07.03.2005
USA: Antitrust Modernization Committee beschließt Arbeitsprogramm
USA
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Das AMC ist eine Kommission, die der amerikanische Kongress beauftragt hat, Reformbedarf im Antitrustrecht festzustellen und Vorschläge zur Abhilfe zu machen.
In seiner dritten Sitzung am 13. Januar 2005 hat das AMC ein umfangreiches Arbeitsprogramm beschlossen (das Wortprotokoll von 242 Seiten ist auf der Webseite abrufbar). Aus den zahlreichen Vorschlägen, die in den vergangenen Monaten eingereicht worden waren, hat AMC dreißig ausgewählt. Sie werden nun von den Kommissionsmitgliedern und ihren Mitarbeitern in acht Arbeitsgruppen behandelt. Die interessierten Kreise werden zu gegebener Zeit zu Stellungnahmen aufgefordert und angehört werden. AMC will den Entwurf des Abschlussberichts im Sommer 2006 vorlegen, da das Mandat des AMC auf drei Jahre befristet ist und im Frühjahr 2007 ausläuft.
Im Einzelnen wird sich AMC mit folgenden Themen beschäftigen:
Working Group "Civil Procedure and Remedies" (Vorsitz Debra Valentine, United Technologies)
- Wer soll auf Schadensersatz wegen Kartellverstößen klagen können?
Der Supreme Court beschränkt das Klagerecht im Bundesrecht bekanntlich auf den Erstabnehmer (Hanover Shoe, Illinois Brick), mehrere Einzelstaaten lassen hingegen auch Klagen von "indirect purchases" zu, so dass ein "checkerboard of state laws" entstanden ist. Zu prüfen ist, ob eine landesweit einheitliche Lösung zu empfehlen ist. - Soll an der Verfolgung von Kartellverstößen durch die Einzelstaaten etwas geändert werden?
Man will Vorteile und Nachteile einer solchen Rechtsdurchsetzung gegenüber stellen. Es geht hauptsächlich um Vorgänge, die mehrere Einzelstaaten betreffen, aber auch um Fusionen, die sich in mehreren Staaten auswirken. - Worauf sollte privater Schadensersatz gerichtet sein?
Die Regelung über den dreifachen Schadensersatz könnte zu starr sein. Man will erörtern, ob den Gerichten ein größerer Ermessensspielraum (nach oben und nach unten) eingeräumt werden sollte. Ein anderes Problem ist der Schadensausgleich unter Kartellanten, der heute abgeschnitten ist, obwohl jeder Kartellant gesamtschuldnerisch für den gesamten Schaden haftet, was außergerichtlich zu strategischem Verhalten ausgenutzt werden kann. Schließlich geht es um die Gewährung von Zinsen ab dem Zeitpunkt des Verstoßes (pre-judgement interest) und um die Kostenerstattung, die heute nur der erfolgreiche Kläger verlangen kann. - Soll an den Zwangsmitteln der Wettbewerbsbehörden etwas geändert werden?
Zur Debatte stehen die strukturellen Maßnahmen, ein Recht des DoJ zur Verhängung von Geldbußen und die Befugnis der FTC zur Abschöpfung des Mehrerlöses (disgorgement). - Sollten die Wettbewerbsbehörden bei der Verfolgung von Kartellverstößen an Fristen gebunden werden?
AMC stellt dies zunächst zurück und will darüber erst einmal mit den Wettbewerbsbehörden selbst diskutieren.
Working Group "Criminal Procedure and Remedies" (Vorsitz: John Shenefield, Morgan Lewis)
- Soll Section 3 des Robinson-Patman Act abgeschafft werden?
Die Abschaffung betrifft Verkäufe zu "unvernünftig niedrigen Preisen" und ist in den letzten dreißig Jahren nicht mehr angewendet worden. - Sollen die gesetzlichen Bestimmungen über Geldbußen für Preisabsprachen und ähnliche Vergehen überarbeitet werden, nachdem der Supreme Court Entscheidungen zu den Federal Sentencing Guidelines gefällt hat?
