26.06.2006
USA: Beginn der Anhörungen von DoJ und FTC zum Behinderungsmissbrauch
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/majoras |
https://www.us.doj/atr/public/speeches
Die angekündigten Anhörungen der beiden amerikanischen Wettbewerbsbehörden zum Behinderungsmissbrauch (FIW-Aktuelles vom 3.4.2006) haben am 20. Juni 2006 mit Einführungsvorträgen von Mrs. Majoras (FTC) und Mr. Barnett (DoJ) begonnen. Sie werden sich bis zum Jahresende fortsetzen, mit einem Bericht enden und stellen eine parallele Veranstaltung zu den Diskussionen der Generaldirektion Wettbewerb über Artikel 82 EUV dar. Deshalb sind die Debatten über Sec. 2 des Sherman Act auch für das europäische Fachpublikum von Interesse. Wir berichten deshalb fortlaufend über diese Hearings:
Deborah Platt Majoras: The Consumer Reigns: Using Section 2 to Ensure a Competitive Kingdom (14 Seiten)
- Auf den meisten Gebieten des Wettbewerbsrechts hat sich in den USA ein Konsens entwickelt, der Transparenz und Berechenbarkeit der Praxis von Gerichten und Behörden gewährleistet. Einseitiges Verhalten von Unternehmen (unilateral or single-firm conduct) gibt aber immer noch Rätsel auf (still vexes).
- Das Thema spielt auch anderswo eine Rolle: Überführung staatlicher Monopole in den freien Wettbewerb, unterschiedliche Praxis einzelner Wettbewerbsbehörden, besondere Schwierigkeit des Problems.
- Die Unterscheidung zwischen nützlichem und schädlichem Verhalten ist schwierig (Hinweis auf den Microsoft-Fall). Jede Abgrenzung muss konsistent und transparent sein. Die Definition der Abhilfen (Überwachung!) ist nicht einfach.
- Es gibt viele Vorschläge, besonders zum Test für die Abgrenzung: einheitlicher Test für alles? Impact on consumer welfare? No economic sense? Sacrifice of profit? Equally efficient rivals? Different test for particular types of conduct?
- Vorschlag für das Vorgehen: Man beginnt mit den verschiedenen Arten von Verhaltensweisen. Man errichtet Wegweiser (signposts) für die Trennung von unschädlichem und schädlichem Verhalten. Daraus könnten Leitlinien (guiding principles) entwickelt werden. Erst dann sollte der gegenwärtige Rechtszustand analysiert werden. Es geht aber immer um praktische Lösungen: the search for the „holy grail“ test might just be something in which only about 27 people have an interest.
- Es geht um Verhalten, das dauerhaft den Wettbewerb schädigt. Das Recht darf nicht Wettbewerb, Effizienzen oder Innovation behindern. Schließlich müssen die Regeln leicht handhabbar sein. Auch muss vermieden werden, dass die Behörde im Nachhinein ein Unternehmen belehrt, welche Entscheidung es besser anstelle der getroffenen gewählt hätte (no second-guessing). Ferner muss berücksichtigt werden, dass verschiedenen Verhaltensweisen schadensträchtiger als andere sind (Angebote über Kosten sollten nicht beanstandet werden).
- Mrs. Majoras geht am Schluss noch detailliert auf die Microsoft-Entscheidung des US Court of Appeals for the District of Columbia Circuit ein.
Thomas O. Barnett: The Gales of Creative Destruction: The Need for Clear and Objective Standards for Enforcing Section 2 of the Sherman Act (18 Seiten)
Der Titel nimmt das berühmte Wort Schumpeters vom “Sturm der schöpferischen Zerstörung” auf: die Aussicht auf Monopolgewinne löst diesen Prozess aus und erfüllt deshalb einen wichtigen Zweck im Kapitalismus.
- Die Anhörungen sollen den Wettbewerbsbehörden helfen, aber auch der Rechtsprechung, indem Bereiche herausgearbeitet werden, in denen Konsens besteht.
- Mr. Barnett stellt dann die Entwicklung von Lehre und Rechtsprechung zur Monopolisierung dar, die besonders durch die Entscheidungen des Supreme Court in Standard Oil (1911), Brooke Group (1993) und Trinko (2004) markiert wird. Aber auch heute ist es immer noch schwer zu entscheiden, ob die Praktiken eines Marktbeherrschers oder Monopolisten dem Wettbewerb schaden oder ihn fördern.
- Fest steht nur, dass bei Kampfpreisen der Marktbeherrscher seine Verluste aufholen können muss (recoupment), dass man vom Schaden eines Wettbewerbers nicht auf den Schaden für den Wettbewerb schließen darf und dass ein safe harbour bei Angeboten oberhalb „an appropriate measure of cost“ besteht (Brooke Group). Interventionen der Behörden in den Markt müssen nach Vorteilen und Nachteilen sorgfältig abgewogen werden. Abhilfen müssen von den Gerichten oder Behörden kontrolliert werden können (Trinko). Im anhängigen Fall Weyerhaeuser geht es um das Angebot angeblich überhöhter Preise durch einen Nachfrager (predatory bidding).
- Nachdem Mr. Barnett einen Ausblick auf die weiteren Themen der Anhörungen gegeben hat, formuliert er sechs Grundsätze der Antitrust Devision bei der Anwendung von Section 2:
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- Unternehmen mit Marktmacht können dem Wettbewerb schaden.
- Größe allein begründet noch keinen Schaden für den Wettbewerb.
- Schädigung eines anderen Wettbewerbers beweist noch nicht den Schaden für den Wettbewerb.
- Unternehmer und Verbraucher profitieren von klaren, praktikablen und objektiven Regeln.
- Wettbewerbsförderndes Verhalten darf nicht unterbunden werden.
- Abhilfen müssen wirksam und von Gerichten und Behörden durchsetzbar sein.