24.05.2005
International Competition Network: Jahreskonferenz 2005 in Bonn
ICN
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https://www.icn-bonn.org |
https://www.bundeskartellamt.de
Vom 6. bis 8. Juni 2005 findet die vierte Jahreskonferenz des ICN in Bonn statt. Ausrichter ist das Bundeskartellamt, dessen Präsident Dr. Böge gegenwärtig den Vorsitz des ICN innehat. Einzelheiten zu der Veranstaltung findet man in einer Pressemeldung vom 18. Mai 2005 auf der Website des Bundeskartellamts.
Das ICN ist eine Arbeitsgemeinschaft von derzeit 89 Wettbewerbsbehörden, an deren Beratungen aber auch Wissenschaft, Wirtschaft und Anwaltschaft beteiligt werden. Oberstes Ziel ist die bessere Zusammenarbeit, die durch eine Konvergenz der Gesetzgebung und der praktischen Handhabung des Wettbewerbsrechts gefördert werden soll.
Die Sacharbeit des ICN vollzieht sich in Arbeitsgruppen. Sie werden in Bonn ihre Ergebnisse präsentieren und diskutieren. Die Materialien für die Beratungen sind auf einer Website abrufbar, die speziell für die Konferenz eingerichtet worden ist. Sie füllen einen Aktenordner. Ihr Studium ist auch für jene nützlich, die nicht an der Konferenz teilnehmen, denn sie zeigen an, welche Tendenzen im Kreis der Wettbewerbsbehörden an Einfluss gewinnen. Für die internationale Fortentwicklung des Wettbewerbsrechts, die auch Rückwirkungen auf die europäische und nationale Gesetzgebung haben wird, ist dies nicht unwichtig.
Die vier Arbeitsgruppen haben folgende Dokumente vorgelegt:
1. Arbeitsgruppe Unternehmenszusammenschlüsse (Mergers Working Group)
- Recommended Practices on Remedies and Competition Agency Powers (15 Seiten)
Das kurze Papier befasst sich mit Grundsätzen der Prüfung angemeldeter Zusammenschlüsse: Prüfung einer Verschlechterung der Wettbewerbssituation, Transparenz, das Verfahren bei Zusagen und der Überwachung ihrer Einhaltung sowie die Ausstattung der Wettbewerbsbehörden. - Waivers of Confidentiality (22 Seiten)
Da Unterlagen, die mit der Anmeldung einer Fusion bei einer Wettbewerbsbehörde eingereicht worden sind, vertraulich behandelt werden müssen, bedarf es des Einverständnisses der Parteien, damit sie an andere Wettbewerbsbehörden, die mit der Prüfung des selben Zusammenschlusses befasst sind, weitergegeben werden dürfen. Dies liegt meist im Interesse der Parteien. Das Papier beschreibt die Interessenlage und die Einzelheiten von Formulierungen einer Zustimmungserklärung. In Anhängen werden Formularmuster wiedergegeben (ICN, DoJ, FTC, EU). - Merger Notification Filing Fees (25 Seiten)
73 Staaten verlangen eine Anmeldung von Fusionen. 42 erheben dafür keine Gebühren. Das Papier stellt die verschiedenen Erhebungssysteme der anderen Behörden dar. Manche Länder verlangen eine Einheitsgebühr, andere staffeln nach Arbeitsaufwand für die Behörde oder Komplexität des Falles, wieder andere nach den Umsätzen der beteiligten Unternehmen. Erörtert wird auch die Verwendung: in einigen Ländern fließt das Geld in den allgemeinen Staatshaushalt, in anderen wird daraus die Wettbewerbsbehörde finanziert. Die Vorteile und Nachteile beider Systeme werden dargestellt. Schließlich kommen auch die Unternehmen zu Wort, die über die Kosten bei Mehrfachanmeldungen besorgt sind (PWC-Studie, vgl. FIW-Aktuelles vom 1.7.2003). Im Anhang findet man Länderlisten und eine Übersicht über die Einnahmen ausgewählter Behörden (darunter Deutschland). - Implementation of the ICN Recommended Practices for Merger Notification and Review Procedures (34 Seiten)
ICN hatte Recommended Practices beschlossen. Das Papier zieht eine Zwischenbilanz. 53 Wettbewerbsbehörden haben über ihre Fortschritte bei der Umsetzung berichtet. Es ist deshalb für die Praktiker relevant, zumal die meisten Behörden mit den interessierten Kreisen zusammenarbeiten. Der Umsetzungsprozess wird weiterhin zu den Prioritäten des ICN gehören. 2006 soll dazu ein besonderer Workshop stattfinden. - Draft Merger Guidelines Workbook (58 Seiten)
