01.04.2005
UK: "Predicting Cartels" - Studie für das OFT
Großbritannien
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https://www.oft.gov.uk |
Die britische Wettbewerbsbehörde, das Office of Fair Trading, hat im März 2005 ein interessantes "Economic Discussion Paper" mit dem Titel "Predicting Cartels" veröffentlicht. Autoren sind zwei Wissenschaftler der Universität Bristol, Professor Paul A. Grout und Ms. Silvia Sonderegger. Es handelt sich um eine empirische Studie der ökonomischen und strukturellen Faktoren, die zur Bildung, Aufrechterhaltung und auch zur Entdeckung von Kartellen beitragen können. Die Studie umfasst 127 Seiten und besteht aus einer einleitenden Zusammenfassung (19 Seiten), dem Textteil (67 Seiten) und verschiedenen Anhängen.
Analyse
Zunächst werden mittels einer Literaturrecherche die (weitgehend bekannten) Faktoren zusammengestellt, die eine Vereinbarung von Kartellen erleichtern:
- Geringe Zahl von Unternehmen in einem Markt
- Hohe Marktzutrittsschranken
- Überkapazitäten
- Stabile oder wachsende Nachfrage
- Häufige Interaktion der Unternehmen
- Markttransparenz
- Symmetrische Kostenstruktur und geringe Qualitätsunterschiede
- Geringe Produktdifferenzierung
- Fehlende Nachfragemacht.
Danach wird versucht, durch eine empirische Analyse die Wahrscheinlichkeit von Kartellen in einzelnen Industriezweigen zu ermitteln. Dazu werden europäische (EU seit 1990) und amerikanische (DoJ seit 1994) Fälle ausgewertet. Die Charakteristika dieser aufgedeckten Kartelle werden herausgearbeitet und mit ökonometrischen Modellen gleichsam als Raster auf alle anderen Industrien übertragen. Auf diese Weise gelangt die Studie zu einer Rangliste derjenigen 25 Industriezweige, die am anfälligsten für Kartellbildungen sind (Tabelle B 11, Seite 108). Sie wird angeführt von der Bauindustrie, der Telekommunikation, dem Luftverkehr, der Softwareindustrie und der Stahlindustrie.
In einem dritten Schritt werden Kartelle in zwei Industrien, dem Seetransport und der Herstellung chemischer Grundstoffe, näher untersucht. Diese Fallstudien lassen ebenfalls Faktoren erkennen, die einer Kartellbildung günstig sind:
- Fallende Preise
- Marktschocks, die zu Überkapazitäten führen
- Marktzutrittsschranken (für die Entdeckung weniger wichtig)
- Transparenz (einerseits für Kartelle förderlich, andererseits aber auch für die Entdeckung)
- Größe der Unternehmen, Konzentration, stabile Marktanteile (nicht notwendigerweise gleich groß)
- Produkthomogenität.
Schlussfolgerungen
Es gibt drei Faktoren, die nach der Studie für die Entstehung von Kartellen ganz besonders wichtig sind:
- Homogene Produkte
- Geringe Schwankungen der produzierten Mengen und der Absatzbedingungen
- Gleichbleibende Marktanteile.
Zu diesen Grundvoraussetzungen müssen aber noch weitere Faktoren hinzutreten, die gleichsam zur Bestätigung dienen (collaborative evidence):
- Transparenz des Marktes
- Lohnkosten (ein ungewöhnlicher Faktor: je höher diese Kosten sind, desto wahrscheinlicher soll es zu Kartellen kommen)
- Zahl der Unternehmen im Markt
- Marktzutrittsschranken
- Überkapazitäten
- Platz einer Industrie in der erwähnten Rangliste.