Das Thema soll zurückgestellt werden, bis mehr Klarheit über die Konsequenzen der Entscheidungen besteht (Blakeley, Booker, Fanfan, Apprendi). Die Sentencing Guidelines regeln die Bemessung der Geldbuße nach dem Prinzip "twice the gain or loss", wodurch die Behörden über die gesetzliche Grenze von nunmehr 100 Millionen Dollar hinaus gehen können. Der Supreme Court verlangt aber eine stärkere Beteiligung von Juries, was die üblichen Absprachen über eine Geldbuße zwischen den Kartellanten und den Behörden unmöglich machen würde. - Sollten Strafverfahren in Kartellsachen effizienter gestaltet und verkürzt werden?
AMC will auch hier erst noch einmal mit den Wettbewerbsbehörden sprechen, um die Möglichkeiten zu erkunden.
Working Group "Immunities and Exemptions" (Vorsitz: Jonathan Yarowsky, Patton Boggs)
- Soll man die Befreiungen vom Kartellrecht, die verschiedenen Wirtschaftsbereichen in unterschiedlichem Ausmaß gewährt worden sind, abschaffen?
AMC hat zunächst rund zwei Dutzend solcher Ausnahmebereiche aufgelistet: von der Landwirtschaft bis zum Transportwesen, vom Baseball bis zur Post und den Universitäten. Zur Diskussion steht neben der Abschaffung auch die Befristung solcher Ausnahmen. - Soll die Ausnahme des Hoheitsaktes (state action doctrine) geändert werden?
Der Gesetzgeber kann staatliches Handeln vom Kartellrecht freistellen, muss dies nach der Rechtsprechung des Supreme Court aber klar zum Ausdruck bringen (articulate clearly) und überwachen (supervise actively). Dies wird zunehmend großzügig gehandhabt. Besondere Probleme bereiten Ausnahmebestimmungen eines Einzelstaates, die sich in einem anderen auswirken, und die Teilnahme von Gemeinden am Wirtschaftsverkehr. - Soll die Noerr-Pennington-Doktrin geändert werden?
Anträge an den Staat sind kartellrechtlich neutral, auch wenn dadurch Wettbewerber behindert werden. Dies ist ausgenutzt und missbraucht worden, etwa wenn Anträge nur gestellt werden, um gegenüber Wettbewerbern Zeit zu gewinnen.
Working Group "Intellectual Property" (Vorsitz: Professor Dennis Carlton, University of Chicago)
- Sollten Industrien, in denen besonders viel technologische Innovation stattfindet, wettbewerbsrechtlich anders als andere Industriezweige behandelt werden?
Es geht hier um Probleme wie die Feststellung von Marktmacht, wenn Schutzrechte involviert sind, die richtigen Fristen für die Annahme von Marktzutritten, den Begriff des Innovationsmarktes und Einzelheiten wie die Koppelung, der Schutzrechte zugrunde liegen. - Wie wirkt sich gegenwärtig das System des gewerblichen Rechtsschutzes auf den Wettbewerb aus?
AMC hat sich hier noch nicht festgelegt, in welche Richtung dieses sehr weite und allgemeine Thema bearbeitet werden sollte und ob dies nicht eher ein patentrechtliches Problem ist.
"International" Working Group (Vorsitz: Makan Delrahim, DoJ)
- Soll der Federal Trade Antitrust Improvements Act (FTAIA) hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit amerikanischer Gerichte klarer gefasst werden?
Hintergrund ist die Empagran-Entscheidung des Supreme Court. - Sollten Exportkartelle verboten werden, die jetzt nach dem Webb-Pomerene Act und dem Export Trading Company Act zulässig sind?
- Welche Änderungen sind in den USA zweckmäßig, um die Zusammenarbeit mit anderen Wettbewerbsbehörden zu erleichtern?
Dieses Thema zielt vor allem auf das International Competition Network. Behandelt werden soll vor allem das Problem der Mehrfachanmeldungen von Zusammenschlüssen.
Working Group "Mergers, Acquisitions and Joint Ventures" (Vorsitz: Debra Garza, Fried Frank Harris, Vorsitzende des AMC)
- Sollten weiterhin zwei Wettbewerbsbehörden (DoJ und FTC) für die Fusionskontrolle zuständig sein? Sollte man die Zuständigkeit klar nach Industriezweigen aufteilen?
Es gibt einige Unterschiede im Verfahren der beiden Behörden, wobei nicht klar ist, wie stark sich dies in der Praxis auswirkt. Dasselbe gilt für die Standards bei der Nachprüfung der Entscheidungen, was auch darauf beruht, dass DoJ Teil der Regierung, die FTC aber eine unabhängige Einrichtung ist. Eine Aufteilung der Zuständigkeiten, verabredet von den beiden Behörden, ist vor Kurzem im Kongress gescheitert. - Wenn es bei geteilter Zuständigkeit bleibt, sollten dann vorhandene Verfahrensunterschiede eingeebnet werden?
