08.12.2003
Monti/Lowe: Neue Entwicklungen in der EU-Beihilfenpolitik
EU
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https://www.europa.eu.int/comm/competition |
Wettbewerbskommissar Mario Monti und sein Generaldirektor Philip Lowe haben am 1. Dezember 2003 in zwei Vorträgen vor der British Chamber of Commerce in Brüssel das neue Konzept der Kommission bei der Beurteilung von Beihilfen vorgestellt.
Grundsätze
Ziel sind weniger und besser eingesetzte Beihilfen. Dies erfordert eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, aber auch den Dialog mit den Mitgliedstaaten. Notwendig ist ferner, Prioritäten zu setzen. Dafür hat die Kommission einen „Test der erheblichen Auswirkungen auf den Wettbewerb" (significant impact test) entwickelt:
- Vorrang bei der Prüfung verdienen Beihilfen, die sich in anderen Mitgliedstaaten nachteilig auswirken.
- Sodann wird zwischen unwichtigen und wichtigen Fällen unterschieden, wobei vier Kriterien angewendet werden:
- Höhe der Beihilfe
- Sektor (bei nicht-handelbaren Gütern und Dienstleistungen sind Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel meist auszuschließen, man muss nur für den diskriminierungsfreien Zugang ausländischer Bewerber sorgen)
- Individuelle Beihilfen an ein einzelnes Unternehmen können wettbewerbswidriges Verhalten begünstigen, besonders wenn sie an marktmächtige Unternehmen gegeben werden.
- Sektorelle Beihilfen sollten in Bereichen handelbarer Güter vermieden werden.
- Höhe der Beihilfe
Aus diesen Grundsätzen hat die Kommission zwei Beurteilungen entwickelt, die erste in Ansehung eines beschränkten Umfangs der Beihilfe, die andere mit Bezug auf Sektoren mit nicht-handelbaren Gütern und Dienstleistungen.
Beschränkter Umfang der Beihilfe (LASA-limited amount of state aid)
- Die Beihilfe bezieht sich auf Kosten, die für die Erreichung wichtiger Gemeinschaftsziele notwendig sind (Umwelt, Arbeitsplätze, Ausbildung, kleine Unternehmen).
- Die Beihilfe deckt nicht mehr als 30 % dieser Kosten ab.
- Ein Höchstbetrag sollte nicht überschritten werden, etwa eine Million Euro in drei Jahren.
- Es muss eine Obergrenze für alle Beihilfen dieser Art in einem Mitgliedstaat geben.
- Man muss Missbräuche unterbinden können.
Beschränkte Wirkung auf den Handel (LET -limited effect on trade)
- Es soll eine Positivliste von nicht-handelbaren Gütern und Dienstleistungen entwickelt werden.
- In diesen Bereichen sind nur direkte Kosten beihilfefähig.
- Die Beihilfen an ein einzelnes Unternehmen sollen beschränkt werden, etwa auf eine Million Euro pro Jahr.
- Die Beihilfe muss allen Unternehmen offen stehen oder, wenn nur eine einzige Beihilfe zur Verfügung steht, in einem Ausschreibungsverfahren vergeben werden.
- Transparenz muss hergestellt werden.
Beihilfen, die unter LASA oder LET fallen, müssen gleichwohl notifiziert werden. Sie sind nicht automatisch freigestellt.
Weitere Projekte
Parallel zu LET und LASA überprüft die Kommission die Leitlinien für Rettungs- und Restrukturierungsbeihilfen. Sie laufen im Oktober 2004 aus. Verschiedene Möglichkeiten werden erwogen:
- Rettungsbeihilfen sollten dem Prinzip „Einmal und zum letzten Mal" unterworfen werden.
- Rettungsbeihilfen werden nur solange gezahlt, bis ein umfassender Restrukturierungsplan wirksam wird.
- Ein beträchtlicher Teil der Restrukturierungskosten sollte von privaten Investoren aufgebracht werden.
- Keine Anrechnung der Einstellung verlustbringender Aktivitäten auf die Kapazitätsbeschränkungen, die als Ausgleichsmaßnahmen erbracht werden müssen.
- Keine künstliche Existenzgarantie für Unternehmen, die nicht überlebensfähig sind.
Daseinsvorsorge
Nach der Altmark-Entscheidung des EuGH wird die Kommission neue Texte für Beihilfen im Bereich der Daseinsvorsorge ausarbeiten. Sie werden demnächst für eine Konsultation der betroffenen Kreise verfügbar sein.
Drei Fragen stehen dabei im Vordergrund:
- Wann müssen solche Beihilfen notifiziert werden?
- Wann sind sie mit dem EU-Vertrag vereinbar?
- Kann man eine Gruppenfreistellung einführen?