06.04.2005

Scott Hammond (DoJ): Antitrust Sentencing (Vortrag)

USA
Department of Justice
Antitrust
Strafverfolgung

https://www.usdoj.gov/atr/public/speeches

Mr. Scott D. Hammond ist im amerikanischen Justizministerium für die Strafverfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständig (Deputy Assistant Attorney General for Criminal Enforcement). Er hat am 30. März 2005 auf der Frühjahrskonferenz der Antitrust Section der American Bar Association in Washington über "Antitrust Sentencing in the Post-Booker Era" referiert und eine Rechtsprechung des Supreme Court erläutert und kommentiert, die derzeit in den USA für lebhafte Diskussionen sorgt.

Die Entscheidungen und das Problem

In vier Entscheidungen (Apprendi, Blakely, Fanfan und Booker) hat sich der Supreme Court mit der Anwendung der Sentencing Guidelines in Strafprozessen auseinander gesetzt, was auch Rückwirkungen auf strafrechtliche Kartellverfahren hat.

Im amerikanischen Strafprozess entscheidet bekanntlich die Jury die Schuldfrage. Anschließend setzt der Richter in einem besonderen Verfahren (sentencing) das konkrete Strafmaß fest. Dabei geht er zunächst vom gesetzlichen Strafrahmen aus, der meist eine Mindest- und eine Höchststrafe für ein Delikt vorsieht. Innerhalb dieses Rahmens sagen ihm die Sentencing Guidelines, woran er sich bei der individuellen Strafzumessung zu orientieren hat. Zu diesem Zweck werden bestimmte Faktoren aufgezählt, die strafschärfend oder strafmildernd wirken.

Ob solche Faktoren im Einzelfall vorliegen, war bisher ganz der Beurteilung des Richters überlassen. Dies hat der Supreme Court nun als Verstoß gegen das Recht auf einen Geschworenenprozess bezeichnet (sofern der Beschuldigte nicht mit der Berücksichtigung der Faktoren einverstanden ist – plea bargaining). Allerdings hat der Supreme Court die Sentencing Guidelines nicht für gänzlich unwirksam erklärt, sondern sie dürfen weiter verwendet werden, allerdings nur als Hilfsmittel (advisory function). Was dies im Einzelnen bedeutet, ist in der Fallpraxis der USA noch sehr umstritten.

Konsequenzen für das Kartellrecht

Mr. Hammond ist der Auffassung, dass sich hier nicht sehr viel ändern wird.

Hält es das DoJ für richtig, innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens zu bleiben (für Unternehmen Höchststrafe 100 Millionen Dollar, Antitrust Criminal Penalty Enhancement Act), so wird es künftig die einzelnen Berechnungsfaktoren schon im Strafantrag (indictment) beschreiben, damit darüber im Verfahren, nicht erst bei der Strafzumessung befunden werden kann.

Will das DoJ darüber hinausgehen, muss es "twice the gain or twice the loss" nachweisen und wird auch hier die notwendigen Faktoren schon frühzeitig vortragen (Kommentatoren meinen jedoch, dass dies nicht ganz einfach sein dürfte).

Soweit sich das DoJ mit einem Unternehmen auf eine Strafe verständigt (plea bargaining), besonders im Anschluss an eine Selbstanzeige im Rahmen des Amnesty-Programms, so meint Hammond, dass man der neuen Lage durch entsprechende Formulierungen des Antrages an das Gericht entsprechen könne.

Wichtig ist dem DoJ bei alledem, dass durch die neue Situation die Wirksamkeit von Zusagen einer Amnestie nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Dies wäre auch ein dringendes Anliegen des Ministeriums, wenn es zu einer gesetzgeberischen Klärung durch den Kongress kommen sollte.