17.11.2005
FTC: EU/USA - Konvergenz der Wettbewerbsrechte (2 Vorträge)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/ |
Werden die Unterschiede zwischen den Wettbewerbsrechten der USA und der EU geringer? Was treibt die Angleichung voran, was hemmt sie? Wie weit kann sie gehen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich im Oktober 2005 zwei prominente Mitglieder der Federal Trade Commission.
Pamela Jones Harbour: Harmony and Conflict (28 Seiten)
Mrs. Harbour ist eine der fünf Commissioners der FTC. Sie sprach am 21. Oktober 2005 in London auf einer Veranstaltung der New York State Bar Association zum Thema „Developments in Competition Law in the European Union and the United States: Harmony an Conflict“.
- Es gibt vier Ursachen für Konflikte zwischen den Wettbewerbsordnungen: die nationale Souveränität, nationale Interessen, Regulierungstendenzen in den einzelnen Ländern und abweichende Auffassungen über Schädigungen des Wettbewerbs.
- Souveränität: Jeder schützt seine eigenen Bürger und nimmt es nicht gern hin, wenn andere Länder die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts über ihre Grenzen hinaus ausdehnen. Auf dieser Einsicht beruhen die Arbeiten des International Competition Network, etwa die Grundsätze für Mehrfachanmeldungen von Zusammenschlüssen.
- Nationale Interessen: Dies zielt auf den Protektionismus (französische Politik: Schutz eigener Unternehmen vor Übernahmen durch ausländische Unternehmen – Danone / Pepsico –, aber auch auf die Bedenken gegen die Übernahme von Unocal durch die chinesische CNOOC oder auf die britischen „blocking statutes“). Erwähnt wird hier auch die deutsche Ministererlaubnis (E.ON Ruhrgas).
- Nationale Regulierung: Sie kann die Anwendung des Wettbewerbsrechts verdrängen oder behindern und Marktzutrittsschranken errichten (Arzneimittelmarkt, Rolle der früheren Staatsmonopolisten als marktbeherrschende Unternehmen in liberalisierten Märkten).
- Unterschiedliche Auffassungen über Schädigungen des Wettbewerbs (competitive harm): Schutz des Wettbewerbers statt des Wettbewerbs (Mittelstandsschutz durch den Robinson-Patman Act, Berücksichtigung der Wirtschafts- und Finanzkraft eines Unternehmens in der europäischen Fusionskontrolle, was in den USA kaum noch ins Gewicht fällt).
- Der Weg führt „from conflict to cooperation to convergence“. Erster Schritt waren die verschiedenen Kooperationsabkommen. Dennoch Konflikt im Fall Boeing / McDonnell Douglas, aber gute Zusammenarbeit bei Boeing / Hughes.
- Nächster Schritt: Allmähliche Abstimmung der Wettbewerbspolitik. Beispiele: Divestiture Study der FTC und Merger Remedies Guidelines der Kommission. Der Rückschlag durch GE / Honeywell gab Anstoß zu beiderseitiger Überprüfung der materiellrechtlichen und der Verfahrensunterschiede beider Rechtsordnungen, was 2002 zu den Best Practices on Cooperation in Mergers Investigations führte.
- Einige Kooperationen werden an Fällen veranschaulicht: Sanofi / Aventis, Sony / BMG, Procter & Gamble / Gillette.
- Trotz der unterschiedlichen Beurteilung des Falls Microsoft geht die Suche nach „policy harmony“ weiter. Bei Kartellen ist dies durch die Bonusprogramme ganz offensichtlich, ebenso durch gemeinsame Durchsuchungsaktionen. In der Fusionskontrolle ist man schon etwas weiter (SIEC-Test in der FKVO, horizontale Leitlinien von Kommission und von FTC / DoJ, Änderungen im Formblatt CO). Allerdings muss die Kommission auf die Entscheidung des EuG und des EuGH Rücksicht nehmen („leveraging“ und „portfolio power“ werden in den USA mit Skepsis betrachtet).
- Unterschiede bestehen noch im Bereich Artikel 82 EU / unilateral conduct: Rabatte wie im Fall British Airways werden in den USA als wettbewerbsfördernd angesehen, aber auch dort ist durch die Entscheidung LePage´s vs. 3 M einige Unsicherheit eingetreten.
- Alle Differenzen haben aber die engere Zusammenarbeit in der Tagespraxis nicht aufhalten können, die fast schon Routine ist. Dies gilt auch für den Informationsaustausch. Weil die Fälle auf beiden Seiten des Atlantik zunehmend synchron behandelt werden, ist es den Interessenten nicht mehr so leicht möglich, die Wettbewerbsbehörden gegeneinander auszuspielen.
William Blumenthal: The Status of Convergence of Transatlantic Merger Policy (4 Seiten)
Mr. Blumenthal ist Chefjurist (General Counsel) der FTC. Er referierte am 27. Oktober 2005 in Washington auf einer Tagung der American Bar Association über die Konvergenz in der Fusionskontrolle:
- Ausführlich wird die Zusammenarbeit von FTC und Kommission im Fall Procter & Gamble / Gillette beschrieben (Marktabgrenzung, Abhilfen), Freigabe in den USA später als in der EU wegen Schwierigkeiten auf anderen als den gemeinsam betrachteten Märkten.
- Bei der Beurteilung konglomerater Zusammenschlüsse gibt es den spektakulären Fall GE / Honeywell, aber auch andere Fälle, wo man zu Übereinstimmungen gelangte (GE / Amersham, Teile von Procter / Gillette, Gemeinschaftsunternehmen von Sony / BMG, Sanofi / Aventis und GE / Instrumentarium).
- Auch wenn die Politik jemals übereinstimmen sollte, ist die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen nie auszuschließen: Abweichungen bei der Anwendung des selben Rechtsstandards, unterschiedliche Marktverhältnisse, Differenzen durch Verkleinerungen der gemeinsamen Standards.