Die Wettbewerbsbehörden Großbritanniens und Irlands haben dieses "Arbeitsbuch" entworfen. Es ist als Orientierungshilfe für die Prüfung von Zusammenschlüssen gedacht, besonders für junge Wettbewerbsbehörden, und besteht aus acht Abschnitten (worksheets), von denen fünf vorliegen: Definition des relevanten Marktes, Struktur und Konzentration, unilaterale Effekte, koordinierte Effekte, Marktzutritt. Die Abschnitte über Effizienzen, failing firm defence und vertikale Zusammenschlüsse folgen bis 2006. - Merger Remedies Review Project (56 Seiten)
In diesem Papier wird zusammengestellt, was bei "Remedies" (Verhaltenszusagen, Veräußerungszusagen) zu beachten ist. Der Bericht umfasst 16 Seiten, der Rest besteht aus Anlagen, darunter interessante Fallstudien (auch aus Deutschland). Dargelegt werden zunächst die Prinzipien der Zusagen, dann die Auswahl von Zusagen, schließlich ihre Umsetzung und Überwachung (einschließlich des Einsatzes von Treuhändern und der Streitschlichtung). - ICN Investigative Techniques Handbook for Merger Review (78 Seiten)
Dies ist ein für die Praxis bedeutungsvolles Dokument, denn es will ein Führer sein, dessen sich die Wettbewerbsbehörden bei der Durchführung von Prüfungen bedienen können. Es ist damit ein Beitrag zu internationaler Konvergenz und Zusammenarbeit. Das Handbuch besteht aus fünf Kapiteln: Welche Werkzeuge und Techniken stehen zur Verfügung, wie plant man eine Untersuchung, wie erlangt man verwertbare Beweise, was ist bei ökonomischen und ökonometrischen Analysen zu beachten? Abschließend kommen die Unternehmen zu Wort. Sie weisen auf Dauer und Kosten der Untersuchung hin.
2. Arbeitsgruppe Implementierung des Wettbewerbsrechts (Competition Policy Implementation Working Group)
- Assessing Technical Assistance for Competition Policy: Preliminary Results (88 Seiten)
Es geht um die Hilfe beim Aufbau neuer Wettbewerbsbehörden. Dies zählt das ICN zu seinen Kernaufgaben. In einer ersten Bestandsaufnahme wurden 37 Wettbewerbsbehörden untersucht und dabei ermittelt, was sich gut entwickelt hat und wo nachgeholfen werden sollte. - Consumer Outreach by ICN Members – A Report on Outreach Undertaken an Lessons learned (45 Seiten)
In der Wettbewerbspolitik dreht sich bekanntlich alles um den Verbraucher. Seit einiger Zeit wird international diskutiert, wie die Verbraucher stärker in die Wettbewerbspolitik integriert werden können. Auch hier will ICN ein wichtiges Forum sein. Der Bericht stützt sich auf die Mitarbeit von zwölf Wettbewerbsbehörden und erörtert Maßnahmen wie Mitspracherechte für Verbraucherverbände, Verbraucherbefragungen oder Verbraucherinformation über Medien oder durch Veröffentlichungen. - Competition Advocacy Review – Case Studies on Regulated Sectors (29 Seiten)
Unter "advocacy" versteht man – so die Pressemeldung des Bundeskartellamts – "Durchsetzung des Wettbewerbs". ICN betrachtet unter diesem Aspekt auch die regulierten Wirtschaftsbereiche. Es geht dabei hauptsächlich um das Verhältnis der Regulierung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht und die Überschneidungen und Parallelen bei der Handhabung spezieller und allgemeiner Wettbewerbsgesetze. Das Papier stellt zunächst noch einmal das Grundproblem anhand der Erfahrungen in einigen Ländern und der EU dar, befasst sich dann mit den Möglichkeiten, dem Wettbewerbsgedanken bei einer Regulierung ausreichendes Gehör zu verschaffen, und schließt mit einem Kapitel, in dem untersucht wird, in welchem Ausmaß durch Regulierung tatsächlich neuer Wettbewerb geschaffen worden ist. - Aspects of Independence of Regulatory Agencies and Competition Advocacy (43 Seiten)
Die Studie der Getulio-Vargas-Stiftung untersucht die Unabhängigkeit von Regulierungsbehörden in verschiedenen Ländern und ergänzt damit das zuletzt dargestellte Papier.
