16.11.2005
William Blumenthal (FTC): The Rhetoric of Gun-Jumping (Vortrag)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/blumenthal.htm |
Mr. Blumenthal, General Counsel der Federal Trade Commission, hielt am 10. November 2005 bei einem Seminar der Association of Corporate Counsel in Washington einen Vortrag mit dem Titel „The Rhetoric of Gun-Jumping“ (14 Seiten):
- Als „Gun-Jumping“ (Frühstart) bezeichnet man in der amerikanischen Fusionskontrolle Verstöße gegen das Vollzugsverbot vor der Freigabe eines Zusammenschlusses. Koordinierende Aktivitäten der Parteien des Zusammenschlusses können gegen das allgemeine Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden in Sec. 1 Sherman Act verstoßen oder Sec. 7 A des Hart-Scott-Rodino Act verletzen, wonach für anmeldepflichtige Fusionen eine Wartefrist gilt, in der die „acquisition of beneficial ownership“ zu unterlassen ist.
- In den vergangenen 10 Jahren haben die amerikanischen Wettbewerbsbehörden 6 Fälle vor Gericht gebracht, die in einem Anhang zum Vortrag (5 Seiten) ausführlich dargestellt sind. Das Problembewusstsein ist dadurch aber so stark gewachsen, dass nunmehr manchmal Handlungen unterlassen werden, die von den Behörden nicht verfolgt werden würden (type I error).
- Für den Erfolg eines Zusammenschlusses ist die schnelle Integration der beteiligten Unternehmen entscheidend. Dies zeigen mehrere Untersuchungen. Die Integration muss früh geplant werden und zügig vorbereitet sein. Dies erfordert einen umfassenden Informationsaustausch und die Zusammenarbeit von „Übergangsteams“ schon vor der Freigabe der Fusion durch die Behörden. Hier liegen einige Gefahrenquellen.
- Nach Sec. 1 Sherman Act unterliegt die Beurteilung wettbewerbsbeschränkender Abreden der rule of reason. Im speziellen Fall geht es meist um Nebenabreden zum Fusionsvertrag, die als „ancillary restraints“ unbedenklich sein können. Dieser Bestimmung unterliegen alle, auch die nicht anmeldepflichtigen Zusammenschlüsse. Es kommt hier auf die Beurteilung der Wirkungen solcher Abreden auf den Wettbewerb an.
- Nach Sec 7 A HSR ist der Erwerb von „beneficial ownership“ verboten. Die Bestimmung betrifft nur anmeldepflichtige Unternehmen. Die Wirkungen einer Aktivität auf den Wettbewerb sind für die Analyse weitgehend zu vernachlässigen (immaterial). „Beneficial ownership“ ist nicht definiert. Es werden verschiedene Faktoren in der Analyse berücksichtigt. Am Ende wird eine Abwägung getroffen (Wem stehen Gewinne zu? Wer trägt die Risiken? Wir wirken sich Änderungen der Kapitalisierung aus? Welche ungewöhnlichen Geschäfte sind verboten, wer entscheidet darüber?).
- Näher behandelt werden als erstes Nebeneffekte (spillover) einer Due Diligence und der Planung des Übergangs zu einem einheitlichen Unternehmen (problematisch ist die Planung von Preisen, Marketingmaßnahmen, Kundenbetreuung, Investitionen für die Zeit nach dem Vollzug schon im Vorfeld, weil sich jeder Partner darauf unwillkürlich einstellt).
- Als zweites werden Maßnahmen betrachtet, die vor der Fusion eingeleitet und begonnen werden müssen, sich aber erst nach dem Vollzug auswirken werden (Bau einer Anlage, die beim Scheitern der Fusion für einen Partner sinnvoll bleibt, aber im Falle der Fusion nicht gebraucht würde). Hier werden Einzelheiten untersucht, etwa die Wichtigkeit und Dringlichkeit der Entscheidung, die Möglichkeit einer Korrektur oder die mit der Aufgabe des Projektes verbundenen Effizienzen.
- Schließlich folgen Bemerkungen zum gemeinsamen Marketing (joint marketing). Hier ist offenbar bei den Interessenten ein Missverständnis entstanden, das ausgeräumt werden soll: Das gemeinsame Produktmarketing ist eindeutig verboten, nicht aber das Marketing der Fusion selbst, also der gemeinsame Auftritt der beiden noch getrennten Partner in der Öffentlichkeit oder gegenüber Lieferanten und Kunden („courtesy calls“).