29.01.2003
T. Muris: Improving the Economic Foundations of Competition Policy (Vortrag)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/muris/improveconfoundatio.htm |
I. Drei Grundsätze
- Hypothesen müssen immer wieder auf ihre Richtigkeit überprüft werden (reassessment).
- Hypothesen müssen von Gerichten und Behörden angewendet werden können (administrability).
- Die Stärke einer Hypothese hängt von der Empirie ab; hier sind die Auswirkungen früherer Entscheidungen von Gerichten und Behörden zu analysieren (empirical testing).
1. Überprüfung von Hypothesen (reassessment)
- Dies wird am Beispiel der amerikanischen Automobilindustrie und dem Übergang von der Hypothese, wonach eine höhere Konzentration unweigerlich zu weniger Wettbewerb führt, zu einer flexibleren Betrachtungsweise Ende der siebziger Jahre demonstriert.
2. Anwendbarkeit (administrability)
- Ökonomische Theorien müssen eine praktisch handhabbare Form erhalten (workable rules). Bestes Beispiel sind die Merger Guidelines, mit denen die Theorie vom „hypothetischen Monopolisten“ in die Praxis umgesetzt worden ist.
- In letzter Zeit häufen sich Beiträge von Ökonomen der Industrial Organisation. Sie stützen sich stark auf die Mathematik und die Spieltheorie, aber die mathematische Literatur hat bisher wenig Eingang in die Praxis des Kartellrechts gefunden. Ausnahmen sind bei der Oligopoltheorie (Arbeiten von Stigler) und bei den Bonus-Programmen (Spieltheorie) zu registrieren.
3. Empirische Kontrollen (empirical testing)
- Statistische Analysen spielen eine große Rolle. Dies war der Fall bei der Diskussion um den Ansatz „structure - conduct - performance“, der zunächst herrschend war, dann aber angesichts statistischer Grundlagen, die ihn nicht mehr stützten, aufgegeben wurde.
- Fallstudien sind für die FTC wichtig, um die Verhältnisse in bestimmten Branchen zu beobachten.
II. Die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) und die Lehre von den Transaktionskosten
- NIÖ ist eine der vielversprechendsten Entwicklungen in der ökonomischen Analyse. Einige der besten Arbeiten der FTC beruhen auf ihr.
- Die theoretischen Erklärungsansätze zur Analyse der Wettbewerbspolitik, aber auch viele Modelle der Industrieökonomik, beruhen zu sehr oder ausschließlich auf der Marktmacht als Grundlage für geschäftliche Entscheidungen („if an economist finds something that he does not understand, he looks for a monopoly explanation“).
- Rückbesinnung auf Ronald Coase (Nobelpreis 1991) ist nötig, der darauf bestanden hat, dass es nicht nur wichtig sei, auf den Markt zu schauen, sondern auch darauf, was innerhalb eines Unternehmens vorgeht, wie es organisiert ist („the efficiency of the economic system depends to a very considerable extent on how these organisations conduct their affairs“). Nach Coase hängt die Organisation eines Unternehmens bekanntlich von den Transaktionskosten ab, nämlich von den Kosten für Koordinierung und Vertragsschluss (ist es billiger, vertikal zu integrieren oder stattdessen Verträge mit Dritten abzuschließen?).
- Die Transaktionenökonomie kann verschiedene Erscheinungen im Wettbewerb gut erklären (der Wurstverkäufer an der Ecke verliert trotz Preiserhöhung nicht sämtliche Kunden an billigere Anbieter, weil es sich für die Kunden nicht lohnt - Transaktionskosten -, sich einen Überblick über den gesamten Markt und die Preise zu verschaffen). Ein anderes Beispiel ist die Werbung („elimination of ignorance“ führt zu besserer Marktübersicht und niedrigeren Transaktionskosten). Auch die Vertragspraxis der Unternehmen bietet viel Anschauungsmaterial für Versuche, durch Vereinbarungen, die auf den ersten Blick überraschen oder zu hart erscheinen mögen, die Transaktionskosten insgesamt zu verringern. Im Wettbewerbsrecht ist diese Lehre besonders bei der Untersuchung von vertikalen Vertragsbeziehungen sehr nützlich.
III. Das Forschungsprogramm der FTC (Research Agenda)
- Untersuchung von Fusionsentscheidungen im Krankenhausbereich (FTC hat die meisten Fälle vor Gericht verloren),
- Rückblick auf Fusionen in der Ölindustrie
- Wie können Scanner-Daten aus dem Handelsbereich benutzt werden, um Zusammenschlüsse von Markenartikelproduzenten zu beurteilen?
- Die generelle Rolle der Ökonometrie im Kartellrecht
- Analyse des Einflusses von Zusammenschlüssen auf das Potenzial zu abgestimmtem oder unilateralem Verhalten
- merger efficiencies
- Untersuchung der Arzneimittelmärkte
- (neu) weitere Untersuchungen der Auswirkungen horizontaler Zusammenschlüsse auf den Wettbewerb (Verbesserung der Auktions-Theorie der NIÖ)
- allgemeiner Rückblick auf Fusionsentscheidungen der Gerichte
- Zusammenschlüsse in Industrien mit hohen Fixkosten (größerer Anreiz für Abstimmung oder unilaterales Verhalten?)
- Preisdiskriminierungen (wann fördern sie den Wettbewerb? Auswirkungen von Preisdiskriminierungen auf unterschiedliche Abnehmergruppen?)