13.06.2005
Bundeskartellamt: 12. Internationale Kartellkonferenz
Deutschland
|
https://www.bundeskartellamt.de (Rede Böge)
https://www.europa.eu.int/comm/competition (Rede Kroes)
https://www.bdi-online.de (Rede Thumann)
Die 12. Internationale Kartellkonferenz des Bundeskartellamts, die am 5. Juni 2005 im Bundeshaus in Bonn stattfand, war diesmal auf einen Vormittag beschränkt und diente als Vorspann für die 4. Jahreskonferenz des International Competition Network, die am Nachmittag begann. Präsident Dr. Böge hatte auch Vertreter des FIW zur Teilnahme eingeladen.
Thema der Kartellkonferenz war "Das Wettbewerbsprinzip als Leitlinie für Gesetzgebung und staatliches Handeln – die Verantwortung der Politik und die Rolle der Wettbewerbsbehörden". Aus den Reden und der Podiumsdiskussion zu diesem wichtigen Thema ragten drei Beiträge heraus:
Dr. Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamts
- Die Entmonopolisierung hat in Deutschland und Europa Innovationskräfte freigesetzt. Aber nicht auf allen liberalisierten Märkten hat sich das Wettbewerbsprinzip durchgesetzt. Der Gesetzgeber hat nicht Schritt gehalten.
- Die Marktöffnung hat zu Strukturveränderungen geführt. Rufe nach Bestandsschutz erklingen, oft von Unternehmen, die vehement in andere Märkte vordringen.
- Das Vertrauen in die positiven Kräfte des Marktes und des Wettbewerbs schwindet in vielen gesellschaftlichen Gruppen. Zum einen mündet dies in Forderungen nach einer Industriepolitik (nationale Champions), zum anderen in das Verlangen nach Zähmung wirtschaftlicher Macht (Regulierung).
- Regulierung verteilt Macht um. Das Bundeskartellamt zieht das Wettbewerbsprinzip als Kontrollinstrument vor, denn der Wettbewerb kontrolliert wirtschaftliche Macht, ohne an anderer Stelle Machtzuwachs hervorzurufen. "Wettbewerb garantiert Freiheit, ohne anderen ihre Freiheit zu nehmen".
- Zum Verhältnis von Wettbewerb und Regulierung gibt es keine endgültige Antwort. Über die richtige Mischung muss immer wieder neu entschieden werden. Dieser Diskussion soll auch die Kartellkonferenz dienen.
Neelie Kroes, EU-Wettbewerbskommissarin
- Das Wettbewerbsprinzip muss in Gesetzgebungsverfahren der EU stärker beachtet werden. Es ist allerdings in der Gesetzesfolgenprüfung schon vorgeschrieben (Impact Assessment) und sollte auch von den Mitgliedstaaten stärker praktiziert werden.
- In zwei wichtigen Wirtschaftsbereichen – Finanzdienstleistungen und Energiewirtschaft – werden Sektoruntersuchungen nach der VO 1/03 beginnen. Ergebnisse sollen 2006 vorliegen. Ziel ist die Prüfung, ob ausreichender Wettbewerb herrscht. Im Bereich der freien Berufe ist nach dem Bericht der Kommission vom Februar 2004 in den Mitgliedstaaten einiges geschehen. Noch 2005 soll ein Fortschrittbericht der Kommission erscheinen.
- Die Mitgliedstaaten sind zur Anwendung des Wettbewerbsprinzips und des Wettbewerbsrechts durch den EU-Vertrag verpflichtet. Nach Art. 10 EU dürfen die nationalen Kartellbehörden nationales Recht nicht anwenden, das Unternehmen zu wettbewerbsbehinderndem Verhalten verpflichtet oder dies erlaubt (EuGH-Entscheidung "Fiammifieri"). Auch bei der Erbringung der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge (Art. 86 EU) haben die Mitgliedstaaten Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Kommission arbeitet an Vorschlägen zur Präzisierung der Kompensation, die der Staat Unternehmen gewähren darf, die solche Dienstleistungen ausführen (noch im Sommer 2005).
- Die EU sichert die Beachtung des Wettbewerbsprinzips durch die Mitgliedstaaten auch mittels Gesetzgebung. Als Beispiele sind die Telekommunikation und die Energiewirtschaft anzuführen. Eine sehr wichtige Rolle spielt die Beihilfenpolitik: die Kommission legt einen "Aktionsplan für die Beihilfenpolitik" vor (dazu gesonderter Beitrag).
Jürgen R. Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
- "Die Politik misstraut dem Wettbewerb". Aber nur eine wettbewerbsfähige Wirtschaft kann sich auf internationalen Märkten durchsetzen. Die Unternehmen sind hingegen durch staatliche Interventionen in den letzten Jahren immer stärker belastet worden. Eingriffe verzerren den Wettbewerb (Anstieg der Energiekosten von 2000 bis 2005 um 12 Milliarden Euro durch staatliche Vorgaben).
- Subventionen verzerren in der Regel den Wettbewerb. Es ist deshalb zu prüfen, ob sie wirklich notwendig sind. Ihr Umfang sollte kontrolliert und degressiv ausgestaltet werden. Besonders schädlich sind Beihilfen zugunsten von Unternehmen der öffentlichen Hand, die kein Konkurs- und Beschäftigungsrisiko tragen.
- "Weniger ist mehr". Der Staat sollte sich auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen beschränken (Abbau rechtlicher und technischer Hindernisse, Einführung eines investitionsfreundlichen Steuersystems, Garantie von Eigentum und Vertragserfüllung). Die Politik muss sich dabei am Wettbewerbsprinzip orientieren.
- Notwendig ist eine umfassende Überprüfung bestehender Gesetze. In einigen Sektoren ist Regulierung derzeit noch nötig, aber sie sollte langfristig in die Missbrauchskontrolle des allgemeinen Wettbewerbsrechts überführt werden.
- Mit einer Gesetzesfolgenabschätzung sollten die Kosten geplanter Maßnahmen für die Wirtschaft ermittelt werden. Negative Auswirkungen auf den Wettbewerb müssten dabei als indirekte Kosten erfasst werden.