13.02.2004
USA: Justizministerium nimmt im Fall Empagran Stellung
USA
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https://www.usdoj.gov/atr.cases |
Welche Bedeutung kann man in einem englischen Gesetzestext dem unbestimmten Artikel "a" geben? Von der Antwort könnte abhängen, ob die amerikanischen Gerichte künftig eine weltweite Zuständigkeit für Zivilklagen auf Schadensersatz wegen Kartellverstößen beanspruchen dürfen. Darum geht es im Fall "Empagran", der weit über die Kartellgemeinde hinaus Aufsehen erregt hat.
Der Supreme Court hat den Fall bekanntlich im Dezember 2003 zur Entscheidung angenommen. Das Justizministerium hat dem Gerichtshof im Februar 2004 für die Regierung der USA eine Stellungnahme (Amicus Brief) vorgelegt, die jetzt veröffentlicht worden ist. Darin wird eine einschränkende Auslegung der relevanten Zuständigkeitsnormen empfohlen.
Auslöser des Falles ist das internationale Vitaminkartell, das 1999 aufgedeckt worden ist. Die USA haben gegen die beteiligten Unternehmen Geldbußen von über 900 Millionen Dollar und 13 Gefängnisstrafen verhängt. Die Kartellbehörden anderer Länder haben weitere 855 Millionen Dollar an Geldbußen festgesetzt. An die behördliche Verfolgung des Kartells schlossen sich die Zivilverfahren wegen Schadensersatzes an. In Vergleichen haben die Unternehmen in den USA bisher etwa 2 Milliarden Dollar akzeptieren müssen.
Nun geht es um geschädigte Unternehmen in Ecuador, Panama, Australien und der Ukraine. Sie haben eine Sammelklage für ausländische Abnehmer von Vitaminen, die außerhalb der USA geliefert worden sind, erhoben. Wo liegt die Verbindung zum Gerichtsstand in den USA?
Die Kläger berufen sich auf den Foreign Trade Antitrust Improvements Act von 1982. Danach kann ein Verhalten im Ausland Gegenstand eines amerikanischen Verfahrens sein, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Verhalten muss Auswirkungen auf den Handel in den USA haben (direct, substantial and reasonably foreseeable effect),
- diese Auswirkungen müssen Grundlage für einen Anspruch nach dem Sherman Act sein (give rise to a claim).
Während unbestritten ist, dass das Vitaminkartell erhebliche Effekte auf dem amerikanischen Markt hatte, ist nicht klar, was es für ausländische Kläger bedeutet, dass sich daraus Ansprüche aus dem amerikanischen Kartellgesetz ergeben müssen. Die Rechtsprechung der Bundesgerichte ist uneinheitlich:
- Ein solcher Klageanspruch muss gerade aus den Wirkungen erwachsen, die in den USA eingetreten sind und den Klägern zustehen (Fifth Circuit, Statoil),
- es genügt, dass diese Auswirkungen überhaupt zu Ansprüchen führen (give rise to a claim), während es nicht erforderlich ist, dass gerade die ausländischen Kläger aus diesen amerikanischen Wirkungen Ansprüche herleiten können (Second Circuit, Kruman).
Die amerikanische Regierung hält die erste Auslegung für richtig und begründet dies mit der Wortauslegung, der Entstehungsgeschichte und wettbewerbspolitischen Erwägungen:
- "A claim" bedeutet nicht "irgendein Anspruch", sondern dafür hätte der Gesetzgeber die Wendung "any claim" gewählt. Schließt man sich dem an, ist klar, dass zwischen den beiden Bedingungen des FTAIA eine Verbindung besteht: die Auswirkungen in den USA müssen den Anspruch begründen.
- Die Entstehungsgeschichte des FTAIA lässt erkennen, dass der Gesetzgeber die damals unklaren Grenzen der kartellrechtlichen Zuständigkeit amerikanischer Gerichte deutlicher bestimmen wollte (was offensichtlich, wie der Fall zeigt, nicht völlig gelungen ist). Es gibt keine Hinweise in den parlamentarischen Beratungen für die Absicht, den Rechtsweg zu den US-Gerichten praktisch für alle Kartellansprüche freizugeben, wenn nur das Kartell auch irgendwelche Auswirkungen in den USA hatte.
- Politisch wäre eine weite Auslegung des FTAIA nach Ansicht der US Regierung schädlich:
- Verminderung des Anreizes zur Offenbarung von Kartellen (amnesty, leniency programs),
- außenpolitische Irritationen, weil die Souveränität anderer Länder missachtet wird (worauf Deutschland und die EU in Eingaben bereits hingewiesen haben), Gefahr von Abwehrgesetzen (blocking statutes),
- Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden anderer Länder, die bei der Sammlung von Beweisen für solche Verfahren mithelfen müssten,
- Belastung der amerikanischen Gerichte mit schwierig zu entscheidenden und wahrscheinlich meist hart umkämpften Fällen,
- Missachtung der Anstrengungen anderer Länder, die durchaus wirksame Gesetze zur Bekämpfung von Kartellverstößen erlassen haben und sie auch vernünftig praktizieren.