03.06.2004
7. GWB-Novelle: Regierungsentwurf verabschiedet
Deutschland
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Die Bundesregierung hat am 26. Mai 2004 den Regierungsentwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verabschiedet. Die Novelle wird nun im ersten Durchgang vom Bundesrat behandelt, dessen Stellungnahme im Juli 2004 erwartet wird. Die Bundesregierung wird ihre Gegenäußerung bis September 2004 vorbereiten. Die erste Lesung im Bundestag wird in demselben Monat stattfinden. Von der Dauer der Ausschussberatungen hängt ab, wann die Novelle in Kraft tritt. Das BMWA hofft auf den 1. Januar 2005.
Regierungsentwurf und Begründung sind im Internet veröffentlicht. Die wesentlichen Regelungen sind:
1. Umsetzung der VO 1/2003
- Einführung des Prinzips der Legalausnahme, damit Übernahme des europäischen Verbotsprinzips auch für vertikale Vereinbarungen (§§ 1, 2),
- Aufhebung der Freistellungstatbestände des GWB mit Ausnahme der Vorschrift über Mittelstandskartelle (§ 3),
- Gleichbehandlung von Fällen mit und ohne zwischenstaatliche Auswirkungen,
- Verbot von Preisbindungen (für nicht-zwischenstaatliche Fälle ohne Freistellungsmöglichkeit (§ 4)).
2. Marktbeherrschung
- Auch auf missbräuchliches Verhalten marktbeherrschender Unternehmen wird europäisches und deutsches Wettbewerbsrecht parallel angewendet, aber anders als bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen setzt sich hier eine strengere deutsche Vorschrift gegenüber dem Europarecht durch (Ausnutzung der Option aus der VO 1/2003: §§ 19, 20 GWB bleiben unangetastet, dadurch deutsche Sonderbehandlung marktstarker Unternehmen),
- Die Vorschriften über Preisempfehlungen (§§ 22, 23) werden abgeschafft, statt dessen gilt die Vertikal-VO.
3. Anwendung des europäischen neben dem deutschen Wettbewerbsrecht
- Artikel 81 EUV hat gegenüber deutschen Vorschriften Vorrang, nicht aber § 82 EUV (s.o.), soweit zwischenstaatliche Sachverhalte betroffen sind (§ 22),
- Deutsches Wettbewerbsrecht muss europafreundlich ausgelegt werden (§ 23): "Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts sind ... maßgeblich zugrunde zu legen".
4. Wettbewerbsregeln
- Die Vorschriften bleiben erhalten (§§ 23 bis 27).
5. Ausnahmebereiche
- Streichung der Sonderbereiche Vermarktung von Rechten an Fußballspielen sowie Verwertungsgesellschaften, keine Änderungen bei der Landwirtschaft, Einschränkungen bei Banken und Versicherungen.
6. Befugnisse der Kartellbehörden
- Übernahme der Regelungen aus der VO 1/2003, dabei Einführung des Instruments der Verpflichtungszusagen (§32 b) und von Entscheidungen, dass kein Anlass zum Tätigwerden besteht (§ 32 c),
- Einführung einer Enquetebefugnis des Bundeskartellamts (§ 32 e).
7. Sanktionen
- Schadensersatzanspruch bei Verschulden nicht nur gegenüber dem unmittelbaren Abnehmer oder gegenüber dem Konkurrenten, sondern gegenüber jedem Geschädigten (die Entscheidung über die passing-on-Verteidigung wird der Rechtsprechung zur Vorteilsausgleichung überlassen, § 33), der Schadensersatzanspruch kann auch von Verbraucherverbänden oder Gewerbeverbänden geltend gemacht werden,
- Das Bundeskartellamt kann darüber hinaus den wirtschaftlichen Vorteil, der durch den Verstoß erlangt wurde, abschöpfen (§ 34), es kann diese Abschöpfung aber auch im Rahmen der Bußgeldbemessung vornehmen (§ 81 Absatz 5),
- Sofern das Bundeskartellamt den Vorteil nicht abschöpft, können dies subsidiär Verbraucherverbände tun, Schadensersatzzahlungen sind bei Vorteilsabschöpfung stets anzurechnen (§ 34 a).
8. Internationale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden
- Spiegelbildliche Übernahme der Vorschriften der VO 1/2003 über den Informationsaustausch unter den Kartellbehörden (§§ 50 a bis c).
9. Bußgelder
- Verdoppelung des Bußgeldrahmens (§ 81 Absatz 4),
- Verzinsung von Bußgeldern trotz Einlegung eines Einspruchs gegen den Bescheid (§ 81 Absatz 6).
10. Pressefusion
- Kooperationen im Anzeigengeschäft werden dem Kartellrecht mit Ausnahme der §§ 19 – 20 GWB entzogen (§ 31),
- Die Aufgreifschwelle für Fusionen wird verdoppelt (auf 50 Mio. Euro), eine Bagatellklausel von 2 Mio. Euro eingeführt (§§ 35 Absatz 2 , 38 Absatz 3),
- Freigabe von Pressefusionen trotz Entstehung oder Verstärkung von Marktbeherrschung vorbehaltlich bestimmter vertraglicher Vereinbarungen zwischen dem Erwerber und dem Veräußerer oder einem Dritten (§ 36 Absatz 1 a und b).
11. Rechtsschutz in der Fusionskontrolle
- Vorläufiger Rechtsschutz gegen Freigaben im Hauptprüfungsverfahren setzt voraus, dass der Dritte "in seinen Rechten verletzt" ist (§ 65 Absatz 3).
12. Untersagungskriterium in der Fusionskontrolle
Das BMWA hat keine Änderungen vorgeschlagen, wird aber demnächst ein Diskussionspapier veröffentlichen, in dem Vorteile und Nachteile des Marktbeherrschungstests und des neuen europäischen SIEC-Tests dargestellt werden. Eine Änderung wäre dann noch in den Beratungen des Bundestages möglich.