über Aufführungsrechte, die die der CISAC angehörenden Verwertungsgesellschaften untereinander geschlossen hatten. Nachdem die Kommission zunächst im Jahr 2007 erfolglos versucht hatte, die Rechtssache gütlich über Verpflichtungszusagen beizulegen, erging nun eine Entscheidung, mit der zwar keine Bußgelder verhängt wurden, jedoch eine Änderung der bislang von den Verwertungsgesellschaften verfolgten Geschäftspraktiken verlangt wird. Wegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG als auch Artikel 53 EWR-Abkommen ist es Verwertungsgesellschaften künftig untersagt, folgende zwei Beschränkungen anzuwenden:

Mitgliedschaftsklauseln, die Urheber daran hindern, selbst eine Verwertungsgesellschaft auszuwählen oder ihre Verwertungsgesellschaft zu wechseln.
Gebietsabsprachen, nach denen Dienstleistungen vor allem für die Bereiche Online-Nutzung, Satellitenübertragung sowie Kabelweitersendung von Verwertungsgesellschaften auf einzelne Mitgliedsstaaten beschränkt werden.
Künftig soll es damit durch eine Belebung des Wettbewerbs zwischen den Verwertungsgesellschaften vor allem gewerblichen Nutzern wie Radio- und Fernsehkanälen möglich sein, Mehrgebietslizenzen von einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl erwerben zu können. Kommissarin Neelie Kroes erklärte hierzu: „Diese Entscheidung wird sich positiv auf die kulturelle Vielfalt auswirken und Anreize für die Verwertungsgesellschaften schaffen, Komponisten und Textern bessere Konditionen im Hinblick auf die ihnen zustehenden Tantiemen zu bieten. Mit der Entscheidung wird außerdem ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Übertragung per Satellit, Kabel und Internet geleistet, die Endnutzern ein größeres Angebot und Urhebern potenzielle Zusatzeinnahmen bietet. Die Kommission hat jedoch dafür gesorgt, dass die Vorteile der kollektiven Verwaltung von Rechten nicht in Frage gestellt und dadurch etwa die Höhe der Tantiemen oder der Umfang des verfügbaren Musikrepertoires gefährdet werden.“

Die vollständige Entscheidung liegt momentan noch nicht vor, wird aber in den kommenden Tagen veröffentlicht werden. Die betroffenen Verwertungsgesellschaften haben dann innerhalb von 120 Tagen Zeit, ihre Verträge den Vorgaben der Kommissionsentscheidung anzupassen. Dass einige der Verwertungsgesellschaften Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen werden ist nicht unwahrscheinlich, denn das von der Kommission angestrebte Postulat eines freien Dienstleistungsverkehrs ist nicht unumstritten. Befürchtet wird vor allem, dass der freie Dienstleistungsverkehr zulasten der kreativen Leistung und kulturellen Vielfalt in Europa gehen könnte, weil hohe Einnahmeverluste der Musikautoren zu erwarten seien.