- Sollte die Fusionskontrolle in einigen Punkten geändert werden?
Erwähnt werden die Definition anmeldepflichtiger Zusammenschlüsse, die Länge des Verfahrens, der Aufwand für "Second Requests" und "Civil Investigative Demands" und die Transparenz des Entscheidungsprozesses. - Welche Rolle kommt privaten Dritten und den Einzelstaaten in der Fusionskontrolle zu? Sollte die Fusionskontrolle auf die Bundesbehörden beschränkt bleiben oder was kann unternommen werden, damit ein Zusammenschluss nicht vielfachen Angriffen Privater und der Einzelstaaten ausgesetzt ist?
- Bewerten Behörden und Gerichte die Effizienzen eines Zusammenschlusses richtig?
- Ist die heutige Kontrolle von Zusammenschlüssen, besonders nach den Horizontal Merger Guidelines, geeignet, Märkte offen zu halten und gleichzeitig amerikanische Unternehmen in einem globalisierten Umfeld nicht zu behindern?
- Sollte das Verfahren der Fusionskontrolle weiter an die internationalen Standards angeglichen werden, um Mehrfachanmeldungen zu erleichtern?
Dieses Thema ist zunächst noch etwas zurückgestellt worden.
Working Group "Regulated Industries" (Vorsitz: Stephen Cannon, Circuit City Stores)
- Wie sollten in regulierten Industrien die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zwischen den Wettbewerbs- und den Regulierungsbehörden aufgeteilt werden?
Heute gibt es zwei Modelle: die Aufgabenteilung zwischen den Behörden und die ausschließliche Zuständigkeit der Regulierungsbehörde. - Was ist der richtige Standard für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf solche Industrien, wenn es keinen Ausschluss des Wettbewerbsrechts gibt oder wenn eine "Antitrust Savings Clause" existiert?
Regulierte Industrien sind im Allgemeinen vom Antitrustrecht ausgenommen, oft ausdrücklich. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gesetzgeber eine Antitrust Savings Clause beschlossen hat. - Sollten der Kongress oder die Regulierungsbehörden für einzelne regulierte Industriezweige Handlungen erlauben, die nach allgemeinem Antitrustrecht untersagt sind?
Es gibt offenbar bereits solche Regelungen, wenn auch nicht in sehr großer Zahl (etwa im Bankwesen).
Working Group "Single-Firm Conduct" (Vorsitz: Jonathan Jacobson, Akin Gump)
- Gibt es Anlass, in der "New Economy" Marktmissbrauch und vertikale Verhaltensweisen strenger oder milder zu beurteilen?
- Soll der Robinson-Patman Act aufgehoben oder geändert werden?
Dieses Gesetz verbietet Preisdiskriminierungen. Seine Regelungen werden seit langem in den USA kritisiert, weil sie angeblich zu wenig auf die wettbewerblichen Wirkungen abstellen und dadurch lebhaften Preiswettbewerb unterbinden. - Sollten die Voraussetzungen für behinderndes (exclusionary) oder wettbewerbswidriges (anticompetitive) Verhalten in Section 1 und 2 des Sherman Act geändert werden?
Es geht hier um eine Überprüfung der Regel über den Marktmissbrauch. Geprüft werden soll, ob die Vorschriften über das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen gelockert werden sollten, ob man sich dem europäischen Konzept annähern sollte, ob man es marktbeherrschenden Unternehmen erleichtern sollte, auf benachbarten, nicht beherrschten Märkten tätig zu werden, ob die Geschäftsverweigerung immer zulässig sein sollte, ob die Regeln über Koppelungsgeschäfte klarer gefasst werden sollten und wie man Rabattsysteme einzuschätzen hat.
Zusätzliches Thema
Diese Untersuchung hatte das DoJ angeregt. Angesichts des großen Umfangs einer solchen Arbeit und der kurzen Zeit haben einige Kommissionsmitglieder Zweifel, ob eine Befassung sinnvoll ist. Andere weisen aber darauf hin, dass man zumindest eine solche Überprüfung in Gang setzen könnte. Man will darüber zunächst noch einmal mit DoJ und FTC sprechen.