20.12.2005
Monopolkommission: Sondergutachten "Wettbewerbsentwicklung bei der Post 2005"
Deutschland
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Am 15. Dezember 2005 hat die Monopolkommission der Öffentlichkeit ihr 44. Sondergutachten vorgestellt. Es erfüllt den Auftrag aus § 44 des Postgesetzes, wonach die Kommission alle zwei Jahre die Märkte des Postwesens untersuchen soll. Das Sondergutachten trägt den Titel „Wettbewerbsentwicklung bei der Post 2005 – Beharren auf alten Privilegien“ und knüpft an das 39. Sondergutachten aus dem Jahr 2003 an, dessen Untertitel die „Zementierung des Postmonopols“ kritisiert (FIW-Aktuelles vom 4.1.2004).
Das neue Sondergutachten umfasst 59 Seiten und behandelt in seinen drei Hauptteilen die regulatorischen Rahmenbedingungen, die Entwicklungen in den Postmärkten und die Wettbewerbsprobleme, bevor zum Schluss ein Fazit mit Empfehlungen gezogen wird:
Regulatorische Rahmenbedingungen
- Grundlegend sind die europäische Postrichtlinie von 1997 (geändert 2002) und das Postgesetz von 1998 (mehrfach geändert). Das Postgesetz will Wettbewerb durch Regulierung herbeiführen und die flächendeckende Grundversorgung (Universaldienst) gewährleisten. Die Regulierung erstreckt sich auf den Marktzutritt, den Universaldienst sowie die Entgelte und Teilleistungen bei marktbeherrschenden Unternehmen. Marktbeherrscher ist die Deutsche Post AG (DP AG).
- Das Postgesetz räumt der DP AG bekanntlich eine Exklusivlizenz für den wesentlichen Teil des Briefmarktes bis Ende 2007 ein (gesetzliche Verlängerung ist möglich). Hier ist der Wettbewerb ausgeschaltet. Er findet statt bei Briefsendungen über 1000 g und der Beförderung von Paketen, Zeitungen und Zeitschriften sowie bei Kurierdiensten. Hier bedarf es keiner Lizenz, jeder darf diese Leistungen erbringen.
- Der Exklusivlizenz der DP AG unterfallen im Wesentlichen Briefe bis 100 g (ab 2006 50 g). Für die Beförderung von Briefen bis 1000 g, die nicht von der Exklusivlizenz erfasst wird, kann die Bundesnetzagentur Wettbewerbern Lizenzen verschiedenen Typs (je nach Dienstleistung) erteilen, wobei die Lizenz für „qualitativ hochwertige Dienstleistungen“ für die Wettbewerber am wichtigsten ist.
- Der für die DP AG reservierte Monopolbereich erfasst 67 Prozent (ab 2006 60 Prozent) der Umsätze bei der Briefbeförderung.
- Ausführlich stellt die Monopolkommission die Auseinandersetzungen zwischen der DP AG und gewerblichen Postvorbereitern (Konsolidierern) dar, die zu einer Entscheidung der Kommission und zu einer Verfügung des Bundeskartellamts geführt haben. Gegen die Brüsseler Entscheidung klagt die Bundesregierung in Luxemburg. Die Monopolkommission begrüßt die Entscheidungen beider Wettbewerbsbehörden ausdrücklich und bedauert die Position der Bundesregierung, die befürchtet, dass der DP AG durch die Tätigkeit der Konsolidierer Verluste entstünden, die das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens gefährdeten. Die Monopolkommission hält Verluste von ca. 100 Millionen Euro angesichts des Gesamtumsatzes der DP AG von 12,747 Milliarden Euro im Briefbereich für unbedeutend (0,7 Prozent), zumal der Gewinn in diesem Bereich 2004 2,08 Milliarden Euro betrug.
- Eingehend wird die Regulierung der Entgelte für lizenzpflichtige Postdienstleistungen durch die Bundesnetzagentur erläutert. Die Monopolkommission wiederholt ihren Vorwurf aus dem voraufgegangenen Sondergutachten, dass die Bundesnetzagentur beim Price-Cap-Verfahren die Preise, die der DP AG zugestanden werden, zu wenig abgesenkt habe. Dies zeige sich besonders an den Umsatzrenditen, die seit 2001 zwischen 16 und 17 Prozent schwanken und vor und nach der Portosenkung stabil waren. Praktisch laufe dies auf eine Sondersteuer der Bürger für Postleistungen hinaus.
- Die Monopolkommission ist auch mit der Rechnungslegung der DP AG unzufrieden, denn nach der Post-Richtlinie und der Transparenz-Richtlinie müssten für jeden Dienst des reservierten und des nicht-reservierten Bereichs getrennte Konten geführt werden. Danach suche man im Geschäftsbericht der DP AG vergeblich, ebenso wie Hinweise auf die Kosten, die mit der Verpflichtung zum Universaldienst verbunden sind. Dies erschwere sachgerechte Regulierung und effektive Missbrauchsaufsicht.