3. Arbeitsgruppe Kartelle (Cartels Working Group)
- Building Blocks for Effective Anti-Cartel Regimes (84 Seiten)
Diese Unterlage hat die Generaldirektion Wettbewerb verfasst. Sie beschreibt, wie ein wirksames Regime zur Bekämpfung von Kartellen aussehen könnte (es handelt sich um den ersten Teil, ein zweiter wird folgen). Es geht zunächst um die Definition von Verhaltensweisen als hard-core-Kartelle, dann um die Einrichtung wirksamer Institutionen für die Kartellbekämpfung (besondere Abteilungen, in manchen Ländern eingebettet in die sektoralen Abteilungen) und um die Zusammenarbeit mit privaten Einrichtungen (etwa IT-Spezialisten). Abschließend wird diskutiert, wie Abschreckung erzielt wird. International sind die Regelungen sehr unterschiedlich (42 Prozent der Länder kennen Kriminalstrafen). Zu beachten ist, dass Unternehmen durch die Vervielfältigungen von Bestrafungen durch einzelne Länder nicht in den Bankrott getrieben werden dürfen. - Anti-Cartel Enforcement Manual and Template (65 und 14 Seiten)
Das Handbuch für die Kartellbekämpfung soll Wettbewerbsbehörden als Vergleichsmaßstab dienen, an dem sie ihre (von Land zu Land sehr unterschiedliche) Praxis messen können. Es gliedert sich in zwei Kapitel: Durchsuchungen (searches, raids, inspections) und Amnestieprogramme (drafting and implementing an effective leniency programme). In das Handbuch sind die Erfahrungen zahlreicher Wettbewerbsbehörden eingeflossen. Das "Template" ist ein Fragebogen, mit dem die Wettbewerbsbehörden einander über die Gesetzeslage und das Verfahren bei der Kartellbekämpfung unterrichten wollen. Die Sammlung der Antworten soll auch der Allgemeinheit zugänglich werden.
4. Arbeitsgruppe Regulierte Wirtschaftsbereiche (Antitrust Enforcement in Regulated Sectors Working Group)
- An Increasing Role for Competition in the Regulation of Banks (30 Seiten)
Der Bericht beschäftigt sich mit einer Überprüfung der Regulierung von Banken, um dadurch mehr Wettbewerb zu schaffen. Auch sollen den Wettbewerbsbehörden Hinweise zur Anwendung des Wettbewerbsrechts in diesem Sektor gegeben werden, speziell auch für die Prüfung von Zusammenschlüssen. - Interrelations between antitrust and regulatory authorities (71 Seiten)
Dieser Bereich wurde vor kurzem noch als Niemandsland bezeichnet. Jetzt aber konzentrieren sich verschiedene Organisationen, so auch ICN, auf dieses Verhältnis. Der Bericht einer Arbeitsgruppe besteht nur aus zwölf Seiten, der Rest sind Anhänge, die auf verschiedene Länder eingehen, um daraus praktische Erfahrungen zu gewinnen. Es wird festgestellt, dass das Verhältnis der Regulierungsbehörden zu den Wettbewerbsbehörden sehr unterschiedlich ist, dies für sich genommen aber kein Problem sein sollte. Wichtiger ist es, auf die Ergebnisse der Regulierung zu blicken, die oft noch sub-optimal sind. Im Vordergrund sollten kurzfristig wirkende, pragmatische Lösungen stehen.