19.01.2006
Dr. Böge (Bundeskartellamt): "Renaissance der Missbrauchsaufsicht ?" (Vortrag)
Deutschland
|
https://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/aktuelles/2006_01_17.shtml |
Das Bundeskartellamt hat der E.ON Ruhrgas AG langfristige Gaslieferverträge mit Weiterverteilern, die mit einem hohen Grad an jährlicher Bedarfsdeckung kombiniert sind, untersagt. Der Präsident des Bundeskartellamts, Dr. Ulf Böge, hat am 17. Januar 2006 sein Statement auf der 13. Jahrestagung Energiewirtschaft des „Handelsblattes“ in Berlin benutzt, um diese Entscheidung zu erläutern und zu begründen:
- Gegen das Kartellrecht verstoßen Lieferverträge über 50 bis 80 Prozent des Jahresbedarfs mit einer Laufzeit von mehr als 4 Jahren, über mehr als 80 Prozent des Jahresbedarfs mit einer Laufzeit von mehr als 2 Jahren. Altverträge sind bis zum 30. September 2006, dem Beginn des neuen Versorgungsjahres, anzupassen.
- Von der Verfügung sind aus Gründen der Praktikabilität Verträge mit Stadtwerken ausgenommen, deren Bedarf nicht mehr als 200 GWh pro Jahr beträgt. Diese Verträge sind allerdings ebenfalls kartellrechtswidrig.
- Nicht betroffen sind Verträge von E.ON Ruhrgas mit den Gaslieferanten (Importstufe), auch nicht Verträge mit industriellen Großabnehmern oder solche, die mit dem Bau von Gaskraftwerken oder anderen Investitionen zusammenhängen.
Dr. Böge weist auf den großen Grad der Marktabschottung hin: Etwa 70 Prozent der im Netzgebiet von E.ON Ruhrgas ansässigen Weiterverteiler sind verpflichtet, ihren Bedarf zu 100 Prozent bei E.ON Ruhrgas zu decken. Stellt man auf Deutschland ab, sind 75 Prozent aller Verträge mit Weiterverteilern über Bedarfsmengen von 80 Prozent oder mehr bei langen Laufzeiten abgeschlossen.
Zur Rechtfertigung beruft sich das Bundeskartellamt auf europäisches Recht:
- Nach der Vertikal-GFVO 2790/99 ist der Alleinbezug für einen Jahresbedarf von 80 Prozent bis zu 5 Jahren freigestellt, allerdings darf der Lieferant höchstens 30 Prozent Marktanteil haben (Art. 4 b, 5 a, 3 Abs. 1).
- Das Europäische Gericht erster Instanz hat in zwei Fällen Alleinbezugsbindungen mit einer Laufzeit von 2 ½ Jahren als Verstoß gegen Art. 81 EU bewertet, wenn der Bindungsgrad des Absatzes auf dem relevanten Markt 30 Prozent überschritt (Entscheidungen Langnese-Iglo und Schöller, beide vom 8.6.1995).