Entwicklungen in den Postmärkten
- Die DP AG machte 2004 im Briefbereich einen Umsatz von 12,8 Milliarden Euro (knapp 30 Prozent des Konzernumsatzes). Der Umsatz ist in den letzten Jahren konstant geblieben. Die Umsatzrendite lag hier 2004 bei 16,4 Prozent. Mehr als die Hälfte des Konzerngewinnes stammt aus der Briefbeförderung („eine unerschöpflich sprudelnde Geldquelle“). Die Monopolkommission hält fest, dass damit die Postkunden nicht nur ein Postunternehmen finanzieren, sondern den Aufbau eines „gobal players“ auf den weltweiten Express- und Logistikmärkten.
- Insgesamt wurden 2003 auf den Postmärkten Umsätze von 23 Milliarden Euro erzielt. Im lizenzierten Markt (einschließlich Exklusivlizenz) wurden rund 10 Milliarden Euro umgesetzt. Davon entfielen 2005 93,1 Prozent auf die DP AG. Im liberalisierten Markt werden 2005 voraussichtlich Umsätze von 4,2 Milliarden Euro erzielt. Der Marktanteil der DP AG liegt bei 83,2 Prozent.
- Die Konkurrenten der DP AG sind durchweg kleine Unternehmen. Nur 10 Unternehmen meldeten 2004 einen Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro.
- Die Monopolkommission sieht eine seit dem letzten Sondergutachten nahezu unveränderte Wettbewerbssituation. Die Gründe für diese Stagnation werden im nächsten Abschnitt analysiert.
Wettbewerbsprobleme
- Die DP AG hat gegenüber Konkurrenten erhebliche Vorteile: Größen- und Verbundvorteile (das Zustellnetz weist nach der Monopolkommission alle Merkmale eines natürlichen Monopols auf), größere Erfahrung (Lernkurveneffekt) und den höheren Bekanntheitsgrad.
- Institutionell ist das Monopol für 60 Prozent der Briefbeförderung das Haupthindernis für Wettbewerb, denn dadurch vermindert sich das Volumen für die Konkurrenten, die auch keine Komplettangebote machen können. Wettbewerber werfen der DP AG zudem eine Quersubventionierung aus dem Briefgeschäft vor (Entscheidung der Kommission gegen die DP AG).
- Die Aufhebung des Briefmonopols nur im europäischen Gleichklang – so die Bundesregierung – hält die Monopolkommission für das falsche Argument. Das Monopol soll lediglich die Umstellung der DP AG auf den Wettbewerb erleichtern (vor allem hinsichtlich der Pensionslasten), nicht aber die Liberalisierung auf unbestimmte Zeit vertagen. Trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7.10.2001 zweifelt die Monopolkommission an der Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung des Briefmonopols im Jahre 2001.
- Ein weiteres Hindernis für Wettbewerber ist die Befreiung der DP AG von der Umsatzsteuer, die sich auf Pakete bis 20 kg und Briefe bis 2 kg bezieht. Damit müssen die Wettbewerber von vornherein beim Preis 16 Prozent Unterschied wett machen. Diese Ungleichheit sollte schnellstens abgeschafft werden.
- Hinderlich wirkt sich auch die umfangreiche Prozesspraxis der DP AG aus, besonders bei den höherwertigen Dienstleistungen (termingenaue Zustellung, Über-Nacht-Zustellung, taggleiche Zustellung). Auch wenn die DP AG nicht obsiegt, verzögert sie regelmäßig die Endentscheidung durch Rechtsmittel und verunsichert ganz allgemein potentielle Wettbewerber.
- Die Monopolkommission wirft der DP AG auch einen Missbrauch des Markenrechts vor, nämlich durch Eintragung des Tagesstempels und der Bezeichnung „Post“ als Marke. Über Löschungsanträge ist noch nicht rechtskräftig entschieden.
- Zwar haben die Wettbewerber nach dem Postgesetz Zugriff auf Einrichtungen der DP AG, etwa auf Postfachanlagen oder Adressdatenbanken. Hier hat die Bundesnetzagentur Entgelte genehmigt. Kein ausdrücklicher Anspruch besteht auf die Benutzung des Zustellnetzes, aber der Marktbeherrscher muss Teilleistungen gesondert anbieten. Auf dieser Grundlage hat die Bundesnetzagentur durch Entscheidungen Wettbewerbern den Zugang zu Briefzentren der DP AG geöffnet. Die Monopolkommission wirft der DP AG jedoch vor, die praktische Umsetzung des Zugangs zu Teilleistungen auf verschiedenen Weise zu behindern.
- Schließlich bedauert die Monopolkommission, dass in der Diskussion das Briefmonopol mit der Sicherstellung des Universaldienstes begründet wird. Davon war aber bei Erlass des Postgesetzes keine Rede. Deshalb darf eine weitere Verlängerung auch nicht mit dieser Begründung beschlossen werden, die Kommission räumt aber ein, dass uroparechtlich ein solches Monopol nur mit dieser Verpflichtung begründet werden kann.
Fazit und Empfehlungen
Die zahlreichen kritischen Anmerkungen und Handlungsempfehlungen für Bundesregierung, Bundesnetzagentur und DP AG fasst die Monopolkommission abschließend noch einmal in einem besonderen Kapitel zusammen.