09.03.2006
EU: Vorläufiger Bericht über die Sektoruntersuchungen der Gas- und Strommärkte
EU
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https://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/sector_inquiries/energy |
Am 16. Februar 2006 hat Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes den Vorläufigen Bericht über die Sektoruntersuchungen der Gas- und Strommärkte vorgestellt (Energy Sector Inquiry: Draft Preliminary Report, 192 Seiten und 24 Seiten Anlagen, vorangestellte Zusammenfassung von 8 Seiten). Stellungnahmen können bis zum 1. Mai 2006 eingereicht werden.
Für die schnelle Orientierung sind vier Dokumente geeignet: die Zusammenfassung des Berichts, die Pressemeldung IP/06/174 vom 16. 2.06, ein Papier über „Fragen und Antworten“ (MEMO/06/78 vom gleichen Tage) sowie die Rede von Frau Kroes bei der Vorstellung des Berichts („Towards an efficient and integrated European energy market – first findings and next steps“). Frau Kroes: „I am afraid I have to paint a rather gloomy picture“ (Rede Seite 3).
Die Sektoruntersuchung hatte im Sommer 2005 begonnen. Erste Ermittlungsergebnisse hatte die Kommission im November 2005 in einem „Issues Paper“ publiziert (FIW-Aktuelles vom 18.11.05). Nun folgt die ausführlichere Darstellung:
Gasmärkte
- Auf den Gasmärkten besteht eine hohe Marktkonzentration aus der Zeit vor der Liberalisierung mit entsprechender Kontrolle der Erzeugung und der Importe.
- Abschottungswirkungen ergeben sich aus den sehr langfristigen Verträgen der Importeure mit Erzeugern, aber auch durch die vertikale Integration in die Verteilerebene. Marktzutritte sind dadurch außergewöhnlich schwierig.
- Die Integration des europäischen Marktes ist unvollkommen. Deshalb üben grenzüberschreitende Lieferungen keinen Wettbewerbsdruck auf die nationalen Märkte aus.
- Die Transparenz ist unzureichend. Potentiellen Netznutzern fehlt es an den benötigten Informationen über die minimalen Anforderungen hinaus, die durch EG-Recht eingeführt worden sind.
- Die Preisbildung ist ebenfalls nicht genügend transparent. Die Bindung an den Ölpreis verhindert, dass der Preis von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Strommärkte
- Auf der Großhandelsebene sind die Märkte weiterhin national und hoch konzentriert. Marktmacht hängt dabei nicht allein von den Marktanteilen ab. Untersuchungen bei Strombörsen haben gezeigt, dass einige Erzeuger durchaus die Mittel haben, die Preise anzuheben, auch durch die Möglichkeit, Kapazitäten zurückzuhalten.
- Die vertikale Integration von Erzeugung und Verteilung ist das beherrschende Element auf vielen Strommärkten. Der Netzzugang für Dritte ist dadurch sehr schwierig. Die existierenden Verpflichtungen zur Entbündelung werden kritisch beurteilt.
- Der europäische Markt ist sehr wenig integriert, was den Druck auf nationale Märkte nicht entstehen lässt.
- Es gibt einen ernsten Mangel an Transparenz, was ebenfalls den Zugang für Dritte behindert.
- Die Preisbildung ist komplex. Viele Abnehmer haben wenig Vertrauen in ihren Mechanismus. Die Analyse zeigt noch nicht, wie sich der Emissionshandel auf die Preise ausgewirkt hat.
Was ist zu tun?
Frau Kroes: „For all these issues, the problems appear clear, but the appropriate remedies less so“ (Rede Seite 9).
In dem Bericht werden mögliche Abhilfen nur aufgezählt, aber nicht ausführlich behandelt. Dies bleibt dem abschließenden Grünbuch vorbehalten, das die Kommission Ende 2006 herausgeben will. Bis dahin ist die Diskussion offen. In Betracht kommen mehrere Instrumente:
- Fusionskontrolle (Erweiterung der Zuständigkeit der Kommission, bekanntlich sehr umstritten),
- Kartellrecht (Abschottung durch vertikale Integration, langfristige Verträge, Bezugsbindungen, Beschränkung eines Wechsels des Abnehmers),
- Regulierung (Herstellung von größerer Transparenz, Einschränkung von „grandfathering rights“, Regulierung der Verbindungsstellen zwischen nationalen Netzen, Überwachung der Bedingungen des Netzzugangs für Dritte),
- Strukturelle Änderungen (Entbündelung).